In wenigen Tagen ist es soweit: Am 11. Dezember stimmt das britische Parlament über das Brexit-Abkommen mit der EU ab. Scheitert Premierministerin Theresa May, droht Großbritannien ein unkontrollierter Austritt ohne Abkommen aus der EU. Bekommt May die Kurve, ist zumindest klar, unter welchen Bedingungen der Austritt passiert. So oder so wird der Brexit gravierende Auswirkungen auf viele europäische Branchen haben, auch die Medien sind davon betroffen. Konkret geht es um die Medienunternehmen, die mit ihren Sendern und Streamingdiensten Lizenzen bei der britischen Ofcom haben. Diese Lizenzen verlieren bei einem Austritt der Briten aus der EU ihre Wirkung in den anderen europäischen Ländern.

Tobias Schmid© Landesanstalt für Medien NRW
In der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste hat die EU auch das Herkunftslandprinzip geregelt. Dort heißt es zusammengefasst: Hat ein Medienunternehmen in einem europäischen Land eine Sendelizenz, dann gilt das Programm des Veranstalters auch in den anderen Ländern als rechtmäßig. Und viele Medienunternehmen haben eine Lizenz in Großbritannien. "Mit dem Austritt der Briten aus der Europäischen Union entfällt die Schutzwirkung der Ofcom-Lizenz. Das heißt: Eine Lizenz der Ofcom führt nicht mehr dazu, dass man das Signal automatisch auch in Deutschland rechtssicher verbreiten darf", sagt Tobias Schmid (Foto), Europabeauftragter der Medienanstalten und Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, im Gespräch mit DWDL.de.

Betroffen davon sind mehrere hundert Unternehmen, die eine Ofcom-Lizenz haben und nun prüfen müssen, wie sie ab April 2019 weiterverfahren. Erste Reaktionen gibt es schon heute: Turner Broadcasting hat bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) Lizenzen für sechs seiner Sender beantragt, die bislang durch die Ofcom lizenziert waren. Das waren Sender wie TCM Greece, WBTV France und TNT Poland. Man wolle auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, erklärte ein Turner-Sprecher und konkretisiert gegenüber DWDL.de: Man werde sicherstellen, dass man auch nach einem möglichen Brexit weitersenden könne.

"Wir empfehlen den Sendern ganz klar, ihre Lizenzsituation so zu ändern, dass sie eine stabile Rechtslage haben."
Tobias Schmid, Europabeauftragter der Medienanstalten und Direktor der Landesanstalt für Medien NRW

Es ist nicht zu erwarten, dass alle bei der Ofcom lizenzierten Sender nach dem Brexit von einem auf den anderen Tag schwarz werden, als Worst Case steht dieses Szenario aber im Raum. Tobias Schmid warnt: "Maßnahmen würden voraussichtlich nicht lange auf sich warten lassen." Das hänge dann an den jeweiligen Aufsichtsbehörden in den verschiedenen Ländern. "Nicht jeder ist glücklich mit dem Herkunftslandprinzip und der Gefahr einer Umgehung nationaler Regeln." Russia Today etwa sendet in Deutschland mit einer Ofcom-Lizenz und würde aufgrund der staatlichen Finanzierung wohl keine deutsche Lizenz erhalten. Andere Sender haben eine sehr liberale Politik in Sachen Alkohol-Werbung, was ebenfalls durch die Ofcom-Lizenz geschützt ist. Fällt diese weg, könnten die skandinavischen Länder, die hier traditionell eher konservativ aufgestellt sind, schnell eingreifen und Verbote aussprechen.

Selbst wenn seriöse Anbieter eigentlich keine Angst vor den Medienhütern haben müssten - ganz sicher sein könnten sie sich bei einer fehlenden Lizenz nie. "Wir empfehlen den Sendern ganz klar, ihre Lizenzsituation so zu ändern, dass sie eine stabile Rechtslage haben. Ich würde das Risiko als Unternehmen nicht eingehen", sagt Tobias Schmid. DWDL.de hat sich bei verschiedenen Medienunternehmen in Deutschland umgehört, die sich durch den nahenden Brexit eigentlich nach neuen Lizenzorten umschauen müssten, die meisten wollen sich aber nicht zu ihren Überlegungen oder konkreten Planungen äußern.

Betroffen sind Sony, Disney, Discovery, DAZN und viele mehr

AXN und Sony Channel etwa senden in Deutschland mit einer Lizenz der Ofcom. Ein Sprecher erklärt auf Nachfrage, man werde zu gegebener Zeit über "geplante Maßnahmen oder mögliche Neuerungen informieren". Auch bei Disney will man sich nicht zum Thema äußern und erklärt nur, dass man sich auf alle Eventualitäten vorbereite. Während der Disney Channel eine deutsche Lizenz hat, laufen Disney XD, Disney Junior und auch Disney Cinemagic über die Ofcom. Auch Discovery ist vom drohenden Brexit betroffen, allerdings nicht direkt in Deutschland. Die deutschen Sender haben auch alle hierzulande eine Lizenz, viele andere europäische Kanäle des Unternehmens aber nicht. "Bloomberg" berichtete vor wenigen Tagen, dass man sich daher bei Discovery Gedanken mache und die Sender möglicherweise in Amsterdam neu lizenzieren will, auch einige Mitarbeiter könnten dann dorthin wechseln. London soll aber, wie auch bei Turner, ein wichtiger Standort des Medienkonzerns bleiben.

Der Brexit bedroht aber nicht nur klassische TV-Sender, sondern auch Streamingdienste. DAZN etwa ist bei der Ofcom lizenziert und müsste sich für seine Märkte in Deutschland und Italien, in Spanien startet man 2019 ebenfalls, neue Lizenzen besorgen. Konkret äußern will sich ein Unternehmenssprecher nicht, doch auch er sagt: Man werde sicherstellen, dass man über entsprechende Lizenzen verfüge. Die Zurückhaltung der Unternehmen und die eher allgemein klingenden Antworten könnten damit zu tun haben, dass viele Medienmacher die Problematik noch gar nicht auf dem Schirm haben - oder schlicht hoffen, dass der Brexit doch noch irgendwie verhindert wird.

Einigung möglich, aber unwahrscheinlich

Inzwischen sind aber nicht nur bei der BLM Lizenz-Anträge eingegangen, auch die irischen Medienregulierer hatten zuletzt erste Anträge erhalten, machten aber zunächst keine Angaben, von welchen Unternehmen. Irland macht für viele Medienunternehmen als Lizenz-Standort vor allem aufgrund der Sprache Sinn. Andere Länder kommen möglicherweise wegen bereits vorhandener Unternehmens-Standorte infrage. Tobias Schmid von den Medienanstalten wirft im Gespräch mit DWDL.de noch ein weiteres, mögliches Kriterium ein: "Die Unternehmen suchen nach einem Land, das ihnen eine Rechtssicherheit für eine freie Medienlandschaft garantiert. Deshalb überlegt man sich vielleicht zweimal, ob man wirklich in Mitgliedstaaten geht, deren Demokratieverständnis eher porös ist." Dass sich Unternehmen wie Disney, DAZN oder Turner künftig also zusätzliche Lizenzen in Ungarn oder Polen holen könnten, erscheint unwahrscheinlich.

Theoretisch möglich ist es auch, dass sich die Politiker bis Ende März 2019 noch überlegen, wie die Ofcom-Lizenzen doch gültig bleiben könnten. So würde es wohl nur wenige Änderungen geben. Das erscheint derzeit aber sehr unwahrscheinlich. "In den ganzen Brexit-Diskussionen hat das alles bislang aber keine Rolle gespielt", sagt Schmid. Und so langsam wird die Zeit knapp, um sich auf eine entsprechende Vereinbarung zu verständigen. Ohnehin muss nun erst einmal abgewartet werden, wie das britische Parlament entscheidet. Scheitert Theresa May und wird das Abkommen mit der EU abgeschmettert, müssten die Medienkonzerne spätestens dann ihre Bemühungen um neue Lizenzen in anderen EU-Ländern intensivieren.