Hier ein grüner Bus, dort eine grüne Trinkflasche: Wer vor wenigen Wochen zufällig zu Vox schaltete, konnte zumindest visuell für einen kurzen Moment den Eindruck bekommen, dass hier gerade ein Werbefilm des Flixbus-Betreibers FlixMobilty läuft. Tatsächlich aber handelte es sich um die Sendung "Das Vorstellungsgespräch", in der echte Bewerber um einen Job kämpfen. Dass sich Flixmobilty für eine Teilnahme an dem ursprünglich aus Großbritannien stammenden Format entschied, überrascht auf den ersten Blick, schließlich ist das Unternehmen in der hiesigen Fernsehwerbung bislang nicht präsent.
Ganz neu ist der Schritt jedoch nicht, denn schon 2016 ging es auch in dem RTL-Format "Undercover Boss" um das Fernbusunternehmen, das es innerhalb weniger Jahre zum Marktführer in seinem Segment brachte. Beide Sendungen eint, dass sich die gezeigten Firmen in aller Regel sicher sein können, in gutem Licht dazustehen. Ein werblicher Effekt ist nicht von der Hand zu weisen - genau deshalb stellt sich die Frage, ob "Das Vorstellungsgespräch" oder "Undercover Boss" in Wahrheit nicht als Dauerwerbesendung deklariert werden müssten.
Gleiches gilt für "Die Höhle der Löwen", die Vox derzeit dienstags unmittelbar vor dem "Vorstellungsgespräch" zeigt. Wenn in der Gründershow regelmäßig von den großen Verkaufserfolgen der gezeigten Produkte die Rede ist, dann ist das freilich auf die großzügig bemessene Sendezeit zurückzuführen, mit der der Sender zuletzt mehr als drei Millionen Zuschauer erreichte. "Dass Firmen, Konzepte und Ideen thematisiert werden - und das ja vor allem bei 'Die Höhle der Löwen' auch durchaus kritisch - ist redaktionell notwendig, denn das ist der Kern beider Formate", sagt Vox-Sprecherin Julia Kikillis gegenüber DWDL.de.
Und so wähnt man sich bei Vox auf der sicheren Seite: In den genannten Sendungen bestehe "keine Kennzeichnungspflicht, weil unsererseits keine Werbeabsicht besteht und wir auch keine Gegenleistung für die Darstellung der Produkte oder Unternehmen erhalten", teilt der Privatsender mit. Das ist aus Sicht der teilnehmenden Unternehmen aber ohnehin nicht nötig, schließlich können sie ganz ohne teure Werbemaßnahmen darauf hoffen, dass die Kunden am nächsten Tag ihre Produkte kaufen.
Womöglich handelt es sich also um eine Lücke im System, an der sich weder die Sender noch die Unternehmen stören - und auch nicht die Medienhüter, aus deren Sicht selbst dann alles rechtens ist, wenn die Flixbus-Betreiber einen grünen Spielzeug-Bus prominent im Bild platzieren, auch wenn das "Vorstellungsgespräch" ganz sicher auch ohne Gimmicks dieser Art funktionieren würde. Die Landesanstalt für Medien NRW erkennt in diesem Zusammenhang zwar eine "werbliche Wirkung", doch: "Den weitaus größten zeitlichen Anteil an der Sendung nehmen die Vorstellungen der Arbeitssuchenden, die Vorstellungsgespräche und schließlich die Auswahl des passenden Bewerbers dar - dies alles ist werblich neutral gehalten."
Auch bei der "Höhle der Löwen" sehe man den "rundfunkrechtlichen Werbegriff", wie es aus Düsseldorf heißt, als nicht erfüllt an. Gleiches hört man, wenn man bei der für RTL zuständigen niedersächischen Landesmedienanstalt nachfragt, wie es um "Undercover Boss" bestellt ist. Und auch die Medienhüter aus Berlin und Brandenburg, die einen Blick auf die ProSieben-Erfindershow "Das Ding des Jahres" haben, wiegeln ab: "Der Werbezweck dominiert nicht", lautet die Einschätzung aus der Hauptstadt. Man werde aber auch die nächste Staffel "im Rahmen der regulären Programmbeobachtung sichten".
Fernsehsender und Produzenten können also auch weiterhin einigermaßen entspannt sein, wenn es um Formate wie die populäre "Höhle der Löwen" geht. Und für Unternehmer könnte sich selbst dann ein Auftritt vor den Investoren lohnen, wenn der erhoffte Deal am Ende ausbleibt. Die Aufmerksamkeit für das eigene Produkt könnte jedenfalls kaum größer sein.
Im Folgenden dokumentiert DWDL.de die Antworten der für die jeweiligen Formate zuständigen Landesmedienanstalten:
LfM NRW zu "Das Vorstellungsgespräch": "'Das Vorstellungsgespräch' ist ein Dokutainment-Format und bedient sich damit Elementen aus der Wirklichkeit. In dieser Sendereihe geht es darum, (unterhaltsam) zu zeigen, wie die Suche von Unternehmen nach passenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abläuft. Natürlich hat jede Nennung von Marken / Unternehmen auch eine werbliche Wirkung, zumal, wenn, wie in dieser Sendung, die Unternehmen zu Beginn etwas ausführlicher vorgestellt werden. Als Teil des Gesamtkonzeptes der Sendung ist es aber geradezu selbstverständlich, dass der Zuschauer erfährt, um welches Unternehmen es sich handelt. Den weitaus größten zeitlichen Anteil an der Sendung nehmen die Vorstellungen der Arbeitssuchenden, die Vorstellungsgespräche und schließlich die Auswahl des passenden Bewerbers dar – dies alles ist werblich neutral gehalten."
mabb zu "Das Ding des Jahres": "Eine Dauerwerbesendung liegt (nur) dann vor, wenn die Handlung trotz der redaktionellen Gestaltungselemente sichtbar nur dazu dient, den Rahmen für Werbepräsentationen abzugeben. Dies ist bei 'Das Ding des Jahres' nicht der Fall. Dort geht es in erster Linie darum, neue Erfindungen vorzustellen. Die Darstellung der Produkte dient vorrangig Informations- und Unterhaltungszwecken. Der Werbezweck dominiert nicht. Bisher hatte die mabb außerdem keine Anhaltspunkte dafür anzunehmen, dass es sich bei den Platzierungen der Produkte in 'Das Ding des Jahres' um bezahlte Placements handelt, so wie es bei Dauerwerbesendungen regelmäßig der Fall ist. In der letzten (und ersten) Staffel von „Das Ding des Jahres“ gewann der Sieger einen Werbedeal auf den Sendern der ProSiebenSat.1-Gruppe in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Auch die nächste Staffel wird die mabb im Rahmen der regulären Programmbeobachtung sichten."
NLM zu "Undercover Boss": "Alle bisherigen Ausstrahlungen von 'Undercover Boss' (RTL) enthalten keine werblichen Hervorhebungen oder Anpreisungen der vorgestellten Firmen und ihrer Produkte oder Dienstleistungen. Es handelt sich daher nicht um eine Dauerwerbesendung, bei der der Werbecharakter im Vordergrund stehen muss."