In den vergangenen Wochen ging es rund um die AGF turbulent zu. Kurz vor den Screenforce Days holte die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) zum fast schon traditionellen Rundumschlag gegen Sender, Vermarkter und eben auch gegen die AGF aus (DWDL.de berichtete). Rund zehn Tage später verließ Geschäftsführer Willibald Müller das Unternehmen. Er leitete die AGF zuvor seit rund eineinhalb Jahren und hatte viele Projekte angestoßen und in dem etwas angestaubten Laden Aufbruchsstimmung verbreitet. Die ist allerdings längst verflogen, die AGF steht vor einigen großen Problemen.

Als die OWM vor wenigen Wochen zur Generalabrechnung mit der Branche ausholte, traf das besonders die AGF. Diese müsse endlich "ihre Hausaufgaben lösen", war da von den Werbungtreibenden zu hören. Die OWM sprach von "gravierenden Pannen von beauftragten Dienstleistern, ungenügender Qualitätssicherung, Zuordnungsfehlern" sowie "zu niedrigen Fallzahlen im AGF-Panel". Das alles würde das Ansehen des Unternehmens schwächen. Mit dieser Kritik sind die werbungtreibenden Unternehmen nicht alleine. Auch bei vielen Pay-TV-Sendern ist der Unmut groß, weil das aktuelle TV-Panel der AGF nach Meinung der Sendermanager nicht der Realität entspricht. Besonders deutlich wurde das, als öffentlich wurde, dass die Reichweiten von Sky lange um rund 16 Prozent zu niedrig ausgewiesen wurden.

Anke Weber© AGF
Sky hat mittlerweile ein eigenes Panel aufgebaut und erhebt zusätzlich eigene Daten. Dass diese aber nicht eine ganze Branchenwährung ersetzen können, ist klar. Die AGF ist daher unter Zugzwang. "Die AGF muss die Aufstockung ihres Panels deutlich stärker vorantreiben", hieß es zuletzt von der OWM. Zu genau dieser Aufstockung könnte es demnächst auch kommen. "Mit diesem Thema beschäftigen wir uns tatsächlich derzeit sehr intensiv und werden in den kommenden Monaten eine Entscheidung fällen", sagt AGF-Geschäftsführerin Anke Weber gegenüber DWDL.de.

Auch im Bereich der Konvergenzwährung hinkt die AGF ihren selbstgesteckten Zielen hinterher. Bereits seit März 2017 werden dem Sender- und Werbemarkt entsprechende Daten zur Verfügung gestellt, damals allerdings noch mit einem großen Verzug von rund 40 Tagen. Im September des vergangenen Jahres sagte der damalige Geschäftsführer Willibald Müller noch, dass die konvergenten Reichweiten ab Anfang 2018 bereits nach sieben Tagen bereitstehen sollen. Daraus ist allerdings nichts geworden, der Markt wartet weiter mindestens 30 Tage auf die Daten, oft auch länger. "Zugegebenermaßen haben wir mit der Datenbereitstellung noch nicht die Geschwindigkeit erreicht, die wir uns wünschen. Aber auch hier arbeiten wir mit Hochdruck an der Beschleunigung der Datenbereitstellung", sagt Anke Weber.

"Zugegebenermaßen haben wir mit der Datenbereitstellung noch nicht die Geschwindigkeit erreicht, die wir uns wünschen."
AGF-Geschäftsführerin Anke Weber über die Ausweisung der konvergenten Daten

Und auch die Integration von Google bzw. Youtube in das bestehende System macht zumindest nach außen hin weiter Probleme. Schon vor mehr als drei Jahren wurde die Zusammenarbeit mit Youtube angekündigt, damit die Zahlen der Videoplattform mit denen der TV-Sender vergleichbar werden. Auch hier kündigte Müller 2017 einen Durchbruch für "früh im Jahr 2018" an. Auch dieses Ziel hat man gerissen. Doch hinter den Kulissen geht es voran, versichert Anke Weber gegenüber DWDL.de. "Das Projekt wird konkret umgesetzt und AGF und Google haben gemeinsam wesentliche Projektfortschritte erzielt, wie beispielsweise die Sicherstellung einer kontinuierlichen und stabilen Anlieferung von Zensus- und Paneldaten. Die weiteren methodischen Arbeiten sind in vollem Gange." Über den aktuellen Status der Arbeiten will man auf dem AGF-Forum am 26. September informieren.

Änderungen am TV-Panel

In der vergangenen Woche hat die AGF nun erst einmal Änderungen am klassischen TV-Panel in Aussicht gestellt, die ab dem 1. Januar 2019 greifen sollen. So erweitert man das dem TV-Panel zugrundeliegende Gewichtungsmodell um neue Merkmale. Das sind neben der Internetnutzung (ja/nein) auch die Art der beruflichen Tätigkeit, die Stellung des Haupteinkommensbeziehers und die Frage eines Sky-Abos. Künftig wird der Zugang zu den Paketen Cinema, Sport und Bundesliga (oder eben keins davon) erhoben. Das TV-Panel repräsentiert alle Personen, die in deutschen Privathaushalten leben und ein TV-Gerät in Gebrauch haben.

Bislang wurde nur die Frage nach einem Pay-TV-Abo (ja/nein) gestellt, künftig geht man hier deutlich mehr in die Tiefe. Das ist natürlich auch ein Zugeständnis an die Pay-TV-Branche, die bei nicht messbaren Quoten zuletzt immer häufiger auf die Schwächen des AGF-Modells verwies. Als direkte Entscheidung auf diese Kritik will man die Änderungen bei der AGF aber nicht verstanden wissen. Anke Weber sagt: "Veränderungen von Gewichtungsverfahren sind ein Standard in der Marktforschung, um eine Stichprobe an sich verändernde Rahmenbedingungen wie soziodemographische Entwicklungen oder – im AGF-System – die steigende Angebotsvielfalt im Bereich Bewegtbild – anzupassen." Das AGF-System sei damit auch für die Entwicklungen im Pay-TV-Markt "gerüstet". Tatsächlich passt die AGF das Gewichtungsmodell immer wieder an. Zuletzt zum 1. Januar 2016, als man die Grundgesamtheit des Panels auf die deutschsprachige Bevölkerung erweitert hatte (DWDL.de berichtete).

Welche Auswirkungen die Änderungen konkret haben werden, lässt sich nicht pauschal sagen, erklärt Weber. Neue Gewichtungsmerkmale würden aber zwangsläufig zu Veränderungen in den Auswertungsergebnissen führen. "Gewichtungstests auf Backdata-Ebene haben gezeigt, dass sich Leistungswerte auf der Ebene TV Gesamt insgesamt nur sehr geringfügig verändern. So steigt zum Beispiel die durchschnittliche Sehdauer und Sehbeteiligung für Zuschauer 3+ um 0,5-1,0 Prozent." Auf der Ebene spezifischer Zielgruppen könnten die Änderungen auch deutlicher ausfallen. "Dies gilt insbesondere bei Merkmalen, die bisher nicht in der Gewichtung berücksichtigt wurden."

"Es werden viele konstruktive Entscheidungen innerhalb der AGF gefällt, die so geräuschlos vonstatten gehen, dass es extern niemand registriert."
Anke Weber

Mit den anstehenden Änderungen am TV-Panel und dem Willen, auf die Kritik aus dem Markt zu reagieren, stehen der AGF also arbeitsreiche Wochen und Monate ins Haus. Doch schon seit Anfang 2017 hat sich viel getan. Damals stießen zum Gesellschafterkreis aus Mediengruppe RTL, ProSiebenSat.1, ARD und ZDF einige weitere Unternehmen dazu. Seither gehören auch Sky, Discovery, Welt, Viacom und Tele 5 dem Unternehmen an. Auch eine Beteiligung von Google stand eine Zeit lang im Raum. Doch schon als es nur vier Gesellschafter gab, gestaltete sich die Kompromissfindung der AGF manchmal als sehr zäh. In den zurückliegenden Monaten konnte man das Gefühl bekommen, dass das mit dem Eintritt der anderen Sender nicht besser geworden ist. Anke Weber versucht, diese Befürchtungen zu zerstreuen: "Es ist die Herausforderung und Stärke eines JICs wie der AGF die Interessen aller Marktpartner an einen Tisch zu bringen und optimale konsensfähige Lösungen für alle Beteiligten zu erzielen. Die Erweiterung des Gesellschafterkreises hat dieses nochmals gestärkt. Es werden viele konstruktive Entscheidungen innerhalb der AGF gefällt, die so geräuschlos vonstatten gehen, dass es extern niemand registriert."