"Love Island" ist in Großbritannien auch ein Musterbeispiel für die digitale Markenverlängerung geworden. "Bei der ersten Staffel 2015 gab es zwei Digital Producer, jetzt waren es mehr als 20 Leute, alleine zehn vor Ort auf Mallorca", verrät Chris Younie, Senior Digital Producer bei ITV Studios Entertainment. Die produzieren Content für die begleitende App, aber auch Social Networks. So ist "Love Island" in Großbritannien zum größten Instagram-Account aller TV-Formate geworden. Beim Casting für die Show half Social Media ebenso - sei es Instagram oder auch Tinder. Bei der Dating-App hat auch RTL II nun Kandidaten für die deutsche Staffel gefunden.
Neu bei "Love Island" in UK war auch ein Podcast, der dank Integration in die App auf Anhieb zum meistgehörten Podcast Großbritanniens wurde und fast über die gesamte Laufzeit der Reality-Show auch blieb. Angela Jain, Managing Director ITV Studios Entertainment, erklärt den Hintergedanken: "Wir hatten am Morgen nach jeder Show einfach keinen neuen Content. Es gab kurze Highlight-Videos vom Vorabend, aber nichts Neues, wenn unsere Zuschauer morgens etwas haben wollten zu der Show, die sie abends so gerne schauen. Also haben wir den Podcast erfunden."
Dabei mangelte es nicht an Nachbesprechung des Gesehenen: Mit "Love Island: Aftersun" gab es schon eine einstündige Besprechung der Realityshow auf dem Sender. Ein ähnliches Rundum-Paket wie in Großbritannien hat auch RTL II nun zusammen mit ITV Studios Germany geschnürt: "Love Island: Aftersun" wird es auch in Deutschland geben, allerdings bei Facebook Live mit Ex-Kandidatin Chethrin Schulze. Ein Podcast ist ebenso geplant wie "Love Island"-Playlists bei allen großen Musik-Streamingdiensten. All die zusätzlichen Angebote, besonders die interaktiven Elemente der App, helfen bei der Gestaltung der nächsten Folgen der Reality-Show, die anders als "Big Brother" einst weniger Experiment-Charakter und weitaus intensiver und gezielter erzählt ist.
Angela Jain, Produzentin der britischen Version, will dem Vorwurf, bei "Love Island" sei alles mit Bedacht redaktionell inszeniert, entgegenwirken: "Wenn man 24 Stunden Material bekommt, aber nur 47 Minuten Show am Tag macht - muss man naturgemäß auswählen und bearbeiten. 'Big Brother' nahm den Kontakt zu den Kandidaten damals nur sehr limitiert auf. Wir brauchen diese Isolation der Kandidaten nicht. Wir kommunizieren miteinander, aber es bleiben halt junge, partyliebende Mittzwanziger in einer Luxus-Villa auf Mallorca... die machen letztlich was sie wollen."
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Für Großbritannien gilt zweifelsohne: Der Erfolg von "Love Island" ist eine der TV-Sensation des Jahres. "'Love Island' tritt dem weit verbreiteten Pessismus entgegen, dass das lineare Fernsehen die jungen Zuschauer verloren habe. Die Sendung funktioniert, egal ob linear oder non-linear", freut sich ITV-Manager Paul Mortimer. Gerne würde RTL II nach Kräften daran anknüpfen. In so vielerlei Hinsicht hat man sich dafür am britischen Erfolg orientiert. Zwei Unterschiede bleiben allerdings: Einmal die längere Laufzeit mit der "Love Island" in Großbritannien das TV-Sommerloch im Alleingang gefüllt hat. Und dann ist da noch die Mentalität, ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Wer schon einmal junge Briten beim Feiern erlebt hat, der kennt die oft auch dem Alkohol geschuldete Ausgelassenheit. Verbunden mit der Tatsache, dass es in keinem anderen europäischen Land so viele Teenager-Schwangerschaften gibt, gibt dies einen Eindruck, warum ein Party- Format wie "Love Island" von der Zielgruppe womöglich noch offener angenommen wird als in Deutschland. Mancher Kulturpessimist mag es kaum für möglich halten aber Sex ist als Thema im britischen Fernsehen weit omnipräsenter als in Deutschland. Hemmungen und Hemmschwellen im eigenen Verhalten und der eigenen Darstellung unterscheiden sich zwischen Fernsehmärkten und führen zu entsprechend unterschiedlichen Wahrnehmungen eines solchen Formats. Kaum vorstellbar beispielsweise, dass in Deutschland ein Mediengipfel mit einer Diskussionsrunde über "Love Island" beginnen würde.