Aufmerksam wie nie blickte die Branche zu Jahresbeginn auf den Kindermarkt. Kein Wunder, schließlich versprach der Wechsel des Disney Channels vom Pay- ins Free-TV schon alleine deshalb Spannung, weil plötzlich viele Quoten-Erfolge des Marktführers Super RTL beim Konkurrenten liefen, an dem Disney seit den 90er Jahren 50 Prozent der Anteile hält. Ohne Folgen blieb das freilich nicht: Zuletzt verlor der einstige Dauermarktführer die Spitzenposition an den öffentlich-rechtlichen Kika (DWDL.de berichtete). Unzufrieden wirkt Claude Schmit trotzdem nicht. "Wir sind von den Ereignissen dieses sehr turbulenten Jahres überrascht worden - und zwar überaus angenehm", sagt der Super-RTL-Geschäftsführer gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de und schiebt hinterher: "Wir haben in Day- und Primetime besser abgeschnitten als ursprünglich geplant."

So habe man in der Daytime wesentlich weniger Marktanteile bei den Kindern verloren als man das prognostiziert habe. "Super RTL erreicht nach wie vor mehr junge Zuschauer als die Kollegen von Nickelodeon und Disney zusammen", gibt Schmit zu bedenken - und sendet damit zugleich ein Signal an die Werbekunden. Während man bei Super RTL ursprünglich also mit größeren Verlusten rechnete, zeigen sich die Kollegen von Disney von der eigenen Stärke überrascht. "Der Start des Disney Channels hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen", gibt Lars Wagner, General Manager des Disney Channels, zu Protokoll. "Wir haben im Kinder-TV-Markt in Deutschland den erfolgreichsten Launch aller Zeiten hingelegt und die Herzen der Zuschauer im Sturm erobert." Das klingt gut, doch der Vergleich hinkt. Mit den Anfangstagen von Super RTL lässt sich der Disney Channel jedenfalls kaum vergleichen, schließlich war die Konkurrenz aus Köln anfangs gar kein typischer Kindersender - und war noch dazu in weit weniger Haushalten zu empfangen.

Marktanteile Kindersender
Kernzielgruppe 3-13 Jahre

Kindersender Marktanteile 2014© DWDL

Quelle: DWDL.de-Recherche

Aller Euphorie zum Trotz liegt der Disney Channel unter den vier großen Anbietern für Kids derzeit auf dem letzten Rang, was auch daran liegt, dass sich Viacoms Nickelodeon erstaunlich wacker schlägt. "Momentan ist es ein tägliches Kopf-an-Kopf-Rennen um den dritten Platz im Kinder-TV-Markt", sagt Wagner, der für das kommende Jahr gerade erst die Marke von zehn Prozent bei den 3- bis 13-Jährigen als Ziel ausgegeben hat (DWDL.de berichtete). Das klingt realistisch, schließlich lag Disney zuletzt bereits bei neun Prozent. "Wir sind davon überzeugt, dass die wir bei den Marktanteilen noch deutlich Potenzial nach oben haben. In der Daytime wollen wir den gesunden Wachstumstrend fortsetzen und sind optimistisch, dass wir uns dauerhaft im zweistelligen Bereich etablieren", so Wagners Wunsch.

Wachsen will der Disney Channel auch in der Primetime. Helfen sollen dabei vor allem neue Serien - und zunächst mal weniger Eigenproduktionen, mit denen man im ersten Jahr eher schlechte Erfahrungen gemacht hat. Doch hier wie dort zeigt sich, wie schwer es ist, am Abend den Wechsel von einem Programm für Kinder hin zu einem Erwachsenen-Angebot zu schaffen. Super-RTL-Chef Claude Schmit gibt sich diesbezüglich jedoch optimistisch. Die Primetime-Ratings seines Senders seien derzeit so gut wie seit vier Jahren nicht mehr. "Da ist sogar noch weiter Wachstum prognostiziert." Darauf hofft man auch bei Viacom, wo man gerade erst das Nickelodeon-Programm bis 21 Uhr ausgedehnt und im Anschluss daran die neue Nicknight-Schiene eingeführt hat. Die soll vor allem Teenager und sogenannte "Young Adults" erreichen.

Ein leichtes Unterfangen wird das kaum werden. Im ersten Monat lag der Marktanteil von Nicknight in der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen bei 1,1 Prozent - es besteht also noch reichlich Luft nach oben. Doch Milagros Aleman, Senior Vice President (SVP), General Manager Nickelodeon 
Viacom International Media Networks Northern Europe, glaubt an das Konzept und sieht sich gegenüber den Mitbewerbern durch die Ausdehnung des Programms im Vorteil. "Den dynamischen Markt des Kinderfernsehens können und wollen wir so aktiv mitgestalten", sagt sie im Gespräch mit DWDL.de. Die letzten Monate seien aus diesem Grund "sehr spannend" gewesen. Tagsüber hat es sich Nickelodeon zur Aufgabe gemacht, die jungen Zuschauer zum Lachen zu bringen. "Deshalb haben wir uns bereits im Herbst 2013 darauf konzentriert unseren Markenkern zu stärken und uns auf das fokussiert, was wir bei Nickelodeon mit 'Heart, Fart, Smart' beschreiben", sagt Aleman.

"Das bedeutet für uns, dass Spaß an erster Stelle steht - dabei geht es auch mal verrückt und überdreht zu, wir bieten unseren Zuschauern aber gleichzeitig glaubwürdige und liebenswerte Charaktere und Erzählstränge, die sie bestens und auf Augenhöhe unterhalten." Gelingen soll das etwa mit der Animationsserie "Die Brot-Piloten - Zwei Erpel liefern aus" oder neuen Live-Action Shows wie "Voll vergeistert" und "Die Thundermans". Neuen Schwung könnte auch der "SpongeBob"-Film bringen, der im kommenden Jahr in die Kinos kommen wird. Doch es ist offenbar längst nicht nur der Spaß, den Kinder im Fernsehen suchen. Das belegt derzeit der Kika, der sich nun schon zum zweiten Mal in Folge die Marktführerschaft sicherte. "Im Gegensatz zu den privaten Sendern, die auf Animation und Fiktion setzen, haben wir im September mit Magazinen, Dokumentationen und unserem Schwerpunkt zu den Kinderrechten gepunktet", freut sich Kika-Programmgeschäftsführer Michael Stumpf im Gespräch mit DWDL.de. So habe "logo! extra: Der Kinderrechte-Check" beispielsweise über 30 Prozent Marktanteil geholt.

Letztlich sei die Lage auf dem Kindermarkt aber so ähnlich, wie man das zu Jahresbeginn erwartet habe, betont Stumpf. "Dass wir am wenigsten unter der stärker gewordenen Konkurrenz zu leiden haben, zeigt auch, dass das öffentlich-rechtliche und das private Kinderfernsehen zu Teilen zwei verschiedene Paar Schuhe sind und durchaus unterschiedliche Zielgruppen ansprechen." Es gehe dem Kika letztlich "nicht so sehr um die Marktführerschaft", so Stumpf. "Wir freuen uns, wenn wir relevant sind und die Qualität stimmt. Aber natürlich freuen wir uns umso mehr, wenn wir mit genau diesem Angebot in der Gunst der Zuschauer vor den Angeboten der privaten Anbieter liegen." Mit großen Veränderungen rechnet der Kika-Chef vorerst nicht mehr. "Es zeigt sich, dass wir auf dem Kindermarkt zwei Große und zwei Kleine haben, die sich immer wieder um die Platzierung rangeln."

Bei Super RTL scheint man sich bereits damit abgefunden zu haben, nach Jahren der Marktführerschaft nicht mehr unangefochten an der Spitze zu stehen. Das ist auch deshalb verkraftbar, weil es finanziell nach wie vor gut läuft. "In Sachen Umsatz haben wir in der Daytime weniger als die Hälfte dessen eingebüßt, was wir prognostiziert hatten", sagt Super-RTL-Geschäftsführer Claude Schmit. "Auch für die Primetime hatten wir vorsichtshalber ein kleines Minus vorgesehen. Das ist aber gar nicht eingetreten."

Nur Gewinner trotz härterer Konkurrenz? Diesen Eindruck kann man tatsächlich erhalten, wenn man in diesen Tagen mit den Verantwortlichen von Deutschlands großen Kindersendern spricht. Und tatsächlich ist dieser Eindruck auch gar nicht so verkehrt, auch wenn kaum davon auszugehen ist, dass sich Disney auf Dauer mit Nickelodeon um den dritten Platz streiten möchte. Erfreulich und zugleich überraschend ist die Tatsache, dass der Kinderfernsehmarkt durch den Start des Disney Channels gewachsen ist - eine Entwicklung, von der nun alle Sender profitieren. "Heute sehen fast 60 Prozent der Zielgruppe Kinder-TV, mehr als je zuvor", freut sich Schmit, der seinen Sender mit Blick auf die härtere Konkurrenz aber schon mal vorsichtshalber schlanker aufgestellt hat. Die Kosten wurden - auch durch Entlassungen reduziert. Schmit: "Das zeigt schon jetzt schöne Ergebnisse, so dass wir wieder unter anderem, wenn notwendig, auch in Personal investieren können."

Beim Disney Channel steht in den kommenden Wochen derweil eine Bestandsaufnahme an. "Im ersten Jahr unseres Bestehens befinden uns in einer Optimierungsphase, in der wir unsere Quoten sehr genau analysieren und die so gewonnenen Erkenntnisse in die weitere Gestaltung unseres Programms einfließen lassen", betont Lars Wagner, der einerseits ins Programm investieren möchte, andererseits aber auch die Bekanntheit steigern möchte. Helfen soll dabei eine Marketingkampagnen, die gerade etwa auf den Sendern der ProSiebenSat.1-Gruppe läuft. Der Fokus liegt darin auf der Primetime, wo man etwa "Wall-E" oder die BBC-Comedy "Miranda" zeigen wird. Claude Schmit von Super RTL betont derweil mit Blick auf die Partnerschaft mit Dreamworks, man sei programmlich "bestens ausgestattet". An Bewegung wird es dem Kinderfernsehmarkt somit also voraussichtlich auch im kommenden Jahr nicht mangeln. Gut für die jungen Zuschauer, die umworben werden wie noch nie.