Er sammelt Flugzeuge und ließ dafür in seiner Wahlheimat einen eigenen Hangar errichten. Keine Frage, Dietrich Mateschitz denkt gerne groß. Als Felix Baumgartner vor dreieinhalb Jahren seinen Fallschirmsprung aus der Stratosphäre wagte, war stets das Logo von Red Bull im Bild – jener Firma also, die Mateschitz vor rund drei Jahrzehnten gründete und zur Weltmarke aufbaute. Die Koffein-Brause verlieh nicht zuletzt dem Kontostand des 71-Jährigen Flügel, der mit einem geschätzten Vermögen von mehr als zehn Milliarden US-Dollar heute als reichster Österreicher gilt. Inzwischen ist Red Bull fast überall vertreten: In der Luft, auf der Straße, auf dem Eis – und natürlich auf dem Fußballplatz. Wenn es der Dosen-Konzern ernst meint, dann zittert die Konkurrenz.
Groß dachte Dietrich Matschitz auch, als das Red Bull Media House vor neun Jahren die Mehrheit am österreichischen Lokalsender Salzburg TV übernahm und diesen später zu Servus TV umbaute, einem stets etwas kurios anmutenden Konstrukt aus anspruchsvollen Inhalten, die häufig alles waren, nur nicht geeignet, um die breite Masse damit zu erreichen. Wohl bei kaum einem anderen Privatsender hätte einer wie Ioan Holender, der langjährige Direktor der Wiener Staatsoper, in einer wöchentlichen Sendung Höhepunkte aus Klassik, Theater oder bildender Kunst vorstellen können. Ein Volkskultur-Magazin am Vorabend? Eine Dokumentation über Bergwelten zur besten Sendezeit? Ein Bier-Roadtrip mit Markus Kavka? Servus TV machte gutes Fernsehen, ohne Zweifel. Und das konnte man sehen. Doch für wen eigentlich?
Ein nahezu dreistellige Millionenbetrag wurde jährlich in Servus TV gesteckt. Nach sieben Jahren dürften sich die Investitionen somit in großen Schritten der Milliarden-Marke genähert haben. Die Markt- und Wettbewerbssituation lasse "keine wirklich positive Entwicklung erwarten", stellte Servus TV in der Mitteilung, die die bevorstehende Einstellung des Sendebetriebs ankündigte, ernüchtert fest. Man könnte auch sagen, Servus TV war ein Milliarden-Grab. Dass die Wahrnehmung trotz solch unfassbarer finanzieller Anstrengungen an manchen Abenden gen Null tendierte, ist schier unglaublich – und man mag sich gar nicht ausmalen, wo Servus TV hätte stehen können, hätte man das Programm doch nur ein wenig massentauglicher gestaltet.
Der hohe Anspruch war letztlich ursächlich für die Einstellung, die nach all den Jahren des unscheinbar Vor-sich-hin-Sendens am Ende aber doch ein Stück weit überraschend kommt, schließlich konnte man als Außenstehender den Eindruck bekommen, es störe so manchen Verantwortlichen nicht die Bohne, wie viel Geld das Programm denn eigentlich kostet – geschweige denn, was man damit überhaupt verdienen kann. Wenn Servus TV von der Eishockey-Bundesliga berichtete, dann musste selbst bei bedeutungslosen Partien ein "bisher nicht dagewesener Produktionsstand" her, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Ein gewaltiger Aufwand für einen bis zum Schluss überschaubaren Kreis an Zuschauern.
"Eine Antwort auf die Globalisierung der Welt"
Es war vor ziemlich genau sechs Jahren, als DWDL.de zum ersten Mal vor Ort in Salzburg war. Damals war das junge Servus TV als Nachfolger des Lokalsenders Salzburg TV gerade einmal ein gutes halbes Jahr auf Sendung. Die Euphorie vor den Toren von Salzburg war spürbar in jenem Mai 2010. Etwas stolzer als seinen schnöden Firmensitz über einer Burger-King-Filiale im Gewerbegebiet präsentierte man Besuchern den futuristischen Hangar 7 am Salzburger Flughafen, der als Kulisse für mehrere Talk-Formate diente. Man hatte sich Köpfe eingekauft. Programmdirektor Wolfgang Pütz kam vom Bayerischen Rundfunk, Kommunikationschef Jens Tiedemann arbeitete zuvor jahrelang als Sprecher für Johannes B. Kerner und Geschäftsführer Martin Blank kam vom österreichischen ProSiebenSat.1-Sender Puls4.
Blank versicherte: "Wenn Herr Mateschitz etwas macht, dann macht er es gescheit. Und mit vollem Einsatz. Das gilt auch bei Servus TV." Doch es ist diese Diskrepanz zwischen auch von außen herangetragener Erwartungshaltung und schnöder Realität in diesen ersten Jahren von Servus TV, die dem Sender letztlich das Genick gebrochen hat. Viel zu lange hat man in Salzburg an der Fokussierung auf den Alpen-Donau-Adria-Raum festgehalten und in dieser Zeit ungeheure Summen verbrannt. Es war aber auch ein Dilemma: Im Heimatmarkt Österreich musste man regionale Bodenhaftung vermitteln, doch nördlich des Weißwurst-Äquators war damit weder Publikum noch Werbegeld zu holen.
Wie lange kann sich Servus TV das leisten? Diese Frage stellten wir im Herbst 2011 kurzerhand an Programmdirektor Wolfgang Pütz, der weiterhin allenfalls ehrbares, aber wenig erfolgversprechendes Programm präsentieren konnte. "Wir wollen allerdings natürlich nicht nach zwei oder drei Jahren in Schönheit sterben, sondern wollen schön sein und trotzdem überleben", antwortete er. Einen Monat später verließ er den Sender aus persönlichen Gründen. Den langjährigen ZDF-Mann Klaus Bassiner, den Servus TV wenig später verpflichtete, hielt es kaum zwei Jahre in Salzburg, als auch er aus persönlichen Gründen wieder ging. Er steige aus "mit dem guten Gefühl, dass ich die richtigen Weichen gestellt habe", ließ er noch eilig ausrichten. Die Frage, in welche Richtung, erreichte ihn schon nicht mehr.
Kürzlich war dann auch Martin Blank von Bord gegangen, der auch vor drei Jahren bei einem weiteren Gespräch den eingeschlagenen Weg verteidigte. "Wir sind inhaltlich eine Antwort auf die Globalisierung der Welt", sagte er damals, als er gerade gemeinsam mit Bassiner den "Fokus Deutschland" ausgerufen hatte. Selbst von der Produktion eigenproduzierter Fiction war damals großspurig die Rede. Was blieb, war ein Programm für die Nische. "Ein anderthalbstündiger Talk über das Turiner Grabtuch mag zwar einige wenige Zuschauer entzücken, doch ein Programm auf diesem Level führt bei einem privatwirtschaftlichen Sender auf Dauer eben zum Tod in Schönheit", schrieb DWDL.de schon 2012 in Anspielung an die Aussage des früheren Programmchefs von Servus TV.
Ehrenhafter Anspruch und banale Wirklichkeit müssten sich mittelfristig treffen, mahnten wir einst. Eine Einsicht, die inzwischen auch Dietrich Mateschitz zu teilen scheint. Die Lust, weitere Millionen nachzuschieben, um ein Nischenprogramm am Leben zu halten, ist ihm jedenfalls neuerdings abhandengekommen. Jetzt, sieben Jahre nach dem äußerst ambitionierten Start, werden die Kündigungen verschickt. Ioan Holender gibt keine Kultur-Tipps mehr und der Hangar-7 am Salzburger Flughafen bleibt künftig wieder den Flugzeugen des milliardenschweren Geschäftsmannes vorbehalten. Red Bull verlieh Flügel. Nun wurden sie gestutzt.