Man vergisst das gerne mal, aber es ist gerade mal sechs Jahre her, dass ARD und ZDF in den HD-Regelbetrieb starteten. Seine Nachrichten lässt das Zweite sogar erst seit 2015 hochauflösend produzieren. Wer also auf einen schnellen Umstieg auf 4K, also die vierfache HD-Auflösung, hofft, wird sich vermutlich noch etwas gedulden müssen. Dennoch ist Ultra HD, wie 4K auch genannt wird, für das ZDF ein Thema. Mit einer "Terra X"-Dokumentation über den "Mythos Wolfskinder" – also Kinder, die auf sich allein gestellt oder in Gesellschaft von Tieren leben – wagt der Mainzer Sender jetzt nämlich einen ersten Schritt in diese Richtung. Der Film von Jens Monath ist der erste, den man komplett in 4K produzieren ließ. "Heute gibt es kaum noch eine internationale 'Blue Chip'- oder 'High-End-Produktion', die von den großen Anbietern 'nur' in HD angeboten wird", sagt der Regisseur und ZDF-Redakteur.
Gerade bei Naturfilmen sei 4K mittlerweile Standard, "selbst wenn es nur wenige Sender schon distribuieren können", ergänzt Monath. "Aber es geht eben nicht nur um den unmittelbaren Nutzen: 4K, da sind sich alle einig, wird in einigen Jahren der technische Standard der meisten Fernsehanstalten sein. Deshalb produziert man schon heute in 4K, um gewissermaßen für die Zukunft gewappnet zu sein." Dass schon jetzt in 4K produziert wird, obwohl nur wenige Zuschauer ein entsprechendes Fernsehgerät besitzen, sieht Monath vor allem als Investment in die Zukunft. "Wenn man schon in Länder fährt, die ein wenig ab vom Schuss liegen, Wochen damit verbringt, Tiere zu drehen oder Expeditionen in schwer zugängliche Regionen zu unternehmen, warum sollte man sie denn nicht in einem technischen Standard filmen, der eine Mindesthaltbarkeitsdauer von zehn bis 20 Jahren hat?"
Die Vorteile liegen für Jens Monath auf der Hand. Spricht man mit ihm über die entstandenen Bilder, so gerät er schnell ins Schwärmen. "Landschaften in stimmungsvollem Morgen- oder Abendlicht und Tiere in Nahaufnahmen in 4K sind eine Augenweide. Nuancen werden erkennbar, weil der Farbumfang und vor allem der Kontrastumfang sehr viel größer ist als bei bisherigen Standards." Der neue Standard, erklärt er, komme unserem natürlichen Sehen sehr nahe. Die Bilder beeindrucken tatsächlich: Wohl selten zuvor hat man etwa die Zunge eines Löwen von derart beeindruckender Schärfe sehen können wie in diesem Film. Wer sich einen Eindruck davon verschaffen will, kann die Dokumentation über die volle Auflösung über die sogenannte Red-Button-Funktion seines 4K-fähigen Fernsehens in der Mediathek ansehen. Zudem stellt das ZDF die Version auch auf seiner Website zum Download bereit.
Regisseur Jens Monath im Gespräch mit dem Kameramann Jan Prillwitz
Eine Produktion in Ultra HD ist jedoch freilich auch eine Frage des Preises, doch das reine Kamera-Equipment koste – wenn überhaupt – nur wenig mehr als ein entsprechendes HD-Equipment. "Mehrkosten gibt es am Set, weil man sehr gute Focus Puller braucht, denn 4K verzeiht – anders als HD – keine kleinen Unschärfen. Durch die hohe Pixelzahl macht die kleinste Unschärfe das Bild sehr weich, was bei sonst gestochen scharfen Bildern sofort ins Auge fällt. Vor allem auch, weil 4K-Fernseher gerne mit einem großen Bildschirm gekauft werden, sodass sich diese Unschärfe im Bild optisch vervielfacht." Hinzu kommt, dass vor Ort ein zusätzlicher Assistent beschäftigt werden muss, der nur Daten sichert. Tatsächlich sind die enormen Datenmengen aktuell die wohl größte Herausforderung für Produktionen in HD.
Neben der Anschaffung neuer Kameras benötigte man beim ZDF vor allem mehr Speicher, der schnell genug reagiert, um die vierfach höhere Datenmenge der Bilder zu sichern und zu transportieren. "Und wir brauchten im Schneideraum perfomante Verbindungen und schnellere Rechner, sowie entsprechende Bearbeitungsprogramme, die in der Lage waren, die im Prinzip um das Vierfache höhere Datenraten zu verarbeiten", erinnert sich Matthias Haedecke, Leiter Geschäftsfeld Bildgestaltung & Design. "Selbstverständlich musste auch die Farbkorrektur mit entsprechenden Geräten und Programmen ausgestattet werden, um das vierfach höhere Datenvolumen zu bewältigen. Darüber hinaus musste in allen Gewerken neues Knowhow erarbeitet werden, wie mit diesen neuen Voraussetzungen, Normen und Parametern ein 'mindestens vierfach' besseres Produkt entstehen kann."
Im Vorfeld habe man sich in der Produktionswelt umgesehen und sich unter anderem in den Pinewood Studios in London entscheidende Anregungen für die 4K-Produktion gefunden. Dadurch entstand letztlich die technische Basis für das Projekt. Der Schnitt, sagt Haedecke, habe den Cutter und das Gerät bereits während der Dreharbeiten an seine Grenzen und manchmal auch darüber hinaus geführt. "Um mit der neuen Technik für jeden Drehort das beste Bild zu erhalten, wurden unterschiedliche Kameras eingesetzt, die mit unterschiedlichen Codecs arbeiteten. Im Schneideraum wurden dann all diese unterschiedlichen Formate mit großem Einsatz so gewandelt und zusammengesetzt, dass sie im fertigen Film nahtlos zusammenpassen. Darüber hinaus hatten Cutter und Regisseur einen Spagat zu vollführen, zwischen dem Vorhaben 4K in seinen ganzen Möglichkeiten zu nutzen und der Notwendigkeit Bilder auszusuchen, die auch in der HD Ausstrahlung nichts an Wirkung verlieren würden."
Gehversuche mit Virtual Reality
Alle Beteiligten betonen, während des "Terra X"-Projekts viel gelernt zu haben. Das Ergebnis habe die Erwartungen zudem "an vielen Stellen sogar noch übertroffen", so Haedecke. Regisseur Jens Monath ist mit technischen Innovationen indes bestens vertraut, setzte er doch vor fünf Jahren mit "Huberbuam" bereits die erste 3D-Eigenproduktion des ZDF um. Im Gegensatz zu 3D hält der Regisseur 4K jedoch für weitaus massentauglicher – schon alleine, weil der Verbraucher keine Brille benötigt, die den Genuss trüben könnte. Für die "Terra X"-Doku über "Wolfskinder" arbeitete der ZDF-Redakteur allerdings nicht nur mit der Ultra-HD-Technik, sondern auch mit 360-Grad-Aufnahmen. Bei einer solchen Virtual-Reality-Produktion wird ein Bild von mehreren Kameras aufgenommen, die aus einem gedachten Kugel-Mittelpunkt nach außen schauen und somit den späteren Betrachter in den Mittelpunkt der Szene stellen.
Entstanden ist ein zwölfminütiger Bonus-Film, den das ZDF im Netz als Download anbietet. Er unterscheidet sich dabei hinsichtlich der Erzählweise von gewöhnlichen Dokumentationen. "Da wir, anders als bei klassischen TV-Formaten, uns in den Szenen 'umschauen' können, sollte eine VR360°-Einstellung mindestens 15 Sekunden lang sein. Die Dramaturgie muss darauf Rücksicht nehmen", sagt Cutter Frank Flick. Das Ergebnis kann sich allerdings sehen lassen, auch wenn die technische Entwicklung sicher längst noch nicht am Ende angekommen ist. In jedem Fall aber bietet das ZDF mit seiner "Terra X"-Doku einen interessanten Werkstattblick auf den technischen Fortschritt des Fernsehmachens.
Das ZDF zeigt "Terra X: Mythos Wolfskinder" am Sonntag um 19:30 Uhr.