Wenn alles gut geht, dann werden ARD und ZDF im kommenden Jahr ihren Jugendkanal starten können. Der Begriff "Kanal" trifft den Nagel allerdings nicht ganz auf den Kopf, immerhin handelt es sich nicht um einen Sender im klassischen Sinne. Nach dem Willen der Politik soll das Angebot nämlich ausschließlich online stattfinden. Gefasst wurde der Beschluss schon vor mehr als einem Jahr. So gesehen war das Jahr 2015 also gewissermaßen das Jahr, in dem hinter den Kulissen die Weichen für das Projekt gestellt wurden. Verantwortlich ist mit Florian Hager ein Mann, der mit dem "Marker" bei ZDFkultur einst schon einmal zeigte, wie eine moderne Zuschaueransprache aussehen kann. Es ist also ein Stück weit Ironie der Geschichte, dass ZDFkultur nun ausgerechnet dem Jugendportal weichen muss.
Die Zweifel am Erfolg sind vorhanden, doch Hager übt sich in Optimismus - auch wenn bislang noch nicht mal ein Name feststeht. "Wenn uns das, was die Böhmermänner da einige Male geschafft haben, ab und an auch gelingt, haben wir vieles richtig gemacht", sagte Hager bereits im Sommer mit Blick auf so manchen Sturm, den Moderator Jan Böhmermann mit seinem "Neo Magazin Royale" auslöste. "Die Beispiele zeigen vor allem, dass es bekannte, authentische Köpfe und ein eigenes Storytelling braucht, um eine jüngere Zielgruppe zu erreichen." An Konkurrenz mangelt es ARD und ZDF allerdings nicht, wenn sie sich in den Wettbewerb mit vielen bereits etablierten YouTube-Stars stürzen werden. Kein Wunder also, dass einige von ihnen das neue Jugendangebot unterstützen sollen.
Das Bemühen, eine jüngere Zielgruppe zu erreichen, beschränkt sich bei den Öffentlich-Rechtlichen jedoch nicht nur auf das Jugendangebot im Netz. So hat das ZDF in diesem Jahr als Ersatz für "heute nacht" mit "heute+" eine junge Nachrichtensendung an den Start gebracht, die sich vor ihrer oft späten Ausstrahlung im ZDF schon mal mit einer eigenen Ausgabe für die Internetgemeinde meldet - zuletzt mit regelmäßiger Persicope-Begleitung. Seit ihrem Start vor mehr als einem halben Jahr hat sich die Sendung jedoch durchaus gewandelt. Etwas aktueller ist sie geworden und in mancher Hinsicht auch konventioneller. "Inzwischen sind wir dazu übergangen, auch konventionelle Stücke in die Sendung einzubauen, wenn sich noch am Abend wichtige Themen ergeben, die wir auf die Schnelle nicht mit einem eigenen Ansatz angehen können", sagte ZDF-Nachrichtenchef Elmar Theveßen kürzlich im Gespräch mit DWDL.de. "In solchen Fällen ist die Vermittlung der Grundinformation wichtiger als die Verwendung besonderer Stilmittel."
Und auch die Ansprache hat sich geändert. "Wir haben bemerkt, dass die jüngeren Zuschauer, die wir ja vor allem erreichen wollen, sich schnell angekumpelt fühlen, wenn man als Nachrichtenmoderator zu umgangssprachlich wird", betonte Moderatorin Eva-Maria Lemke. "Das weckt bei manchen den Eindruck, wir nehmen sie und unsere Sache nicht ernst genug." Genau das könnte auch eines der Probleme von "WDR 3sechzich" gewesen sein, jenem Angebot, mit dem der WDR seit Ende Januar eine verloren geglaubte Zielgruppe vor allem auf YouTube und Instagram wieder zurückerobern wollte. Geklappt hat das nicht. Weil der YouTube-Kanal bis heute kaum mehr als 7.000 Abonnenten zählt, ist Ende des Jahres Schluss. Nicht nur im Vergleich zu den mehr als 2,8 Millionen Abonnenten von LeFloid, der im Sommer sogar die Kanzlerin interviewen durfte, ist das wenig.
Für das Gaming-Format "1080NerdScope" wagte LeFloid nur kurze Zeit nach seiner Reise ins Kanzleramt übrigens sogar einen Ausflug zum digitalen Spartensender EinsPlus, der 2017 im Jugendkanal von ARD und ZDF aufgehen soll. Vielleicht ja ein erster Vorgeschmack auf das, was da so alles kommen wird. Doch es sind keineswegs nur die Öffentlich-Rechtlichen, bei denen der gar nicht negativ gemeinte Jugendwahn um sich greift. Es ist schon auffällig, wie viele junge Angebote im nun zu Ende gehenden Jahr aus dem Boden sprossen. Das wohl prominenteste Beispiel unter den Verlags-Portalen ist "bento", das kurz nach dem Start auf DWDL.de von unserem 18-jährigen Kollegen Miguel Robitzy kritisch beäugt wurde. "Das sind keine Nachrichten für junge Menschen. Das sind Nachrichten für dumme Menschen", so sein hartes Urteil.
Bei "Spiegel Online", das hinter "bento" steht, sieht man das freilich anders. "'bento' informiert nicht nur über die wichtigsten News aus der Welt und dem Web. Die Redaktion produziert auch hintergründige Stories über Personen und Themen, die junge Menschen unter 30 besonders interessieren", sagt e"SpOn"-Chefredakteur Florian Harms zum Start über die Absicht, ein etwas frecheres Beiboot an den Start zu bringen. "Dabei zeigt sie auch Lösungen für thematisierte Probleme auf und bietet den Nutzern Möglichkeiten, sich selbst zu engagieren." Neben "bento" verfolgen inzwischen auch andere Seiten diesen oder einen ähnlichen Ansatz. "Bild.de" versucht sich mit "Byou" an einem jungen Ableger, "Zeit Online" startete zuvor bereits "ze.tt" und selbst das "Handelsblatt" mischt mit "Orange" neuerdings in diesem Bereich mit.
Man sollte den Redaktionen nun die Zeit geben, um die richtige Balance zwischen junger Ansprache und relevanten Themen zu finden. Dass die Verlage und Sender überhaupt in neue Angebot investieren, ist aber schon für sich genommen lobenswert. Und die Tatsache, sich mit den Bedürfnissen der jungen Generation auseinanderzusetzen, ebenfalls. So gesehen war 2015 ein ungewöhnlich experimentierfreudiges Jahr. Das ist eine gute Nachricht, auch in dem Wissen, dass ganz sicher nicht allen neuen Ideen ein langes Leben beschieden sein wird.