104 Drehteams, 366 Speicherkarten, 1.700 Batterien, 250 Akkus und acht Festplatten mit insgesamt 62 Terabyte Kapazität: Alleine schon anhand dieser Fakten lässt sich erahnen, dass "24 h Bayern – Ein Tag Heimat" ein wahres Marathon-Projekt ist. Am 3. Juni 2016 begleiteten die Kamerateams Menschen aus allen Regionen Bayerns durch ihren Alltag. Nun, ein Jahr später, gibt es das Ergebnis im BR Fernsehen zu sehen, das hierfür von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr am nächsten Tag das komplette Programm freischaufelt. Neu ist die Idee nicht, denn vor "24 h Bayern" hat es 2009 schon einmal "24 h Berlin", fünf Jahre später folgte "24 h Jerusalem".
Zwei Mal Städte – das reicht ihm. "Aber jetzt ein ganzes Land mit zwölf Millionen Einwohnern zu porträtieren, war für mich eine große Herausforderung." Und für ihn als Berliner sei Bayern außerdem eine große Wunderkammer, schiebt der Regisseur daher. Doch wo soll man angesichts dieser Größe von Schwaben bis zur Zugspitze beginnen, um dem Publikum einen möglichst umfassenden Einblick in den Alltag der bayerischen Bevölkerung zu gewähren? Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass es im Leben von Heise und Kufus seit dem Moment der Beauftragung nur selten Momente der Langeweile gegeben haben dürfte.
Begonnen haben die Planungen bereits vor fast zwei Jahren. "Am Anfang war es allerdings zunächst ein Rantasten", erzählt Volker Heise. Ein kleines Team legte die Grundlage. "Ich habe mich so genähert, wie ich das damals auch schon bei Berlin gemacht habe. Mein erster Schritt führt mich zum Statistischen Landesamt, um mir anzusehen, was rein faktisch los ist." Heise wollte wissen, wo die meisten Menschen lieben, wie viele Frauen und Männer es gibt und ob die Menschen eher Angestellte oder Arbeiter sind. "Sehr zahlengetrieben" sei das, "aber dadurch erhält man ein gutes erstes Gefühl von einem Land – unabhängig von den eigenen Klischees." Und bayerische Klischees gibt es bekanntlich zuhauf.
"Der Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfung in Bayern liegt beispielsweise bei einem Prozent, das hat mich überrascht", sagt Heise. "Auf Basis der Recherche fängt man dann an, die Protagonisten zu suchen – aber natürlich müssen Sie ein Stück weit auch die Klischees bedienen. Hinter den Klischees verbergen sich aber oft genug Widersprüche." Doch das Wichtigste sind freilich die Menschen, die sich einen Tag lang vor der Kamera öffnen. "Das Thema kann noch so gut sein – wenn ich die Protagonisten nicht habe, dann habe ich es schwer, etwas zu erzählen." Am Ende des Tages brauche man ein Ensemble, das über 24 Stunden hinweg hält. Und angesichts der langen Strecke auch mal Leute, die nichts sagen.
Schweinemastanlage in Landau, Niederbayern
Klar, dass es im Vorfeld eine bestimmte Erwartungshaltung gibt – wären da nur nicht all die Faktoren, die Einfluss auf den Dreh haben. Ein aufgeregter Protagonist, ein unerwarteter Regenschauer während der Hubschrauberaufnahmen oder schlicht ein unausgeschlafener Kameramann. "Da kann einiges zusammenkommen", gibt Volker Heise im Gespräch mit DWDL.de zu und sagt, der Drehtag sei jener Tag gewesen, an dem er selbst am wenigsten gearbeitet habe. "Irgendwann muss ich die Kontrolle abgeben. Was dann passiert, passiert." Danach ging für Heise die Arbeit so richtig los. "Meinen Stundenlohn will ich besser nicht wissen", sagt er mit einem Lachen. Dass angesichts von 1.000 Stunden Material auf allen Ebenen eine hohe Disziplin gefragt ist, versteht sich von selbst. Geholfen habe jedoch das logistische Know-How aus den bisherigen Projekten.
Der größte Unterschied zu Berlin und Jerusalem? "In Berlin konnte ich alle 20 Minuten die Skyline zeigen, in Jerusalem war es der Tempelberg. Das geht aber nicht, wenn man ein ganzes Land betrachtet", erklärt Volker Heise. "Deshalb war klar, dass wir Fläche erzählen müssen. Aus diesem Grund hatten wir Teams, die nichts anderes gemacht haben, als Landschaften zu drehen – und zwar Tag und Nacht." Vom Ergebnis der Arbeit können sich die Zuschauer schon in den frühen Morgenstunden des Pfingstmontags überzeugen. Das Schöne ist, dass es "24 h Bayern" den Zuschauern trotz der immensen Länge leicht macht, immer wieder ein- und auszusteigen. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Heise hinsichtlich der Erzählung viel von fiktionalen Serien abgeschaut hat.
Bleibt noch die Frage, ob nach Berlin, Jerusalem und Bayern ein weiteres Marathon-Projekt dieser Art denkbar ist. Volker Heise lacht, weil er die Frage schon häufig gestellt bekommen hat. "Ich habe schon nach Berlin gesagt, dass ich so etwas nie wieder machen werde – und erst recht nach Jerusalem", sagt er. "Jetzt hüte ich mich mal vor einer weiteren Aussage dieser Art."