Missverständnisse gibt es bei Interviews immer mal wieder. Meist werden diese dann zwischen Journalisten und Interviewtem oder der zuständigen Pressestelle geklärt. Manchmal lassen sich solche Missverständnisse allerdings nicht klären - und der Fall wird öffentlich. So geschehen beim Interview der "Basler Zeitung" mit dem "No Billag"-Initiator Olivier Kessler. Mit den Journalisten Christoph Hirter und Michael Surber führte Kessler kurz vor der "No Billag"-Abstimmung ein einstündiges Interview. In einem Artikel beschreiben die Journalisten dann, dass das eigentlich ganz gut gelaufen ist - nur sei das Interview im Nachgang völlig verändert zurückgekommen. So wollte man es nicht drucken - und weil man keinen Kompromiss fand, machte die Zeitung den Fall öffentlich.
Die Sache überrascht: Kessler trommelt seit Monaten gegen die Rundfunkgebühren in der Schweiz. Viele Interviews gibt er nicht, etliche Medien blitzten mit Anfragen an ihn ab. Dass dann gerade eines der wenigen Gespräche, die mit ihm geführt wurden, nicht veröffentlicht werden darf, wirft ein schräges Licht auf den Mann, der zwar nichts grundsätzlich gegen die SRG hat, wohl aber gegen die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und es zeigt auch ganz schön, wie aufgeheizt die Stimmung derzeit in der Schweiz ist.
Dass die Debatte um die Rundfunkgebühren inzwischen sehr emotional geführt wird, räumt man auch bei der SRG ein. "Langsam wird es Zeit, dass abgestimmt wird", sagte deshalb auch SRG-Direktor Bakel Walden im Gespräch mit DWDL.de. Die Sachlichkeit sei stark unter Druck geraten. Er prognostiziert, dass die SRG nach dem 4. März eine andere sein wird als davor - egal wie die Abstimmung ausgeht. Die "No Billag"-Befürworter bezweifeln das. Sie glauben, dass es bei dem Status Quo bleibt und sich gar nichts ändert. Die SRG warnt, dass man bei einer Abschaffung der Gebühren das Unternehmen abwickeln müsse. Der ehemalige Sat.1-Chef Roger Schawinski glaubt, dass sich etwas ändern muss. Im aktuellen "Spiegel" sagt er: "Es muss Blut fließen. Die SRG muss öffentlich sichtbar Demut zeigen, zum Beispiel Sender einstellen, wenn sie verhindern will, dass es zu einer weiteren Abstimmung kommt, die vielleicht weniger radikal ist als No Billag, aber richtig schmerzen würde." Im Raum steht bereits eine Initiative, in der es darum geht, der SRG die Hälfte der Gebühren zu streichen.
Inzwischen ist die Schweizer Gebührendebatte auch längst in Deutschland angekommen. Bei "Maischberger" talkten die Gäste zuletzt über die Zukunft von ARD und ZDF und natürlich war in der Sendung auch die Schweiz ein großes Thema. Am Freitag hielten rund 100 Mitarbeiter von WDR, Deutschlandfunk und Deutsche Welle eine Mahnwache ab, um sich solidarisch mit den SRG-Kollegen zu zeigen. Und auch der DJV ist gegen eine Abschaffung der Gebühren in der Schweiz. "Wenn es Volksentscheide dieser Art in anderen europäischen Ländern geben würde, zum Beispiel in Deutschland, wären wohl nur wenige öffentlich-rechtliche Vertreter entspannt", sagt SRG-Mann Walden.
"In der direkten Demokratie ist es möglich, dass man ein Momentum gewinnt."
SRG-Direktor Bakel Walden
Offiziell geben sich ARD und ZDF aber gelassen, was die Abstimmung angeht. Klar: In Deutschland ist ein Volksentscheid auf Bundesebene nicht vorgesehen, hier kann nicht so einfach über die Haushaltsabgabe abgestimmt werden. Je nachdem, wie die Abstimmung in der Schweiz am Sonntag ausgeht, könnte das aber sehr wohl auch Auswirkungen auf Deutschland und andere europäische Länder haben. Bei einem Ja zur Initiative, und damit zur Abschaffung der Gebühren, könnten sich die Gebührengegner auch hierzulande ermutigt fühlen und sich besser organisieren und noch stärker ihren Willen formulieren.
Derzeit gehen alle Umfragen davon aus, dass die Schweizer am Sonntag gegen eine Abschaffung der Gebühren stimmen. Aber wer will sich in Zeiten von Trump und Brexit da schon festlegen? Egal wie die Abstimmung ausgehen wird, in Deutschland wird die Diskussion rund um ARD und ZDF sicherlich fortgeführt werden. Dennoch wird man bei den Öffentlich-Rechtlichen auch hierzulande die Daumen drücken, dass sich diese Debatte durch ein mögliches "Ja" zur Gebührenabschaffung der Schweiz nicht noch verschärft. Und in der Schweiz? Dort müssen Gegner und Befürworter der Gebühren, egal wie die Abstimmung ausgeht, nach dem 4. März einen Schritt aufeinander zumachen, um die tiefen Gräben, die sich quer durch das Land aufgetan haben, zuzuschütten.