Es ist wieder Zeit für den charmantesten Negativ-Preis der Medienbranche: Bereits zum siebten Mal ehrt die Redaktion des Medienmagazins DWDL.de Personen, Unternehmen und Leistungen des vergangenen Jahres, die "ziemlich ui-jui-jui" waren. Hintergrund dieser seit 2008 vergebenen Auszeichnung ist eine Aussage des ehemaligen ARD-Programmdirektors Günter Struve, der einen gewagten Auftritt der Künstlerin Lady Bitch Ray in der Sendung "Schmidt & Pocher" gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mit zum Kult gereiften Worten kommentierte, diese Sendung sei "ziemlich ui-jui-jui" gewesen. In Anerkennung dieser charmanten, aber deutlichen Kritik verleiht das Medienmagazin DWDL.de den Goldenen Günter. In dieser Woche werden wir Ihnen jeden Tag einen der Gewinner vorstellen.

Der Goldene Günter© DWDL / Bulo
Der Goldene Günter 2014 in der Kategorie "Hoffnungsloser Fall des Jahres" geht an die ProSiebenSat.1-Show "Millionärswahl"

Stellen Sie sich vor, ganz Deutschland ist dazu aufgerufen, auf demokratische Weise einen Menschen zum Millionär zu machen. Für wen würden Sie sich wohl entscheiden? Einen Menschen, der sich für sauberes Trinkwasser in Entwicklungsländern einsetzt? Einen Akrobaten, der sie mit seiner Darbietung dermaßen zu Tränen rührt, dass Sie gar nicht anders können als ihm Ihre Stimme zu geben? Oder würden Sie sich doch für einen Mann entscheiden, dessen Verband sich für die Hanf-Legalisierung einsetzt? Die ProSieben-Zuschauer - oder zumindest die überschaubare Zahl derer, die sich das Finale im Internet antaten - hatten eine klare Meinung: Sie stimmen in überwiegender Zahl für den Hanf-Mann.

Es war gewissermaßen das peinliche Ende einer von Beginn an völlig verkorksten Show, deren Konzept zumindest auf dem Papier spannend klang, letztlich aber eben in keinster Weise ausgereift war. Und so dürfte den Verantwortlichen von ProSiebenSat.1 und der Produktionsfirma Brainpool vermutlich schon während oder zumindest kurz nach Ausstrahlung der ersten Folge klar gewesen sein, dass die "Millionärswahl" wohl kaum das Zeug zum nächsten TV-Hit haben würde. Bitter war das nicht zuletzt deshalb, weil die Show doch eigentlich als großes Event geplant war, das - analog zu "The Voice of Germany" - auf gleich zwei Sendern laufen sollte.

Das tat die "Millionärswahl" dann auch. Und zwar ein einziges Mal. Weil an der zweiten Folge nämlich schon nicht mal mehr eine Million Zuschauer Gefallen fanden, wurde die Show radikal verkürzt - und sollte am späten Samstagabend zu Ende gehen. Nachdem im eilig einberufenen Halbfinale, bei dem sage und schreibe 35 Kandidaten auftraten, nur noch ein Marktanteil von drei Prozent erzielt wurde, folgte die Verbannung ins Netz, wo schließlich der bereits erwähnte Hanf-Befürworter leichtes Spiel hatte und die Million absahnte. Selbst dem RTL-Flop "Rising Star", der ebenfalls erklärtermaßen auf Interaktivität setzte, zeigten die Zuschauer nicht derart die kalte Schalter wie der "Millionärswahl" - und das will schon was heißen. Dass Moderator Elton, der die Show gemeinsam mit Jeannine Michaelsen präsentierten, die Absetzung offenkundig aus dem Internet erfuhr, passt angesichts dieser beeindruckenden Flop-Parade nur allzu gut ins Bild.

Dabei mangelte es der "Millionärswahl" an großspurigen Ankündigungen im Vorfeld übrigens nicht, was den freien Fall rückblickend noch beeindruckender erscheinen lässt. "Wir sind das digitale 'Wetten, dass..?'", gab Brainpool-Chef Jörg Grabosch wenige Wochen vor dem Start des neuartigen Demokratie-Ansatzes stolz zu Protokoll. Wenn man davon ausgeht, dass im digitalen Zeitalter alles etwas schneller geht, dann hat Grabosch sicherlich recht, denn während sich der Niedergang von "Wetten, dass..?" über drei Jahrzehnte erstreckte, brauchte die "Millionärswahl" dafür gerade mal drei Wochen.

Es sei eine der Herausforderungen der Show, dass es keine redaktionelle Steuerungsmöglichkeiten gebe, sagte Grabosch über das "Millionärswahl"-Konzept - und womöglich war genau das rückblickend betrachtet einer der großen Fehler. Irgendwie schien alles möglich, aber nichts davon wollte so recht zusammenpassen. So kann vermutlich einzig und alleine der Hanf-Befürworter mit dem Verlauf dieser in allen Belangen kurios anmutenden Show zufrieden sein, schließlich dürften ihm schon eine Hand voll Kiffer gereicht haben, um die Million zu bekommen. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die deutschen Fernsehmacher durch diesen denkwürdigen Flop nicht entmutigen lassen, auch in Zukunft unkoventionelle Ideen auf die Zuschauer loszulassen - gerne auch unter der Prämisse, nicht nur die Bekifften damit glücklich zu machen.