Zehneinhalb Jahre ist es her, dass Jörg Schütte durch tv.gusto vom Berater zum Unternehmer wurde. Anderen hatte er bereits beim Start neuer digitaler Spartenkanäle geholfen, nun wollte er selbst einen Sender gründen. Es war der Grundstein für eine kleine, international wachsende Pay-TV-Gruppe. Ums Kochen und Genießen wird Schütte sich fortan - jedenfalls beruflich - nicht mehr kümmern.

BonGusto, wie der Sender mittlerweile heißt, zieht von Köln nach München zum Mehrheitsgesellschafter Burda. Schütte, der nach und nach Anteile an das Verlagshaus verkauft hatte, gibt die Geschäftsführung ab, bleibt aber mit 16,5 Prozent beteiligt. Über Burda sagt er selbst nur Positives. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die Interessen der beiden Partner zuletzt nicht mehr deckungsgleich waren. Burda sucht seit Jahren nach Wachstum im Bewegtbildmarkt; die zum Jahresanfang gegründete Einheit Burda Studios unter Leitung der Ex-ProSiebenSat.1-Manager Hans Fink und Guido Bolten, zu der auch Focus TV gehört, will mit Leben gefüllt werden. Da ist die volle Integration von BonGusto nur willkommen.

 

Der frühere Vox-Programmdirektor Schütte übergibt ein gut bestelltes Haus. Neben dem Abo-finanzierten Sendebetrieb war seine letzte Ausbaustufe das Produktionsgeschäft für Dritte. Über 100 Online-Rezeptvideos hat das BonGusto-Team in den vergangenen Monaten für den Konsumgüter-Multi Unilever gedreht. Ziel war es, den Köchen aus den Knorr-Werbespots Gesicht und Kompetenz über den klassischen 30-Sekünder hinaus zu verleihen - emotional, persönlich, aber ohne O-Ton. Weil Unilever die Videos international einsetzt, entstanden neun verschiedene Sprachversionen in der Nachvertonung.

BonGusto hatte den Auftrag im internationalen Pitch gegen verschiedene Werbeagenturen gewonnen. "Wir haben Erfahrung im Umgang mit Food", so Schütte zu DWDL.de. "Banal gesagt: Wir wissen, wie man Speisen lecker aussehen lässt. Manchmal geben Details den Ausschlag. Wenn man ein Steak in der Pfanne brutzeln sieht, dann muss man's auch hören. Rezeptvermittlung allein reicht nicht aus." Aus seiner alten Vox-Zeit erinnert sich Schütte noch immer daran, dass beim Klassiker "Kochduell" die Quoten immer dann nach oben schnellten, wenn per Close-up in den Topf geguckt wurde.

Man kann sagen, dass die Themen, die Schütte einst bei Vox hochgezogen hat, bis heute einen roten Faden durch seine Unternehmerkarriere bilden - neben Kochen auch Auto und Reisen. Gemeinsam mit der Motor Presse Stuttgart betreibt er seit 2009 den auto motor und sport channel, mit dem Reiseführerverlag Mairdumont seit 2013 Marco Polo TV. Ein zwischenzeitlicher Ausflug ins Free-TV - mit dem Dokukanal Collection - brachte nicht den erhofften Erfolg und wurde Ende 2014 nach vier Jahren beendet. Dieses Geschäftsmodell hat Schütte abgehakt.

Stattdessen setzt er bei seinen Pay-TV-Sendern auf Internationalisierung und auf einen Ausbau der Geschäfte als Produktionsdienstleister. Weil Schütte lieber solide im Hintergrund arbeitet als für großes Aufsehen um seine Expansion zu sorgen, sind gewichtige Schritte mehr oder weniger im Stillen geschehen. Motor Presse TV, das Joint Venture von Schütte (49 Prozent) und Motor Presse (51 Prozent), betreibt den auto motor und sport channel inzwischen mit fünf verschiedenen Sprachversionen in 13 Ländern. Der Sender ist in Osteuropa, Russland und den Benelux-Staaten zu empfangen, soll bald auch in Brasilien und Argentinien starten sowie in China, dort allerdings nicht linear, sondern als reines Video-on-Demand-Angebot.

Deutsche Autos sind eben ein weltweiter Exportschlager, davon kann ein deutscher Autosender nur profitieren. Logistisch komplex ist die Internationalisierung dennoch. Ein Sprachstudio in Bulgarien übersetzt vorab die Sendungen des Channels, schickt die Synchronisationen per Audiofile zurück nach Köln. Dort gehen die verschiedenen Sprachspuren auf die Tonunterträger der Satelliten. Rund ein Drittel aller Inhalte flimmert derzeit in der jeweiligen Landessprache über die Bildschirme, in zwei bis drei Jahren sollen es 100 Prozent sein. In Planung sind zudem eigene lokale Produktionen für jedes Territorium. "Für eine erfolgreiche Internationalisierung von Sendermarken sind früher oder später lokale Inhalte unverzichtbar", so Schütte. "Man sollte nicht den Fehler machen, alles über einen Kamm zu scheren - selbst dann nicht, wenn es um ein so globales Thema wie die Faszination Automobil geht."

"Die Zusammenarbeit mit stark verankerten Print-Marken ist definitiv ein Erfolgsfaktor für den digitalen Bewegtbildmarkt"

Jörg Schütte


Auch als Produzent für Dritte hat Motor Presse TV schon gut zu tun. Für Schütte schließt sich dabei ein Kreis, darf er doch seinen Ex-Arbeitgeber Vox beliefern und Beiträge für dessen Magazin "auto mobil" herstellen. In der Schweiz, beim kleinen Privatsender TV24, hat Motor Presse TV sogar ein eigenes Format: "Fast Lap - Das Magazin" kombiniert lokale Neuproduktionen mit Archivmaterial. Schütte sagt, das Produzieren tue Senderleuten gut, weil es Demut lehre: "Als Produzent sind wir einer von vielen im Markt. Da ist es wichtig, mit der Einstellung heranzugehen: Wir sind 100 Prozent Dienstleister."

Beim noch jungen Reisesender Marco Polo TV, der Schütte und Mairdumont je zur Hälfte gehört, soll das Produktionsgeschäft parallel zum Ausbau des Programms wachsen. Bislang nur via Telekom Entertain und M7 KabelKiosk empfangbar, zeigt der Sender einen Mix aus vielen Lizenzprogrammen und einigen Eigenproduktionen. 40 "Marco Polo"-Dokus über die beliebtesten europäischen Reiseziele hat die Mannschaft im vorigen Jahr gedreht. Im Frühjahr soll eine weitere Staffel entstehen, ab Winter werden dann auch außereuropäische Ziele zu sehen sein. In den gedruckten "Marco Polo"-Reiseführern bewirbt der Verlag mehr und mehr den kostenpflichtigen Einzelabruf dieser Dokus via Maxdome oder "Marco Polo"-App.

Ob Reiseführer oder Autozeitschrift - Schüttes Nähe zu Verlagen ist auch jenseits von BonGusto unverkennbar. Und das aus gutem Grund: "Die Zusammenarbeit mit stark verankerten Print-Marken ist definitiv ein Erfolgsfaktor für den digitalen Bewegtbildmarkt", so seine Überzeugung. "Jede Marke funktioniert natürlich auch als Guideline für die Inhalte, die wir produzieren - nicht alles ist möglich. Gleichzeitig haben wir das Glück, mit Verlagspartnern zusammenzuarbeiten, die uns einen hohen Freiheitsgrad gewähren und nicht jeden Frame der TV-Macher kontrollieren wollen."

Man kann sich schwer vorstellen, dass der umtriebige Fernsehmacher nicht schon längst die nächsten Ideen für Spartensender im Hinterkopf hat. Dafür funktioniert das System Schütte inzwischen einfach zu gut. Es beinhaltet auch, dass er mit seiner Firma Carus Media Dienstleistungen wie Sendeablaufplanung, Werbedisposition oder Postproduktion für die eigenen und weitere Kleinsender erbringt. Dass neue Kanäle in Planung sind, bestätigt Schütte. In welche Richtungen er dabei inhaltlich denkt, mag er noch nicht verraten. Nur so viel: "Heute wäre es falsch, wenn man sich mit seinen Inhalten ausschließlich auf einen linearen Sender ausrichten würde. Im Grunde muss man umgekehrt denken: Sind meine Inhalte so attraktiv, dass ich damit im VoD-Geschäft bestehen kann? Und dann kommt vielleicht parallel oder im zweiten Schritt auch noch eine lineare Komponente hinzu."