Über Jahre hinweg wurde RTL von Erfolgen regelrecht verwöhnt, doch zuletzt musste der Kölner Marktführer deutliche Quoten-Rückgänge hinnehmen. In der vergangenen Saison gelang es nicht, diesen Trend zu stoppen - mit Ausnahme des Januars, der von den Rekordwerten des Dschungelcamps profitierte, gelang es RTL meist nicht mal im Ansatz, an den Vorjahreswerten zu schnuppern. Zwischenzeitlich belief sich der Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen nur noch auf etwas mehr als 13 Prozent. Das ist - Fragmentierung hin oder her - ohne Zweifel zu wenig für die Ansprüche des Senders. Eine verlorene Saison war die zurückliegende aber trotzdem nicht.
Zu einem guten Teil sind die rückläufigen Quoten nämlich auf die massiv schwächelnden Scripted Realitys am Nachmittag zurückzuführen, deren Dosis Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann mit Beginn der kommenden Saison reduzieren möchte. Ob die geplanten Neustarts fruchten werden, steht freilich auf einem anderen Blatt, doch die Abkehr von den teils fast peinlichen Formaten könnte sich alleine schon aus Imagegründen lohnen. Lange Zeit hat sich RTL um sein Ansehen wenig gekümmert. Unter Hoffmann ist das offenkundig anders, wie sich nicht nur in der Daytime beobachten lässt. Dass es ein Format wie "Team Wallraff" war, das bei RTL am meisten von dieser Saison in Erinnerung bleibt, ist ein Beleg für den schrittweisen Kurswechsel, der aktuell in Deutz vollzogen wird.
Insbesondere beim "Team Wallraff" wurde RTL dafür schon mal belohnt. Dass sich der Sender zwei Stunden lang zur besten Sendezeit dem Thema Pflege widmete, den Hygiene-Skandal bei Burger King ins Rollen brachte und dafür auch noch gute Quoten einfuhr, dürfte Hoffmann darin bestärken, den Weg weiter zu beschreiten. Auch das "Jenke-Experiment" passt gut in diese Reihe. Das vor einem Jahr ausgegebene Versprechen, RTL stärker journalistisch positionieren zu wollen, wurde jedenfalls gehalten. Dass nicht alle Versuche funktionieren können, versteht sich jedoch von selbst. Als völligen Flop musste beispielsweise im Winter das Wochenendmagazin "sonntags.live" abgehakt werden. Nachdem die Zuschauerzahlen hoffnungslos schlecht waren, zog RTL schon nach wenigen Folgen die Notbremse.
Dass bei RTL ein Umdenken stattgefunden hat, zeigte sich in der vergangenen Saison aber nicht nur im Bereich der Information. Im Unterhaltungsbereich wurden die Schrauben an gleich mehreren Stellen zurückgedreht. Beim "Supertalent" wird inzwischen fast komplett darauf verzichtet, die Auftritte der Kandidaten mit lächerlichen Effekten zu versehen - und selbst Dieter Bohlen gibt plötzlich den lieben Onkel. Den Quoten half's: Zwischenzeitlich gelang es sogar, die Marke von 30 Prozent Marktanteil zu knacken. Bei "Deutschland sucht den Superstar" konnte der Abwärtstrend dagegen nicht gestoppt werden, doch auch hier hat man inzwischen dankenswerterweise die "Fickfrosch"-Irrwege verlassen. Eine ernstzunehmende Castingshow dürfte "DSDS" aber trotz allem kaum noch werden. Hier ruhen die Hoffnungen vermutlich eher auf "Rising Star".
Und auch sonst zeigt sich die veränderte Haltung von RTL: Die Gottschalk-Jauch-Show "Die 2" erwies sich trotz konzeptioneller Schwächen als solide Familienunterhaltung und auch "Gottschalks großes Klassentreffen" war ein durchaus ehrenwerter Versuch. Letzteres tat sich allerdings ebenso schwer wie die Spielshow "Unschlagbar" und die inzwischen abgesetzte Pocher-Show "Alle auf den Kleinen". Auch "Wer wird Millionär?" war in den vergangenen Monaten vor allem mit Blick aufs junge Publikum keine sichere Bank mehr für RTL, sofern man sich nicht gerade an Specials versuchte. Kein Wunder also, dass der Quiz-Klassiker mittlerweile mit deutlich verringerter Schlagzahl im Programm vertreten ist. Als Quoten-Erfolge können derweil "Mario Barth deckt auf" und der Wochenrückblick von Kaya Yanar gewertet werden.
Über weite Strecken glücklos blieb RTL im Fiction-Bereich, wo man sich mit dem "Helden"-Epos noch dazu ziemlich lächerlich machte. Anders als Sat.1, wo man mit "Josephine Klick" in der vergangenen Saison gerade mal eine neue Serie an den Start brachte, hat RTL im Serien-Bereich aber zumindest noch nicht gänzlich kapituliert. Alleine die Austauschbarkeit von Serien wie "Doc meets Dorf", "Sekretärinnen - Überleben von 9 bis 5" oder "Der Knastarzt" kann man den Kölnern vorwerfen. Immerhin dürfte inzwischen aber die Erkenntnis gereift sein, dass man von derart belanglosen Stoffen lieber die Finger lassen sollte, weil sich das Publikum damit nicht hinter dem Ofen hervorlocken lässt. Auf der Haben-Seite kann RTL zumindest die Neuauflage von "Der Lehrer" für sich verbuchen. Hier täte man gut daran, mit der Fortsetzung nicht mehr so lange zu warten wie zuletzt.
Die Saison war also schon alleine deshalb nicht verloren, weil RTL an mehreren Stellen Neues wagte und dadurch zumindest wichtige Erkenntnisse sammeln konnte. Nun gilt es, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Um die Abwärtsspirale zu stoppen, hat man ab der kommenden Saison aber zumindest die Fußball-Nationalmannschaft in der Hinterhand. Das ist auch hinsichtlich der schwächelnden Formel 1 und des nahenden Endes der Klitschko-Ära ganz sicher eine wichtige Investition.