In den USA wird es längst zelebriert, das "New Golden Age of Television". Gemeint sind damit die zahlreichen, oft ungewöhnlichen Serien, an die sich längst auch kleine Sender und neue Player wie Netflix oder Amazon beteiligen. Langsam, ganz langsam schwappt diese neue Lust auf Serien auch nach Deutschland. "Babylon Berlin", "Deutschland" oder die Verfilmung des Schirach-Bestsellers "Schuld" sind einige von gleich mehreren viel versprechenden Serien-Produktionen, die in nicht mehr allzu ferner Zukunft auf das deutsche Publikum zukommen werden. Die Lage ist also keineswegs aussichtslos.

Es sei denn, man blickt auf die Serien-Ankündigungen von ProSiebenSat.1. Dort ist schon jetzt absehbar, dass im Laufe dieser noch jungen Saison keine neue Serie mehr an den Start gehen wird. Und übrigens auch keine altbekannte. "Danni Lowinski" ging vor einigen Monaten - versteckt in den Untiefen des Sommerlochs - nach fünf Staffeln zu Ende und ob Henning Baum noch einmal in die Rolle des "Letzten Bullen" schlüpfen wird, steht zum jetzigen Zeitpunkt völlig in den Sternen, was für Sat.1 vor allem deshalb bitter ist, weil die Serie bis zuletzt einer der wenigen Quotengaranten des Senders gewesen ist. Vier Millionen Zuschauer - das schafft heutzutage kaum noch ein Format bei Sat.1.

"Mick Brisgau befindet sich momentan auf Weltreise. Ob und wann er zurückkommt, wird sich zeigen", sagt Jochen Ketschau, der bei ProSiebenSat.1 die deutschen Fiction-Produktionen verantwortet, auf Nachfrage des Medienmagazins DWDL.de. "Inzwischen arbeiten wir an der Entwicklung von weiteren Formaten mit Henning Baum." Ob es zumindest eines davon am Ende auf Sendung schaffen wird, ist ebenso unklar wie die Zukunft von "Josephine Klick". Der gleichsam mäßig erfolgreichen wie unterhaltsamen Serie mit Diana Amft in den Hauptrollen spricht Ketschau zwar "großes Potential" zu, doch eine Entscheidung über eine Fortsetzung ist noch nicht gefallen, was knapp ein halbes Jahr nach Ausstrahlung der bislang letzten Folge durchaus verwundert.

Und dann wäre da auch noch die feine Comedyserie "Pastewka". Auch hier ist - man ahnt es bereits - noch immer offen, wie es weitergeht. "Wir werden uns zeitnah mit Bastian Pastewka hinsichtlich 'Pastewka' zusammensetzen", verspricht Jochen Ketschau eineinhalb Jahre nach den Dreharbeiten der siebten Staffel, für die Sat.1 erst kürzlich einen Sendeplatz auftreiben konnte. Nichts Genaues weiß man also nicht. Es ist ein Schwebezustand, der nun schon seit geraumer Zeit anhält. Der letzte große Aufschlag im Serien-Bereich liegt bei Sat.1 inzwischen bereits über zwei Jahre zurück. Damals ließ der Sender gleich vier neue Serien produzieren, von denen drei so sehr floppten, dass man die vierte verschämt vor leeren Rängen beim Pay-TV-Anhängsel Sat.1 Emotions versendete.

Hinzu kommt, dass auch bei ProSieben eigenproduzierte Serien schon längst keine Rolle mehr spielen. "Stromberg" diente einige Jahre lang gewissermaßen als Deckmäntelchen, doch die Ausstrahlung der letzten Folge liegt mittlerweile auch schon fast drei Jahre zurück. Seither ist wenig bis nichts nachgekommen, sieht man mal von der Bully-Sitcom ab, die im vorigen Jahr jedoch vor allem dazu diente, Michael Herbigs Kinofilm anzukurbeln und nicht so sehr die Serien-Maschinerie bei ProSieben. Immerhin kündigte Senderchef Wolfgang Link im Sommer an, zwei konkrete Projekte prüfen zu wollen. "Da kann ich Autoren nur ermutigen, uns Ideen vorzustellen", sagte er im Juli im DWDL.de-Interview.

Nach der schnellen Ankündigung einer Serie klingt das aber freilich nicht. Und so befindet sich ein ganzer Fernsehkonzern derzeit in einer Art Serien-Dornröschenschlaf, dessen Ende nicht absehbar scheint. Weder ProSieben noch Sat.1 - und damit zwei der drei großen Privatsender des Landes - haben aktuell auch nur eine einzige Serie für den Rest der Saison angekündigt. "Wir haben für Sat.1 und ProSieben zahlreiche Serien-Formate in der Entwicklung", sagt Jochen Ketschau auf die Frage, wie diese Zurückhaltung auch mit Blick auf das Selbstverständnis des Konzerns als "Entertainment-Powerhouse" zu erklären ist. Es ist ein Satz, den man so oder so ähnlich schon seit Jahren aus Unterföhring hört, wenn es um neue Serien geht. Daran gemessen müsste die Serien-Pipeline längst geplatzt sein.

Stattdessen kommt nur selten etwas nach. Dabei stand doch nicht zuletzt Sat.1 in der Vergangenheit wie kaum ein Privatsender für deutsche Serien. Das ist allerdings lange her. Nun aber droht ProSiebenSat.1 von allen Seiten überholt zu werden, etwa vom Hauptkonkurrenten RTL. Der besaß in den vergangenen Jahren zwar ebenfalls kein allzu glückliches Händchen, wenn es darum ging, neue Serien zu etablieren. Immerhin scheint man sich in Köln von den Rückschlägen jedoch nicht entmutigen zu lassen und schiebt nach Flops wie "Doc meets Dorf" oder "Christine - Perfekt war gestern" in den kommenden Monaten die Adaption der nach einer Idee von Linda de Mol entstandenen niederländischen Serie "Divorce", die prominent besetzte Knastserie "Block B" oder das vielversprechende Geschichts-Projekt "Deutschland!" von Nico Hofmann nach.

Damit nicht genug: Selbst Vox oder diverse kleine Pay-TV experimentieren inzwischen im Serien-Bereich. Dabei ist es keineswegs so, als hätten ProSieben und Sat.1 keinen Platz im Programm. Jetzt, wenige Wochen vor Weihnachten und damit zu einer Zeit, in der so viele Zuschauer wie selten die Abende vor dem Fernseher verbringen, ist die Erstausstrahlungs-Dosis beider Sender erschreckend gering. Am vorigen Montag wiederholte Sat.1 den 20 Jahre alten Film-Klassiker "Forrest Gump" und den Serien-Abenden am Donnerstag und Sonntag sind schon zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison sämtliche neue Folgen ausgegangen. Ganz ähnlich ist die Lage bei ProSieben, wo "Big Bang Theory", "Simpsons" oder "Two and a half Men" bereits in den Wiederholungs-Modus übergangen sind.

"Gute Serien brauchen Zeit."
Jochen Ketschau, Senior Vice President Deutsche Fiction bei ProSiebenSat.1

Fragt man in Unterföhring nach, wieso das so ist, dann ist von "programmstrategischen Gründen" die Rede - inklusive Verweis auf eine dennoch hohe Zahl an Erstausstrahlungen. Gemeint sind damit vermutlich Shows wie "The Voice of Germany", "The Taste" und "Schlag den Raab" sowie manche Film-Premiere. All das darf von einem großen Fernsehkonzern wie ProSiebenSat.1 aber ohnehin erwartet werden. Eigenproduzierte Serien? Fehlanzeige. "Der Vorteil eines TV-Konzerns mit zwei Sendern in dieser Größe ist mit Sicherheit, dass uns die Türen bei allen wichtigen und großen Playern der deutschen Produktionsbranche offenstehen", sagt Fiction-Chef Jochen Ketschau. Bloß: Die Zuschauer spüren von diesen offenen Türen im fiktionalen Bereich seit Längerem herzlich wenig.

"Für alle Entwicklungen, an denen wir derzeit arbeiten, gilt: Gute Serien brauchen Zeit", betont Ketschau gegenüber DWDL.de und verweist auf die Erfahrungen mit dem "Letzten Bullen“ und "Danni Lowinski", für deren Entwicklung man sich "jede Menge Zeit genommen" habe. Doch welche Stoffe sucht Ketschau eigentlich? "Für alle eigenproduzierten Serien gilt die Prämisse, dass wir mutige Stoffe und keine bloße US-Kopie auf den Weg bringen wollen", sagt er. "Vor allem für Sat.1 sind wir immer auf der Suche nach Serien mit originär deutschen Hauptfiguren, Themen und Milieus. Für ProSieben wollen wir eine serielle Produktion in Kino-Qualität mit deutschen Stars als Protagonisten."

Dass die Suche nicht einfach ist, zeigt alleine schon die Tatsache, dass Sat.1 sein bislang jährlich im November veranstaltetes Fiction-Event ins kommende Jahr verschoben hat. Und so ist also weiter Geduld gefragt. "Wir werden unsere neuen Serienprojekte dann bekanntgeben, wenn alle Produktionsbedingungen stimmen - und Cast, Crew sowie Bücher unsere Erwartungen erfüllen", erklärt Jochen Ketschau, angesprochen auf seinen Fiction-Fahrplan. Bis dahin bleibt ProSiebenSat.1 ein Fernsehkonzern ohne eigene Serien-Identität. Das vermeintlich goldene Zeitalter findet so lange woanders statt.