Wie man hört, war man beim ZDF nicht begeistert, als die Nachricht die Runde machte, wonach die ARD ein tägliches Magazin nach dem "Morgenmagazin" plant. Der Groll erscheint nachvollziehbar, schließlich sendet das ZDF seit fast 20 Jahren mit einigem Erfolg um kurz nach 9 die "Volle Kanne", eine Mischung aus Service-Magazin und Promi-Talk. In Konkurrenz dazu wird ab der kommenden Woche "Live nach Neun" im Ersten laufen - gerade jetzt, da man so stolz auf Synergien bei Morgen- und Mittagsmagazin verwiesen hat, entsteht quasi in direkter Düsseldorfer Nachbarschaft das neue Format.
Doch weshalb braucht es um diese Uhrzeit überhaupt ein weiteres öffentlich-rechtliches Magazin? "Vormittags schauen viel mehr Menschen zu als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Darauf will das Erste reagieren", erklärt Martin Hövel, der die gemeinsame Programmgruppe aus "ARD-Morgenmagazin" und "Live nach Neun" leitet, im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Die Wiederholung einer Telenovela vom Vortag genügt einfach nicht mehr dem Anspruch der ARD, auch nach dem Morgenmagazin das Gefühl zu vermitteln: 'Wir sind für Sie da'. Und das geht nun mal live am besten."
Live heiße allerdings nicht, identisch zu sein "mit anderen guten Formaten, die es schon gibt", betont Hövel und versucht im Vorfeld zu beschwichtigen: "Wir machen ein unterscheidbares Angebot." Konkret bedeutet das, dass die Sendung in allen Regionen des Landes unterwegs sein soll. "Bei uns ist auch die Provinz prominent", sagt Redaktionsleiterin Nikoleta Pantelous. "Wir frühstücken und kochen nicht, dafür gibt es Tipps und Themen zum Weitererzählen und Mitreden. Im Aufbau setzen wir auf die Dymamik der Moderationsduos, auf Beiträge und Live-Schalten. Und auf Gäste von fünf bis 85."
"Es gibt das verbreitete Gefühl, dass immer mehr Menschen sich in ihre eigenen Milieus und Altersgruppen zurückziehen und sich nur noch dort untereinander austauschen. Außerdem brennen die vielzitierten Lagerfeuer im Fernsehen nur noch selten. Unsere Gedanke deshalb: raus aus der Blase, rein ins Leben - auch in das der anderen", so Martin Hövel über den Gedanken, der hinter den Moderatoren-Zusammensetzungen steht. "Sie bringen ganz persönliche Erfahrungen mit und ihren altersgemäßen Blick auf alltägliche Fragen des modernen Lebens. Umgangsformen, Kontakte, Lebens- und Sichtweisen - da trifft die Generation Pop auf digitale Eingeborene. Ein sehr öffentlich-rechtlicher Versuch, finden wir."
Bleibt noch die Frage, wann "Live nach Neun" als Erfolg gewertet wird? "Wenn die Zuschauer uns mögen – und jeden Tag gespannt sind, was die von 'Live nach Neun' heute wieder vorhaben", antwortet Redaktionsleiterin Niki Pantelous. "Und wenn das Publikum anerkennt, was wir neu und anders machen. Das wird Zeit brauchen, wir sind bescheiden und lernbereit." Mit einem Erfolg aus dem Stand scheinen also auch die Verantwortlichen der Sendung kaum zu rechnen. Ob das die Verärgerung beim ZDF über die neue Vormittags-Konkurrenz schmälern wird, darf allerdings bezweifelt werden.