Sein Produzentenbüro hat Oliver Vogel eine Etage unter den Präsidiumsfluren der "Tatort"-Kommissare Ballauf, Schenk und Thiel eingerichtet. Im Keller ist die Pathologie von Professor Boerne, in der bei Bedarf auch mal Leichen aus Köln oder Dortmund seziert werden. Die Vorort-Location am Rande des Technologieparks sagt einiges aus über den Chef der Kölner Niederlassung der Bavaria Fernsehproduktion.
Als Vogel 2010 Geschäftsführer der damals noch eigenständigen Colonia Media wurde, waren Verwaltung, Produktionsbüro und "Tatort"-Set auf drei Standorte innerhalb Kölns verteilt. Die Firma leistete sich zwei Geschäftsführer, eine eigene Buchhaltung und ein eigenes Produktionsmanagement - für fünf 90-Minüter pro Jahr. Fünf Jahre später ist Köln nur noch Niederlassung des Joint Ventures von Bavaria Film und ZDF Enterprises, Vogel nur noch Niederlassungsleiter, der den Overhead der Münchner Zentrale mitnutzt. Wobei "nur noch" in Anführungszeichen gehört. Produziert wird mehr denn je, zwei Serien haben das Portfolio vergrößert, bald sollen es noch mehr werden. "Während wir Management- und Verwaltungskosten eingespart haben, konnten wir den Entwicklungsetat deutlich erhöhen", sagt Vogel nicht ohne Stolz.
Der studierte Wirtschaftswissenschaftler und Filmakademie-Absolvent zählt zu jenen Produzenten, die sowohl die Sprache der Drehbuchautoren als auch der Controller sprechen. Im weit verzweigten Bavaria-Reich dürfte sein Verschlankungsmodell früher oder später auch bei anderen Töchtern Schule machen. Das nächste dicke Brett, das Vogel sich vorgenommen hat, ist der ARD-Vorabend. Vom morgigen Dienstag an will er mit seinen "Rentnercops" für gute Quoten sorgen. In der von Sonja Schönemann, Peter Güde und Christoph Benkelmann geschriebenen Serie müssen Tilo Prückner und Wolfgang Winkler als pensionierte, sturköpfige Kommissare wegen Personalnot wieder in den aktiven Kripo-Dienst. Acht Folgen mit skurrilen Fällen und originellen Dialogen laufen jeweils dienstags um 18.50 Uhr im Ersten.
Trotz Titel und älterer Protagonisten peilt Vogel gerade auch ein jüngeres Publikum an. "Ich bin ein entschiedener Gegner von sozialer Diskriminierung jeder Art", so der Produzent. "Dass Schauspieler wegen ihres Alters aus Serien rausgeschmissen werden, ist nicht unbedingt das Klügste, was man tun kann, um junge Zuschauer zu gewinnen. Schauen Sie nach Hollywood: Von 'Space Cowboys' bis 'Expendables' sind die größten Action Heroes über 60 oder sogar über 70 - und locken junge Leute en masse ins Kino."
Doch warum tut sich der Bavaria-Mann den schwierigen ARD-Vorabend überhaupt an, wo er doch mit zwei erfolgreichen Serien - "SOKO Stuttgart" und "Dr. Klein" - gern gesehener Lieferant für den ZDF-Vorabend ist? Schon die Frage stößt bei Vogel sichtlich auf Unverständnis. Er empfindet es eher so, dass die größeren Herausforderungen auch die spannenderen sind. An denen man sich beweisen kann, vor denen man nicht flüchten darf. Und es hat wohl auch damit zu tun, dass man als Produzent dort mehr bewegen kann, wo ein Sender kein bestelltes Feld hat. "In der ARD stoße ich auf viele offene Ohren, wenn ich glaubhaft versichern kann, deutlich mehr als 5 Prozent Marktanteil am Vorabend zu erreichen", so Vogel.
Alles über 7 Prozent im Gesamtpublikum würde er als Erfolg für die "Rentnercops" werten - und die ARD-Verantwortlichen vermutlich jubeln lassen. "Generell besteht auf jedem Sendeplatz eine realistische Erfolgschance", ist Vogel überzeugt. "Wenn ich den Erfolg von 'In aller Freundschaft - Die jungen Ärzte' sehe, geht mir das Herz auf. Das zeigt: Mit dem richtigen Programm kann es klappen. Es ist doch nicht zwingend die Todeszone." Mit durchschnittlich 9,4 Prozent am Donnerstag-Vorabend ist der Ableger der Primetime-Klinik-Soap nicht nur irgendein Mutmacher. Vogel war einst der erste Produzent von "In aller Freundschaft", zeichnete bei der Konzernschwester Saxonia Media für die ersten rund 300 Folgen aus der Sachsenklinik verantwortlich.
Für die auf Anhieb beim ZDF-Publikum eingeschlagene Kinderärztin "Dr. Klein" beginnen in diesen Tagen die Dreharbeiten zur zweiten Staffel mit zwölf neuen Folgen. Die horizontal erzählte Serie entsteht in einem fünfköpfigen Writers' Room unter Leitung von Chefautor Torsten Lenkeit. Vogel und er kennen sich aus gemeinsamen Studientagen an der Filmakademie Ludwigsburg, Lenkeit ist auch Producer der "SOKO Stuttgart", für die am Bavaria-Standort Stuttgart derzeit die Folgen 146 bis 170 gedreht werden. "Bei 'Dr. Klein' haben wir ganz gezielt Minderheiten zu Helden und Hauptfiguren gemacht - die kleinwüchsige Kinderärztin, den farbigen Arzt, das schwule Paar, die dicke Oberschwester", so Vogel. "Ein Teil der Zuschauerpost war beleidigend und empörend. Daraus entnehmen wir: Wir müssen genauso weitermachen!"
Inhaltlich noch ambitionierter ist Vogels neue ZDF-Reihe "Dengler", eine Koproduktion mit der jungen Hamburger Cuckoo Clock Entertainment, die am 20. April um 20.15 Uhr als "Fernsehfilm der Woche" anläuft. Die Polit- und Wirtschaftsthriller rund um den hartgesottenen Privatdetektiv Georg Dengler (Ronald Zehrfeld) und seine geheimnisvolle Assistentin Olga (Birgit Minichmayr) sind Verfilmungen der gleichnamigen Roman-Bestseller von Wolfgang Schorlau. Der erste Film, "Die letzte Flucht", thematisiert beklemmend authentisch kriminelle Machenschaften im Gesundheitssystem und in der Pharmaindustrie. Der zweite Fall, "Am zwölften Tag", behandelt die schmutzigen Geschäfte mit Massentierhaltung und soll im Juni gedreht werden.