Für Serienmacher wird es langsam schwierig, angesichts immer neuer Plattformen noch den Überblick zu behalten. Dass Netflix und Amazon sich mit eigenproduzierter Ware abheben wollen, ist gerade mal eine drei Jahre junge Entwicklung - und doch gehen die beiden Großen schon als eine Art Klassiker des Video-on-Demand-Zeitalters durch. Aber wie viele Kreative und Produzenten haben Overstock.com auf dem Schirm?

Das US-Unternehmen aus Salt Lake City ist sowas wie ein Amazon für Überkapazitäten und zu große Lagerbestände. Möbel, Textilien, Elektronik, Schmuck oder Kosmetik werden hier zu Sonderpreisen abverkauft. Mit 1,5 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2014 und 30 bis 40 Millionen Unique Usern pro Monat ist Overstock eine echte Größe im globalen E-Commerce. Und will Amazon jetzt in Sachen VoD nacheifern. Bis zur Jahresmitte soll eine Videothek mit 30.000 Titeln stehen, in zwei bis drei Jahren soll die Produktion eigener Serien starten.

 

Ist das nur Großmäuligkeit oder steckt mehr dahinter? "Wir werden Amazon Konkurrenz machen", kündigte Overstock-CEO Patrick Byrne unlängst an. "Ich glaube, der Markt will einen ernsthaften Wettbewerber zu Amazon im Vertrieb digitaler Inhalte." Man werde den starken Traffic auf der Site und die Algorithmen nutzen, um genau herauszufinden, was die Nutzer sehen wollen. Das Streaming-Angebot soll zunächst nur für Mitglieder des kostenpflichtigen Bonusprogramms "Club O" verfügbar sein, das ähnlich wie Amazon Prime Vorteile wie den Gratisversand von Overstock-Artikeln bietet.

Die Resonanz im US-Markt ist gespalten. Während manche Stimmen aus den Hollywood-Studios und -Agenturen betonen, dass jeder investitionsfreudige Käufer von Premiuminhalten willkommen ist und ernst genommen wird, gibt es auch Zweifler, die bestenfalls ein Me-too-Produkt erwarten. "In die Öffentlichkeit zu gehen und zu sagen, dass sie Amazon herausfordern wollen, lässt sie nur noch verrückter aussehen", ließ sich etwa Dan Rayburn, Analyst beim Unternehmensberater Frost & Sullivan, vom "Hollywood Reporter" zitieren. Freilich hätte es vor ein paar Jahren auch noch als verrückt gegolten, dass ein DVD-Versand oder ein E-Commerce-Anbieter Serien wie "House of Cards" oder "Transparent" produzieren würden.

Etliche Nummern kleiner ist vor zwei Wochen Snpachat ins Zeitalter der eigenproduzierten Serie aufgebrochen. Die vor allem bei jungen Smartphone-Nutzern beliebte Messaging-App - Markenzeichen: Nachrichten lösen sich nach einigen Sekunden selbst auf - zeigt nun jeden Samstag eine neue Folge von "Literally Can't Even". Autorinnen und Hauptdarstellerinnen der Fünf-Minuten-Comedy sind Sasha Spielberg und Emily Goldwyn, Töchter der Hollywood-Produzenten Steven Spielberg und John Goldwyn. Innovativ sind hier weniger die auf Peinlichkeiten des Alltags beruhenden Gags als vielmehr das gekonnte, visuell hochwertige Spiel mit Split-Screens und den Möglichkeiten des Handy-Displays.

Für jeweils 24 Stunden ist eine "Literally Can't Even"-Episode im Snap Channel auf der neuen "Discover"-Plattform abrufbar, die Snapchat Ende Januar innerhalb seiner App eingeführt hat. Dort sind auch Medienmarken wie CNN, MTV, Vice, National Geographic oder "Cosmopolitan" mit multimedial aufbereiteten News-Clips vertreten, die jeweils nach einem Tag verschwinden. Snapchat-Gründer und -CEO Evan Spiegel, dessen Unternehmen mit bis zu 20 Milliarden Dollar bewertet wird, gelingt es laut US-Analysten aktuell deutlich besser als anderen Social-Media-Plattformen, die tägliche Nutzerbindung und Verweildauer auszubauen. Übernahmeangebote von Google und Facebook hatte Spiegel abgelehnt.

"Ich glaube nicht, dass es einen Sättigungspunkt für neue Plattformen gibt", sagte Netflix-Programmchef Ted Sarandos vor wenigen Tagen bei einer Diskussion mit kalifornischen Filmhochschülern. "Ich habe auch noch nie gehört, dass sich jemand darüber beschwert, dass es zu viele gute Restaurants gibt. Jeder muss einfach nur seinen Favoriten finden." Und Ed Carrroll, COO des US-Kabelsenders AMC ("Breaking Bad", "The Walking Dead"), ergänzte auf derselben Veranstaltung: "In fünf Jahren heißt es nicht mehr 'Darüber kann man keine TV-Serie machen!' - sondern 'Irgendjemand wird diese Serie machen!'"