Es ist nicht für alle ARD-Mitarbeiter ein schönes Weihnachtsgeschenk gewesen, das Tom Buhrow und Ulrich Wilhelm ihnen da unter den Baum gelegt hatten. Im Dezember kündigte der WDR-Intendant ein Einlenken gegenüber den Verlagen an, online wolle man künftig weniger auf Texte setzen. Ulrich Wilhelm blies wenige Tage später den seit Jahren geplanten Frequenztausch von BR Klassik und Puls ab. Beide Intendanten wollten das auch als Zeichen in Richtung der Verlage verstanden wissen: Seht her, wir nehmen eure Sorgen ernst!
Innerhalb der ARD sorgten Wilhelm und Buhrow damit jedoch für Unstimmigkeiten. Plötzlich sah es so aus, als würden sich die Rundfunkanstalten der ARD untereinander nicht mehr einig sein, wie mit den Verlegerforderungen umzugehen ist. Der von WDR und BR eingeschlagene Kurs ist riskant: Längst nicht alle Sender wollen sich auf die Textbeschränkungen im Netz einlassen und sehen dafür auch gar keinen Grund. Es ist also nicht unbedingt die beste Voraussetzung für Ulrich Wilhelm, der seit Anfang des Jahres neuer ARD-Vorsitzender ist. Jetzt gilt es erst einmal, die eigenen Leute zu befrieden und wieder einen einheitlichen Kurs zu finden. Das alleine dürfte schon ein gewaltiger Kraftakt werden, war man bei einigen Anstalten doch regelrecht entsetzt über die Entscheidungen von WDR und BR. Doch auf Wilhelm warten noch ganz andere Kaliber.
So hat die ARD zuletzt gemeinsam mit dem ZDF ihr Strukturoptimierungspapier vorgelegt und darin erklärt, dass man bis 2028 rund 1,2 Milliarden Euro sparen wolle. Den Politikern ist das nicht genug, sie wollen mehr Einsparungen bei gleichbleibender Programmqualität. Hier hat Wilhelm bereits deutlich gemacht, dass es für ihn eine natürliche Grenze gibt. Entweder das Programm bleibt so wie es ist, dann müsste man mindestens die Teuerung erstattet bekommen. Oder man soll weiter sparen, dann müssten die Ministerpräsidenten das aber auch den Zuschauern offen so kommunizieren. Gleiches Programm für den gleichen Betrag, das hält Wilhelm für illusorisch. Die Politik hat aber weder an steigenden Gebühren noch an weniger Programm ein Interesse.
Warum die Politik eine radikale Reform scheut
Als oberster ARD-Verhandler muss Wilhelm hier in den kommenden Monaten einiges an Verhandlungsgeschick beweisen. Eins aber ist auch klar: Die von vielen Menschen geforderte Radikalkur der Öffentlich-Rechtlichen kann nur der Gesetzgeber beschließen. Selbst wenn man sich innerhalb der ARD auf einen umfangreichen Reformprozess mit der Fusion einiger Rundfunkanstalten verständigen würde - das ist nichts wert, so lange die Politik nicht ihr okay gibt. Dass das gar nicht so selbstverständlich ist, beweist die Vergangenheit. Einsfestival sollte eigentlich mal eingestellt werden, die damalige Ministerpräsidentin von NRW wollte aber den Medienstandort nicht schwächen. Und so heißt Einsfestival heute One und sendet nach wie vor für ein überschaubares Publikum. One ist nur ein Beispiel von vielen. Bei einer großen ARD-Reform würden wohl auch einige Einrichtungen verlorengehen, die den Lokalpolitikern heute viel wert sind und die sie deshalb nicht hergeben wollen. Das ist nur allzu verständlich: Welcher Politiker würde schon gerne das TV- oder Radio-Programm abschaffen, in dem er selbst am meisten vorkommt?
Auch mit den Verlagen wird der Streit weitergehen: Jetzt, wo BR und WDR quasi eingelenkt haben, fragen sich die Verleger, warum die anderen ARD-Anstalten da nicht nachziehen. Diese Verhandlungen dürften schwierig werden. Wilhelm kündigte zuletzt außerdem bereits an, dass Qualitätsmedien in Deutschland gattungsübergreifend stärker zusammenarbeiten müssen, um den großen US-Giganten wie Facebook, Google und Amazon etwas entgegensetzen können. Das hört man schon seit Jahren, wie die Zusammenarbeit aber konkret aussehen soll, ist nach wie vor unklar.
Weniger Krimis, mehr Themenabende
Dass Ulrich Wilhelm nicht so sehr auf die Einschaltquoten schaut, hat er in der Vergangenheit immer wieder betont. Wichtig sei es, neue Impulse zu setzen, heißt es stets vom BR-Intendanten. Wilhelm ist stolz darauf, dass im Vergleich zum ZDF in der ARD deutlich weniger Krimis zu sehen sind. Auch künftig sollen neue Stoffe fernab von Mord und Totschlag entwickelt werden. Und auch den klassischen Talkshows steht er skeptisch gegenüber. Hier war er bereits in der Vergangenheit an der Reduzierung dieser Formate von ehemals fünf auf heute drei beteiligt. Künftig will Wilhelm politische Themen auch mal anders aufbereiten, sei es mit Themenabenden oder vertiefenden Dokus.
In Sachen Sportrechte wird sich in Wilhelms Amtszeit wohl eher weniger tun. Die Olympischen Spiele sind gesichert bis 2024, die "Sportschau" läuft bis mindestens 2021 und die Fußball-Welt- und Europameisterschaften bleiben bis mindestens 2022 im Programm - so auch die frisch erworbene Nations League. Gerade letzteres brachte den Öffentlich-Rechtlichen zuletzt viel Kritik ein. ARD und ZDF würden damit die Kommerz-Spirale im Fußball nur noch weiter befeuern, hieß es. Nun sind die Rechte gekauft und man wird sich in den kommenden Jahren anschauen müssen, wie hochwertig die Nations League tatsächlich ist und wie groß das Interesse des Publikums sein wird. 250 Millionen Euro kann die ARD jährlich für Sportrechte ausgeben. Ein erklecklicher Betrag. Doch wie viel davon nach Abzug der ganz großen Rechte tatsächlich für Wilhelm, der gleichzeitig auch Sportrechteintendant der ARD ist, übrig bleibt, ist nicht bekannt.
Und auch wenn die ARD in den kommenden Jahren in Sachen großer Sportrechte erst einmal abgesichert ist: Die Aufgaben für Ulrich Wilhelm sind groß. Der gelernte Journalist und ehemalige Regierungssprecher verfügt über beste Kontakte in die Politik. Ob die allerdings reichen werden, um den Ministerpräsidenten in Sachen Finanzierung und Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein weitgehendes Entgegenkommen abzuringen, ist unklar. Die Zeit der Weihnachtsgeschenke ist jedenfalls vorbei.