Wer Fußballfan ist, wird sich bestimmt schon einmal geärgert haben über manchen Kommentator - besonders dann, wenn der eigene Verein mal nicht so gut wegkommt wie man sich das als Fan wünschen würde. Das ist nur menschlich. Und es gehört auch zum Geschäft, dass sich die Kommentatoren der Kritik stellen müssen. Die Frage ist nur: Wie weit darf die Kritik gehen? Seit Jahren schon tobt in den sozialen Netzwerken der Mob, wenn Béla Réthy, Tom Bartels oder Fritz von Thurn und Taxis am Mikrofon sitzen. Es ist der Schutz der Anonymität, der kleine Würstchen plötzlich groß und stark erscheinen lässt. 

Allzu ernst nehmen sollte man sie nicht, stehen sie doch für eine kleine Minderheit, die offensichtlich nicht fähig ist, einen ordentlichen Dialog zu führen. Zu den Dauer-Kritisierten zählt etwa Steffen Simon, der sich mit seinem inzwischen legendären Südländer-Satz im vorigen Jahr einen waschechten Shitsorm einhandelte. "Gelegentlich habe ich den Eindruck, dass die Kritiker ein Bedürfnis haben, sich gegenseitig zu übertreffen", sagte Simon einmal über die Lästermäuler aus dem Netz. "Mitunter geht es einfach in Richtung Schmähkritik, das halte ich für bedauerlich und unnötig." 

 

Während sich die Häme, die den Kommentatoren im Internet entgegenschlägt, kaum verhindern lässt, so hat die Diskussion in den vergangenen Tagen eine neue Wendung erhalten. Dass Anhänger von Schalke und Dortmund im Vorfeld des Ruhrpott-Derbys am Wagen des Sky-Kommentators Marcel Reif rüttelten, in der Hoffnung, ihm am Betreten des Stadions zu hindern, ging ohne Zweifel zu weit. Vom Bierbecher-Wurf, dessen Opfer Reif nur wenige Tage später vor dem Pokalspiel zwischen Dresden und dem BVB wurde, sowieso. "Die Gesichter waren hasserfüllte Fratzen, spuckend und geifernd", sagte er später. Und wer die dazu gehörenden Bilder am Mittwochabend im "Sportschau-Club" sah, wird ihm zustimmen. 

Zu Recht geht der 65-Jährige jetzt in die Offensive und fordert Konsequenzen. "Ich denke darüber nach, Borussia Dortmund aufzufordern, dafür zu sorgen, dass ich sicher zur Arbeit komme", sagte Reif mit Blick auf seinen nächsten Einsatz beim Samstagabend-Spiel gegen in einer Woche, für das er wieder nach Dortmund fahren wird. Ob man sich in irgendeiner Weise darauf einlassen wird, ließ der Verein am Donnerstag gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de offen. Man verurteile die Bierbecher-Würfe aber "aufs Schärfste", erklärte Sascha Fligge, Kommunikations-Direktor des Bundesligisten. "Dass sich Marcel Reif in den vergangenen Jahren offenbar häufiger Attacken und Beschimpfungen von „Anhängern“ verschiedener Klubs erwehren musste, tut uns sehr leid. Ein solches Verhalten passt in keinster Weise zum Wertekodex des BVB." 

Die Frage, ob die an dem Becherwurf beteiligten "Fans" mit Konsequenzen rechnen müssen, blieb vom Verein im Übrigen unbeantwortet. Stattdessen übt auch die Borussia Kritik. Kein Verständnis haben die Dortmunder nämlich für Marcel Reifs Kritik an Trainer Jürgen Klopp. Dieser hatte sich auf einer Pressekonferenz über den Masken-Jubel der BVB-Spieler Pierre-Emerick Aubameyang und Marco Reus auch hämisch über den Sky-Mann geäußert. "Ich fand den Jubel witzig. Der einzige, der ihn nicht witzig fand, war Marcel Reif. Aber der findet auch gar nichts mehr witzig." Ein Unding, findet Reif. "Das ist schon im privaten Bereich ungehörig und unverschämt. Im öffentlichen Bereich ist es unverantwortlich. Da müssen sich die Klubs äußern und Deeskalation fördern statt die Eskalation voranzutreiben", gab Reif im "Tagesspiegel" zu Protokoll. 

Dabei hatte auch Reif in der Vergangenheit nicht mit Kritik an Jürgen Klopp gespart. In einer Kolumne setzte sich der Kommentator im Jahr 2008 mit dem Trainer auseinander, der den BVB wenige Jahre später zu zwei Meisterschaften führen sollte. "Nach seinem jüngsten Auftritt als Rumpelstilzchen wäre es wohl für alle Beteiligten das Beste gewesen, er wäre etwas bodenständiger geblieben und damit in der 2. Liga verschwunden", so Reifs Ratschlag damals.

Einen Zusammenhang zwischen Klopps jüngster Aussage zu einem anderen Thema und dem Vorfall von Dresden herzustellen, hält der BVB jedenfalls für "verfehlt und konstruiert", betonte BVB-Sprecher Sascha Fligge am Donnerstag gegenüber DWDL.de. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke bezeichnete Reifs Aussagen in der "Bild" wiederum als "abenteuerlich" und "absurd". Klopp selbst entschuldigte sich inzwischen aber zumindest: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Aussagen dazu beigetragen haben. Wenn doch, tut mir das leid", sagte er laut "Bild" am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. "Ich wusste zum Zeitpunkt meiner Aussage nichts davon, dass Reif und seine Frau im Auto angegangen wurden. Ich habe noch nie jemanden zu Gewalt aufgerufen, und distanziere mich davon."

Vor allem Fingerspitzengefühl ist nun also gefragt. Damit Kommentatoren weiterhin sagen dürfen, was ihnen in den Sinn kommt, und sie nicht mit Angst ins Stadion gehen müssen. Das wäre schade und würde der Sportart, die wir alle doch so sehr lieben, nicht gerecht. Ganz gleich wie auch immer man zu Reif, Réthy oder Simon stehen mag.

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