Allzu viele Gründe zum Jubeln hat man in diesen Tagen bei RTL gewiss nicht. Vor allem die rückläufigen Quoten der im Vorfeld hochgelobten Serie "Deutschland 83" drücken auf die Stimmung in der Kölner Sendezentrale. Nach acht Tagen steht der Marktführer in der Zielgruppe derzeit bei nur 12,4 Prozent Marktanteil und damit auf keinem allzu berauschenden Niveau. Wie gut, dass man sich bei RTL zumindest auf seine Dauerbrenner verlassen kann, allen voran auf "Das Supertalent".

Die Castingshow, die sich nun bereits in der neunten Staffel befindet und in der Vergangenheit wegen ihrer oft übertriebenen Inszenierung sicher nicht zu Unrecht in der Kritik stand, ist derzeit einer der wenigen Programmanker, um die man sich bei RTL keine Sorgen machen muss. Ein anderer Anker ist die Kuppelshow "Bauer sucht Frau", die derzeit sogar bereits im elften Jahr ausgestrahlt wird. Dass Dieter Bohlens "Supertalent"-Suche noch immer für konstant hohe Marktanteile von mehr als 20 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe gut ist, konnte man im Vorfeld der Staffel nicht zwangsläufig erwarten, immerhin der Castingshow im vorigen Jahr nach starkem Auftakt plötzlich spürbar die Luft ausgegangen.

Gestartet mit mehr als 28 Prozent Marktanteil, musste "Das Supertalent" 2014 eine Woche vor dem Finale mit nur noch 15 Prozent sowie kaum mehr als 3,3 Millionen Zuschauern neue Tiefstwerte hinnehmen. Diesmal stellt sich die Situation hingegen ganz anders dar: Zwar verlief der Staffel-Auftakt mit 25 Prozent Marktanteil beim jungen Publikum nicht ganz so gut wie vor einem Jahr - im Gegenzug ist es RTL und der Produktionsfirma UFA Show & Factual diesmal jedoch umso besser gelungen, das Publikum bei der Stange zu halten. Auch zuletzt, sieben Tage vor der letzten Ausgabe, schalteten noch immer mehr als viereinhalb Millionen Zuschauer am Samstagabend ein.

Marktanteils-Trend: Das Supertalent

Das Supertalent

Dass die Marktanteile auch in den vergangenen beiden Wochen noch bei mehr als 23 Prozent lagen, ist ein voller Erfolg für die Show, die mittlerweile dankenswerterweise längst nicht mehr so extrem daherkommt wie noch vor wenigen Jahren. Wie schwer es ist, die Zuschauer über Wochen hinweg zum regelmäßigen Einschalten zu bewegen, lässt sich derzeit ganz gut an der Quoten-Entwicklung von "The Voice of Germany" ablesen. Nur etwas schwächer als "Das Supertalent" in die neue Staffel gestartet, musste sich ProSieben in der vorigen Woche nur noch mit etwas mehr als 15 Prozent Marktanteil zufriedengeben. Seit dem Staffel-Auftakt kamen "The Voice" somit schon knapp eineinhalb Millionen Zuschauer abhanden - mehr als jeder Dritte.

Das hängt freilich auch damit zusammen, dass die unverwechselbaren Blind Auditions deutlich spritziger daherkommen als die späteren Phasen, allen voran die Live-Shows. So gesehen ist es kein Wunder, dass "The Voice" die Zahl der Live-Sendungen inzwischen deutlich reduziert hat und damit einen ähnlichen Weg verfolgt wie die Produzenten des "Supertalents" bei RTL, die "DSDS" einst bereits von den Mottoshows befreiten. Abgesehen vom Finale kommt beim "Supertalent" inzwischen jedenfalls alles aus der Konserve. Man kann das bedauerlich finden, weil das Fernsehen ja nicht zuletzt davon lebt, die Zuschauer an bestimmten Ereignissen direkt und unmittelbar teilhaben zu lassen.

Allerdings haben die Fernsehmacher diese Entwicklung gewissermaßen selbst eingeleitet und forciert, indem die aufgezeichneten Shows über all die Jahre hinweg derart mit Emotionen aufgeladen wurden, dass es immer schwerer wurde, diese Dichte auch nur ansatzweise in den späteren Live-Shows aufrechtzuerhalten. Ganz davon abgesehen scheint den Zuschauern der Wettbewerb insbesondere beim "Supertalent" zunehmend egal geworden zu sein. Wer in ein Halbfinale einzieht, ist unwichtig, wenn sich schon heute fast niemand mehr an den Gewinner des Vorjahres erinnern kann. So gesehen ist der von RTL eingeschlagene Weg nur folgerichtig und konsequent.

Nur einer drohenden Wiederholung der Final-Schmach des Vorjahres wollte man bei RTL diesmal aus dem Weg gehen. Damals mussten sich Bohlen & Co. überraschend "Schlag den Raab" geschlagen geben - und damit kurioserweise einer klassischen Live-Show, der das Publikum so manche Länge gerne verzeiht. Angesichts des TV-Abschieds von Stefan Raab ist es also vermutlich nicht unklug, dem letzten möglichen Duell zwischen Bohlen und Raab eine Absage zu erteilen.