Kuppelsendungen sind in den vergangenen Jahren viele produziert worden. Und egal ob sie nun "Schwiegertochter gesucht", "Schwer verliebt" oder "Bauer sucht Frau" heißen - es geht immer auch ein bisschen um die Belustigung der Zuschauer. Dafür werden die Kandidaten in merkwürdige Situationen geschickt, die sie mehr oder weniger pannenfrei meistern müssen. RTL und Sat.1 haben das Vorführen ihrer Kuppelshow-Teilnehmer in den vergangenen Jahren immer weiter getrieben. Dass es auch anders geht, beweist ein kleines Format aus Österreich, das bei unseren Nachbarn bereits seit rund 20 Jahren zu sehen ist und Kultstatus genießt: "Liebesg'schichten und Heiratssachen".
Ja, so altbacken heißt tatsächlich eines der erfolgreichsten Formate im österreichischen Fernsehen überhaupt. 1997 ging die Sendung von und mit Elizabeth T. Spira erstmals on Air, zunächst nur mit einer Länge von 25 Minuten pro Folge. Aufgrund des überragenden Erfolgs wurden die Episoden aber schnell auf 45 Minuten ausgedehnt. Und so sind Spira und ihre partnersuchenden Singles seit 20 Jahren im ORF-Sommerprogramm zu sehen, zehn Folgen pro Jahr zeigt der öffentlich-rechtliche Rundfunk zur besten Sendezeit.
Und der Erfolg gibt den Machern und dem Sender Recht: Auch nach 20 Jahren ist das Format eines der erfolgreichsten in Österreich. Die Jubiläumsstaffel im Vorjahr erreichte im Schnitt 933.000 Zuschauer - bei einer Einwohnerzahl von nur rund 8,7 Millionen ist das eine beeindruckende Zahl. Auf durchschnittlich 36 Prozent Marktanteil kamen die "Liebesg'schichten und Heiratssachen" 2016. Und auch die neue Staffel läuft auf diesem Niveau. Eine Folge im Juli sahen sogar 1,108 Millionen Menschen - das war die höchste Reichweite seit 2006 und der drittbeste Wert seit Start der Reihe.
Doch was macht den Erfolg des Formats aus? Die Österreicher schwärmen: "Liebesg'schichten und Heiratssachen" ist Kult und gehört zum Leben dazu wie Sachertorte und Wiener Schnitzel. Die Sendung gewährt den Zuschauern einen authentischen Blick in das Leben der Teilnehmer - und bedient so natürlich auch ein wenig den Voyeurismus. Vorgeführt wird bei Elizabeth T. Spira allerdings niemand. Die Sendungen laufen seit 20 Jahren gleich ab: Spira trifft die Singles zu Hause und interviewt sie. Die Teilnehmer erzählen aus ihrem Leben und erklären, warum sie Single sind und warum sie eine/n Partner/in suchen. Spira ist dabei nicht zu sehen und agiert im Hintergrund als Fragestellerin. Die Teilnehmer sind authentisch, weil sie echt sind. Sie wurden nicht unter der Prämisse, sie möglichst gut vorführen zu können, gecastet. Ein vergleichbares Format gibt es im deutschen Fernsehen nicht.
Auf das Schmunzeln müssen die Zuschauer aber dennoch nicht verzichten. Kandidaten und Geschichten sind manchmal skurril, die Teilnehmer werden aber nicht ausgelacht und, das ist Spira ganz wichtig - sie werden von der Redaktion immer ernst genommen. Auch wenn sich ein Geschwisterpaar bewirbt und dann in der Sendung angibt, in der selbstgebauten Kapelle eine Doppel-Hochzeit durchführen zu wollen. In den sozialen Netzwerken besonders beliebt sind die Einrichtungen der Kandidaten, die oft in Schnittbildern zu sehen sind und zu denen garantiert jeder Zuschauer eine Meinung hat.
Und so kommen dann auch Hobby-Inneneinrichter voll auf ihre Kosten:
Als der österreichische "Kurier" Spira mal in einem Interview damit konfrontierte, dass es in den Wohnungen der Kandidaten ja doch schon sehr viel Kitsch gebe, antwortete die Moderatorin etwas gereizt und widersprach: "Für Sie als Zuschauer, weil Sie so wahnsinnig gebildet sind und so viel Geschmack haben, ist es kitschig. Für die Leute, die das zu Hause haben, ist es Möblage und gehört zu ihnen. Ich komme einmal zu Ihnen in die Wohnung und zeige Ihnen, was Kitsch ist."
Auch Spira selbst sorgt für Abwechslung, indem sie manchmal etwas kritisch, aber immer nett und höflich, nachfragt. Wenn etwa ein 60-Jähriger Rentner eine 30-Jährige Partnerin sucht, fragt sie ihn, was er ihr überhaupt bieten kann. Oder wenn der mittlerweile 80-jährige Single immer nur davon erzählt, dass seine neue Partnerin unbedingt die gleichen Hobbys haben sollte wie er, fragt Spira, ob er nicht auch was machen würde, was ihr Spaß macht. Die ORF-Sendung kann aber auch richtig emotional sein. Etwa dann, wenn der 74-jährige Herbert aus der aktuellen Staffel von seiner verstorbenen Frau erzählt und dabei den Tränen nahe ist. Das ist authentisch und geht auch den Zuschauern ans Herz.
Das halte ich für obszön.
Elizabeth T. Spira will nicht dabei sein, wenn sich die Singles kennenlernen.
Nach der Vorstellung und den kurzen Interviews geht es mit den nächsten Kandidaten weiter. Das macht die Sendung zudem zu einer kurzweiligen Sommer-Unterhaltung. Bei "Liebesg'schichten und Heiratssachen" müssen die Männer und Frauen, die im Zweifel noch zu Hause wohnen, nicht wie bei "Bauer sucht Frau" zum Bahnhof laufen und die Bewerber abholen, während die eigene Mutter ihnen noch vorher Tipps zu Kleidung und Auftritt gegeben hat. Elizabeth T. Spira interessiert so etwas auch gar nicht. "Die anderen Kuppelsendungen schaue ich mir nicht an, die meisten finde ich peinlich. Ich will auch gar nicht dabei sein, wenn die Bewerber jemanden kennenlernen. Das halte ich für obszön", sagt sie im Gespräch mit DWDL.de. Die meisten anderen Sendungen dieser Art hält Spira für "zu krampfhaft", sagt sie. Bei "Liebesg'schichten und Heiratssachen" können sich interessierte Zuschauer an die Redaktion wenden, die stellt dann den Kontakt zwischen den Singles her. Einmal im Jahr gibt es eine Rückblicks-Sendung, in der frühere Kandidaten noch einmal besucht werden.
"Ich mache die Sendung, weil ich Geschichten erzählen will und neugierig bin. Mich interessiert auch nicht, ob die Menschen jung, alt, hübsch oder hässlich sind. Wenn man nur verkuppelt ohne eine Geschichte zu erzählen wird es für mich uninteressant", sagt Spira und ergänzt: "Wir verkuppeln ja nicht, wir erzählen die Geschichte von den Leuten." Manchmal geht es in der Sendung auch philosophisch zu. Etwa wenn Spira die Kandidaten fragt, ob sie die Liebe lieben. Auch im Gespräch wirkt die gelernte Journalistin manchmal wie eine Philosophin. Sie denke nicht darüber nach, was den Erfolg der Sendung ausmache - sie sei einfach erfolgreich.
Bald 75 und noch kein Ende in Sicht
Spira weiß selbst, was das für ein altmodisch anmutendes Format ist, das sie da erschaffen hat und präsentiert. Änderungen will sie trotzdem keine. "Nicht, weil ich bequem bin, sondern weil ich glaube, dass das so schon ganz gut ist. Und die Leute würden schockiert sein, wenn es anders gemacht wäre." Im Dezember wird sie 75 Jahre alt und da stellt sich ganz zwangsläufig die Frage, wie lange sie die Sendung überhaupt noch präsentieren wird. Ans Aufhören denkt sie aber noch längst nicht: "So lange es irgendwie geht, macht es mir zu viel Spaß, um nur faul zu Hause zu sein." Ohne sie würde die Sendung vermutlich auch gar nicht funktionieren. Das weiß man auch beim ORF und denkt überhaupt nicht daran, etwas zu verändern. Mittlerweile ist das Phänomen von Elizabeth T. Spira und "Liebesg'schichten und Heiratssachen" auch in einer Diplomarbeit an der Universität Wien untersucht worden.
Bleibt nur noch die Frage: Warum gibt es ein solches Format nicht auch in Deutschland? Spira hat darauf auch keine Antwort: "Das weiß ich nicht. Da müssen sich die Deutschen selbst den Kopf zerbrechen", sagt sie und lacht dabei. "Aber ich glaube man braucht einen angeborenen, humorvollen Blick auf die Menschen - und nicht den tragischen. Man darf auch nicht zu viel analysieren, so wie es ist, ist es."