Kennen Sie die Programmmarke "Terra X" des ZDF? Hier sieht man bildgewaltige Dokumentationen, toll umgesetzt. Hochwertige Aufnahmen von Tier und Natur, dazu ein Sprecher, dessen tiefe Stimme einen an den Bildschirm fesselt. Schon seit Jahren sorgt die Reihe am Sonntagvorabend für gute Quoten. Wenn der geneigte ZDF-Zuschauer aber etwas früher ins Programm schaltet, sieht er plötzlich "Terra Xpress" - und der ganze schöne Zauber ist verflogen.

Knapp fünfeinhalb Jahre hat das kleine Beiboot von "Terra X" nun schon auf dem Buckel, das ZDF hat es als eine Art unterhaltsames Wissensmagazin am Markt etabliert. Die Quoten sind im Verlauf der Zeit leicht angestiegen, zuletzt sogar etwas stärker. Wer sich aber mal genauer mit "Terra Xpress" beschäftigt wird feststellen, dass das Format so überhaupt nichts mit dem eigentlichen Mutterformat zu tun hat - was eigentlich sehr schade ist.


Denn so hochwertig "Terra X" auch gemacht ist, desto gegenteiliger sieht das bei der kleinen Schwester aus. Vom Label "Wissensmagazin" hat man sich längst verabschiedet, inzwischen geht es vor allem um Behördenärger und sonstige Kleinstadt-Aufreger. Da geht es dann etwa um wegen einer Baustelle umgeleitete Autos und Nachbarn, die das gar nicht gut finden. Ihnen hat das ZDF zuvor ein Skript in die Hand gedrückt und erklärt, sie müssten ihren Ärger nun noch einmal für die Kamera spielen. Und so beschließen die aufgebrachten Menschen vor der Kamera, eine Bürgerinitiative zu gründen - das haben sie aber natürlich schon  vor Wochen gemacht, nur da war das ZDF halt nicht dabei.

Fast alles in "Terra Xpress" ist nachgestellt, was manchmal auch so gekennzeichnet wird. Damit auch wirklich jeder weiß, dass wenn das ZDF einen lauten Knall in die Sendung schneidet und eine Frau vom Sofa aufspringt und so tut, als wäre gerade ein LKW ins Haus gefahren, dass das schon vor Wochen passiert ist. Das hört sich so schrecklich an wie es ist und so bekommt der geneigte Zuschauer irgendwann das Gefühl, nicht am Sonntagvorabend des ZDF zu sein, sondern im täglichen Nachmittagsprogramm von RTL und Sat.1.

Hinzu kommen schnelle Schnitte, eine Wackelkamera und bedrohlich wirkende Musik, wenn etwas bedrohlich wirken soll - und natürlich fröhliche Musik, wenn es ein Happy End gibt. Meist gibt es in einer Sendung drei Themenblöcke und darin noch einmal verschiedene Beiträge. Wobei "Terra Xpress" schnell zwischen den Beiträgen springt und den Zuschauern so kaum die Möglichkeit gibt, dem Geschehen zu folgen. Die Übergänge sind fließend und mit Wissensfernsehen hat das alles nichts zu tun, hier geht es um die schnelle Unterhaltung.

Langzeittrend: Terra Xpress
Terra Xpress

Zumal die Beiträge teilweise auch nicht aufgelöst werden. Bei einem Taubensammler werden Tauben geklaut. Wer das war und was dahinterstecken könnte, bleibt offen, auch die (nachgestellte) Szene aus der Überwachungskamera bringt keine Lösung. Bei zwei Beiträgen, in denen es um Seen geht, die viel Wasser verlieren und sich die Anwohner Sorgen machen, wird zunächst reichlich im Nebel gestochert (War es das Wasserwerk? Oder Wasserdiebe?) und dann dürfen ein paar Halbwüchsige noch sagen, dass sie nun nicht mehr zum See kommen, weil die Rutsche wegen des niedrigen Wassers nicht benutzbar ist. Sie lesen richtig: die Rutsche. Nach einiger Zeit wird aufgeklärt: Es regnet zu wenig. "Terra Xpress" bauscht auch die harmlosesten Dinge zu echten Kriminalfällen auf. Dass das kein Einzelfall ist, beweist die Tatsache, dass sich DWDL.de-Autor Hans Hoff Anfang 2015 schon einmal dem Phänomen angenommen hat.

Seitdem haben die Macher keine großen Veränderungen vorgenommen und die Scripted-Reality-Zügel mit nachgestellten Szenen, schlechten Laiendarstellern und dramatischer Erzählweise noch angezogen. Und was sagt das ZDF dazu? "Scripted-Reality-Formate betrachten wir nicht als Vorbilder für 'Terra Xpress'. 'Terra Xpress' legt großen Wert auf Authentizität, auf das Nachempfinden realer Ereignisse mit den realen Personen – nicht nur was die Fakten betrifft, sondern auch, was die Betroffenen Personen durchlebt und wie sie agiert haben." Man investiere einen "hohen Rechercheaufwand", um die Fakten zu überprüfen.

"Was man bei 'Terra Xpress' allenfalls als 'scripted' bezeichnen könnte, ist die Anwendung von Gesetzmäßigkeiten alter Erzählformen, wie die Verdichtung der Zeiträume der Ereignisse auf Wendepunkte und Höhepunkte hin, Rückblicke sowie Formen der Rahmenerzählung", heißt es vom Sender. Man verdichte deshalb, weil man kurzweilig und abwechslungsreich sein will. Leider ist die Sendung inzwischen so verdichtet, dass sie wirr und billig produziert wirkt.

Doch schadet man beim ZDF mit "Terra Xpress" nicht der Hauptmarke "Terra X"?  In Mainz glaubt man, nein: "Die Medienforschung belegt eindeutig, dass die Zuschauer keine inhaltlichen Verbindungen zwischen den beiden Programmmarken herstellen." Das ist insofern kurios, als das man "Terra Xpress" dann ja auch gar nicht so nennen müsste. So jedenfalls bleibt immer der fade Beigeschmack, dass die schmucke Braut "Terra X" noch eine kleine Stiefschwester hat, die auf einem ganz anderen Qualitätslevel sendet.

Die Medienforschung belegt eindeutig, dass die Zuschauer keine inhaltlichen Verbindungen zwischen den beiden Programmmarken herstellen.

ZDF

Beim ZDF ist man mit dem boulevardesken "Terra Xpress" aber zufrieden - auch inhaltlich. "Für das Ziel, auf dem Time-Slot am Sonntagvorabend die Zuschauer mit einem Wissensformat anzusprechen, haben sich im Laufe der Zeit die Kriterien 'kurzweilig' und 'abwechslungsreich' immer mehr als Schlüssel erwiesen." Das verlange sowohl nach mehreren Themen als auch nach mehr Facetten dieser Themen. "Gemessen an diesen Ansprüchen und der entsprechenden Umsetzung der Inhalte sind wir sehr zufrieden." Fragt sich nur, ob man bei einem kurzweiligen und abwechslungsreichen Wissensmagazin tatsächlich alle Szenen von aufgebrachten Bürgern nachstellen muss, nur um "zuschauernah" zu wirken. Falls ja, könnt man in Mainz wenigstens so konsequent sein und sich vom Begriff "Wissensmagazin" trennen.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, dass "Terra Xpress" eine Produktion von _wige South & Browse sei. Tatsächlich liefern mehrere Produktionsfirmen Beiträge für die Sendung. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert und bitten um Entschuldigung.