Wenn das öffentlich-rechtliche Jugendangebot so etwas sein soll wie eine Bindeglied zwischen dem Kinderkanal und den Hauptprogrammen von ARD und ZDF, dann ist "Die Wohngemeinschaft" vermutlich die perfekte Symbiose. Knapp zehn Jahre nachdem im Kika "Die Jungs-WG" und "Die Mädchen-WG" erstmals ihre Pforten öffneten, versucht sich funk zusammen mit der Produktionsfirma E+U TV jetzt an einem Spin-Off. Es nennt sich "Die Wohngemeinschaft" und bringt noch einmal sechs Protagonisten der ersten Staffel beider Formate zusammen. Während es damals um das Erwachsenwerden ging, sehen die Zuschauer jetzt, wie sich ihre Stars heute als junge Erwachsene schlagen.
"Wir haben vor fast zehn Jahren mit dem Konzept der 'Mädchen-' und der 'Jungs-WG' definitiv einen Nerv getroffen: in einer Art Villa Kunterbunt auszuprobieren, wie Erwachsensein wohl wäre, mit jeder Menge Spaß, Herausforderungen und insbesondere mit tollen WG- Bewohnerinnen und -Bewohnern, die sich als Rolemodels eignen", sagt Eva Radlicki, die beim ZDF die Hauptredaktion Kinder und Jugend/Redaktion Information leitet, im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Das funktioniert nach wie vor super." Gerade erst habe man die Mädchen für die neue Staffel des Kika-Formats gecastet.
Wie groß die Bindung zwischen WG und Publikum ist, zeigen die Reaktionen. "Unsere Zuschauer – auch weit über die Kika-Altersgruppe hinaus – fragen immer wieder nach, was aus den Mädchen und Jungs der einzelnen 'WGs' geworden ist – auch diverse Seiten im Netz thematisieren das", erzählt Radlicki. "Von daher lag der Gedanke nahe, die Mädchen und Jungs aus ehemaligen 'WGs' zusammenzubringen und eine Art Realitätscheck darüber zu machen, wie es nun ist, tatsächlich erwachsen zu sein, wie sich die Träume, Ziele, Überzeugungen und Fähigkeiten entwickelt haben."
Zu den sechs Protagonisten, die in den zunächst 20 Folgen zweimal wöchentlich über die große Liebe oder Berufspläne sprechen und dazwischen clubben oder campen gehen, gehört auch Aaron Koenigs. "Für mich war relativ schnell klar, dass ich da mitmachen will", betont der Kölner Student, der die kürzeste Anreise hatte. Schon 2009 wollte er unbedingt in die Fernseh-WG ziehen, auch wenn es von Seiten seiner Eltern zunächst einige Zweifel gab, wie er rückblickend erzählt. "Die Produktionsfirma hat meiner Mutter schließlich erklärt, dass es nicht darum geht, die Kinder vorzuführen. Das war sicher der ausschlaggebende Punkt, weshalb sie grünes Licht gegeben hat."
Während des Drehs, so erinnert sich Koenigs heute, sei er noch wesentlich verhaltener gewesen. Über die Jahre hinweg wuchs sein Selbstbewusstsein, das ihn zwischenzeitlich sogar zur Teilnahme am Wettbewerb "Mr. Gay Germany" bewog – und ihm vor zwei Jahren prompt den Sieg einbrachte. "Im Vergleich zu damals, aber auch im Vergleich zu meinen Mitbewohnern habe ich eine relativ niedrige Hemmschwelle", räumt er gegenüber DWDL.de ein, verweist aber auch auf Grenzen. "Hätte man mich gebeten, über intime Sachen oder mein Sexualleben zu sprechen, hätte ich das nicht gemacht – ich spiele ja schließlich keine Rolle."
Damit unterscheidet sich "Die Wohngemeinschaft" dann auch von Formaten wie "Berlin – Tag & Nacht", deren Geschichten nach Drehbuch entstehen. "Gescriptet und Factual sind ja verschiedene Genres, die unterschiedliche Bedürfnisse bedienen. Was wir machen, ist echt", sagt Redaktionsleiterin Eva Radlicki. "Die Interaktionen und Gespräche in 'Die Wohngemeinschaft' spiegeln Erfahrungen, Emotionen und die Spontaneität realer Personen." Ein Weg, der bewusst gewählt wurde. "Ich gehe davon aus, dass die User diesen Unterschied zu gescripteten Formaten suchen und auch schätzen. Der Abgleich zum eigenen Leben und den alltäglichen Erfahrungen liegt näher."
Doch wie geht es nun weiter mit den Protagonisten der "Wohngemeinschaft", die von diesem Dienstag an bei YouTube einen Einblick in ihr heutiges Leben geben? "Ich bin niemand, der sein Leben in allen seinen Einzelheiten plant", sagt Aaron Koenigs, angesprochen auf seine Zukunft. "Schreiben und kreativ sein, das wäre die perfekte Kombination." Als er vor neun Jahren für die "Jungs-WG" vor der Kamera stand, wollte er noch Schauspieler werden – ein Traum, den er auch heute noch verfolgt, wenngleich "diese klassischen Shakespeare-Rollen auf der Bühne", wie er sagt, dann doch nichts für ihn seien. "Mit 14 Jahren war mir das allerdings noch nicht so klar."
Und so hofft der Student, "Die Wohngemeinschaft" auch als eine Art Sprungbrett nutzen zu können. "Ich glaube aber nicht, dass ich in drei Monaten einen Stern auf dem Walk of Fame haben werde." Größer ist da schon der Wunsch, zusammen mit seinen Mitbewohnern eine zweite Staffel drehen zu können. Diese hält auch Eva Radlicki vom ZDF für denkbar – dann aber wohl eher mit dem Fokus auf andere Protagonisten der vergangenen Jahre. "Ich kann mir sehr gut vorstellen, auch die Mädchen und Jungs aus späteren Kika-'WGs' wieder zusammenzubringen, und den funk-Usern zu erzählen, was aus ihnen geworden ist und wie sie heute als junge Erwachsene drauf sind." Am Stoff dafür dürfte es kaum mangeln.
funk zeigt "Die Wohngemeinschaft" jeweils dienstags und donnerstags. Abrufbar sind die Folgen auf YouTube.