Viele Jahre lang wurde das Fernsehen totgeschrieben und totdiskutiert, in Zeiten des Internets sei es ein Auslaufmodell. Doch ganz abgesehen davon, dass es eher eine fragwürdige Definition des Fernsehens wäre, Netflix, Amazon Video oder andere VoD-Angebote und Mediatheken nicht dazuzuzählen, haben die Macher des klassischen Fernsehens ohnehin eine erstmal recht überzeugende Zahl anzubieten, die eine ganz andere Sprache spricht: 223 Minuten hat nach Erhebungen der AGF im zurückliegenden Jahr 2016 jeder hierzulande lebende und der deutschen Sprache mächtige Mitbürger den Fernseher pro Tag im Schnitt eingeschaltet.

Die TV-Nutzung liegt nach diesem Parameter damit seit Jahren relativ konstant auf Rekordniveau. Seit 2010 pendelt diese Sehdauer zwischen 221 und 225 Minuten. Davor gab es sogar einen rasanten Aufwärtstrend. 2001 – also im Geburtsjahr von DWDL.de – lag die durchschnittliche Sehdauer noch bei 192 Minuten. Binnen der letzten 15 Jahre ist das ein erst einmal erstaunlicher Anstieg um immerhin gut 30 Minuten – YouTube, den Mediatheken, Netflix und Amazon zum Trotz.

Haben diese inzwischen nicht mehr ganz so neuen Angebote also überhaupt keine Auswirkung? Doch, haben sie – und das zeigt sich, wenn man die Zahlen etwas genauer aufschlüsselt. Dann sieht man nämlich, dass diese Rekordnutzung vor allem auf die älteren Generationen zurückgeht, bei denen der Fernseher immer länger läuft, während die Jüngeren immer weniger Zeit mit dem klassischen Fernsehen verbringen. Schon im Jahr 2001 war es so, dass die durchschnittliche Sehdauer pro Tag bei den 14- bis 29-Jährigen mit 134 Minuten viel kürzer war als bei den Über-50-Jährigen, bei denen die Flimmerkiste im Schnitt 250 Minuten täglich lief.

Durchschnittliche Sehdauer 2001 und 2016

Sehdauer 2001-2016© Grafik: DWDL

Aufschlüsselung nach Altersgruppen, Angabe in Minuten; Quelle: AGF/Media Control

Dieser Unterschied hat sich in den letzten Jahren noch deutlich verschärft. Während die tägliche Sehdauer bei den 14- bis 29-Jährigen binnen 15 Jahren um eine viertel Stunde zurückging und 2016 mit 119 Minuten knapp unter die 2-Stunden-Marke fiel, läuft der Fernseher in der Altersgruppe 50+ nun über eine Stunde pro Tag länger als noch 2001. Satte 311 Minuten wurden hier als durchschnittliche Sehdauer pro Tag gemessen. Auch die 30- bis 49-Jährigen sehen länger fern als noch 2001, hier ist der Anstieg aber bei Weitem nicht so deutlich von 191 auf 206 Minuten.

Heute schalten auch generell etwas weniger Menschen den Fernseher an als noch 2001. Damals ermittelte die AGF, dass im Schnitt 73,7 Prozent der Erwachsenen ab 14 Jahren an einem Tag den Fernseher mindestens eine Minute laufen lassen, dieser Wert stieg 2004 sogar noch auf das Rekordniveau von 75,8 Prozent an, während er Anfang der 90er noch bei weniger als 70 Prozent gelegen hatte. Inzwischen geht’s aber wieder abwärts. 2016 haben laut AGF im Schnitt „nur“ noch 71,1 Prozent der Deutschsprachigen am Tag den Fernseher eingeschaltet.

Langzeitentwicklung des deutschen Fernsehens

Dass weniger Menschen den Fernseher einschalten, diesen dann aber dafür länger laufen lassen, zeigt eine andere Zahl noch ganz deutlich. Während in die durchschnittliche Sehdauer, von der eingangs die Rede war, auch diejenigen mit 0 Minuten eingehen, die den Fernseher gar nicht einschalten, misst die durchschnittliche Verweildauer die Zeit, wie lange der Fernseher denn läuft, wenn er überhaupt genutzt wird. Diese Zahl ist inzwischen fast schon schwindelerregend hoch: 333 Minuten waren das 2016 – im Schnitt läuft der Fernseher bei den TV-Nutzern also laut AGF über fünfeinhalb Stunden pro Tag. 2001 waren das noch 275 Minuten. Insbesondere bei älteren Menschen ist der Fernseher also offenbar mehr denn je ein Begleiter durch den Tag. Jüngere hingegen haben die Nutzung klassischen Fernsehens längst spürbar zurückgefahren.