Der Juni 2014 wird für Sat.1 der 25. Monat in Folge mit einem Marktanteil von weniger als 10 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen werden. Es herrscht aus Quotensicht bei Sat.1 Stagnation. Das heißt immerhin, dass es derzeit auch nicht weiter bergab geht. Doch auch wenn alle großen Sender mit der vielzitierten Fragmentierung zu kämpfen haben: Das sollte nicht das Niveau sein, mit dem man sich bei Sat.1 zufrieden geben kann.
Dabei gelang es Senderchef Nicolas Paalzow immerhin, eine große Baustelle in der letzten Saison zu schließen: Den Nachmittag. Mit Formaten wie „Auf Streife“, „Im Namen der Gerechtigkeit“ und „Anwälte im Einsatz“ hat man zwar nicht unbedingt große Quotenhits gefunden, doch verlässlich ordentliche Marktanteile sorgen an dieser Front für Ruhe – die dringend nötig scheint, etwa um sich endlich dem Vorabend zu widmen. Die Doppelfolgen von „Navy CIS“, die Sat.1 dort eigentlich mal als kurzfristige Notlösung für den Übergang präsentiert hat, feiern an diesem Mittwoch erschreckenderweise ihr einjähriges Programmjubliäum. Und zwar ohne, dass man in diesem Jahr auch nur einen Test eines neuen Formates gewagt hätte. Man hört von vielen Projekten in Entwicklung, auch „Utopia“ steht noch vor der Tür und wird bei täglicher Ausstrahlung wohl am Vorabend landen. Doch die Saison 2013/14 war für Sat.1 in diesem Bereich eine verlorene Saison.
Und der Vorabend ist längst nicht der einzige Sendeplatz, auf dem es nach außen hin so scheint, als fehle es Sat.1 schlicht an einem: An Programm. Nehmen wir die eigenproduzierten Serien, einst mal ein Aushängeschild von Sat.1. Von den letzten 365 Abenden gab es genau acht, an denen eigenproduzierte Serien in Erstausstrahlung zu sehen waren. (Hinweis: Zunächst hatten wir hier eine "Pastewka"-Folge unterschlagen) Das lag unter anderem daran, dass „Danni Lowinski“ und „Pastewka“ - abgesehen vom Weihnachtsspecial - über eine Saison pausiert haben, aber vor allem zeigt es: Es gibt viel zu wenig Nachschub. Mit „Josephine Klick“ hat man nur eine einzige neue Serie mit ganzen sechs Folgen an den Start gebracht, die – mit Unterstützung des „Letzten Bullen“ - halbwegs solide lief. Aber hey: Es gibt ein ganzes Jahr Programm zu füllen! Ja, Serienproduktion ist teuer, doch gerade in Zeiten von Fragmentierung, VoD & Co gilt es doch, mit eigenem Programm, das es nirgends anders gibt, aufzufallen. In Amerika haben das selbst Kleinstsender erkannt, in Deutschland hapert es schon bei den Großen.
Weil Eigenproduktionen fehlen, ist Sat.1 inzwischen dazu übergegangen, mit dem Montag in Teilen des Jahres einen dritten Abend mit US-Serien zu bespielen. Auch da stößt der Sender aber an seine Grenzen. Es zeigt sich, dass viele Serien zwar im Schlepptau von „Navy CIS“ am Sonntag oder „Criminal Minds“ am Donnerstagabend funktionieren, auf sich allein gestellt aber zu schwach sind, um einen weiteren Serienabend zu begründen. Weil nun aber mehr Fläche zu bestücken ist, ist der Wiederholungsanteil auf den etablierten Sendeplätzen sonntags und donnerstags noch höher. „Criminal Minds“ etwa läuft fast ganzjährig inzwischen im Dreierpack, obwohl gerade mal 22 neue Folgen pro Jahr zur Verfügung stehen. Das funktioniert aus Quotensicht noch erstaunlich gut. Fraglich ist nur, ob das nicht etwas kurzfristig gedacht ist und man durch die heftige Frequenz – die Serie füllt gerne auch noch zusätzlich sonntags Lücken – die Serie nicht allzu schnell abgenutzt hat.
Zu wenig Programm – das Problem zeigt sich nicht nur bei fiktionalen Serien, sondern auch im Bereich der Dokusoaps. Im fast schon hoffnungslos anmutenden Versuch, am Mittwochabend gegen die immer stärker werdende Fußball-Konkurrenz damit zu bestehen, hat man den ebenso wichtigen Sonntagvorabend sträflich vernachlässigt und zeigt dort mal Wiederholungen vom Mittwoch, mal Filme. Eine eigenartige Strategie für einen Sendeplatz, der andernorts angesichts der enorm hohen Zuschauerzahlen als achter Primetime-Platz gewertet wird. „The Biggest Loser“, eigentlich eine starke Programm-Marke, hat man mit dieser Doppelstrategie beispielsweise deutlich geschadet.
Viele Erfolge konnte Sat.1 in diesem Bereich jedenfalls nicht feiern, ob Stalking, Mobbing oder Kuppelei – das Publikum zeigte Sat.1 meist die kalte Schulter. Neu für sich entdeckt hat Sat.1 das Thema Kochen und Backen. „Das große Backen“ erwies sich dabei im Advent als schöner Erfolg. „The Taste“ hatte es mittwochs nicht ganz leicht, lief aber besser als fast alles andere sonst auf diesem Sendeplatz und stand Sat.1 gut zu Gesicht. An „Hell's Kitchen“ verbrannte sich Sat.1 wie zuvor schon RTL hingegen die Finger. Trotzdem: Das Koch-Genre bei Sat.1 platziert zu haben, kann sich der Sender auf der Haben-Seite anrechnen.
Im Bereich Show kann man sich mit „The Voice“, „The Voice Kids“ und inzwischen auch mit der Tanzshow „Got to Dance“ schmücken. Weil man sich zwei der Shows allerdings mit ProSieben teilen muss, reicht auch das nicht, um ein ganzes Jahr zu überstehen. Die Träume, mit der "Millionärswahl" das "digitale 'Wetten, dass..?'" zu erschaffen, sind allzu schnell zerplatzt. Woran es bislang fehlt, sind kleinere Formate abseits der großen Reihen. Von „Bezaubernde Cindy“ gab es nur sechs Episoden und auch sonst wusste man mit der im vergangenen Jahr groß als Neuzugang vorgestellten Cindy aus Marzahn bislang erstaunlich wenig anzufangen.
Doch bekanntlich wartet im Sommer nun noch eine kleine Show-Offensive, teils mit einst mangels Erfolg schonmal abgesetzten Formaten wie „Deal or no Deal“ oder „Die perfekte Minute“. Man darf gespannt sein, ob das Publikum das doch noch einmal sehen will. Doch immerhin: Hier tut sich einiges. Dazu kommt, dass man mit „Promi-Big-Brother“ auch ein Event geschaffen hat – das nach fulminantem Auftakt nicht ganz nach Maß lief, das aber zumindest zeigte, dass auch Sat.1 von sich aus noch in der Lage ist, über 20 Prozent Marktanteil zu generieren. Das wird man in diesem Jahr zu wiederholen versuchen und wird für diese voraussichtlich zwei Wochen wieder mehr Geld als gewohnt in die Hand nehmen. Auch „Utopia“ wird man sich einiges kosten lassen, bei Shows wie „The Voice“ spart man ebenfalls nicht.
Dass Sat.1 sonst jedoch häufig den Eindruck eines Senders auf Sparflamme macht, illustriert auch unser monatlich erhobener „Frische-Index“: In den ersten fünf Monaten des Jahres lag der Anteil an Erstausstrahlungen oder Free-TV-Premieren im Sat.1-Abendprogramm zwischen 20:15 Uhr und 0 Uhr bei weniger als 45 Prozent, mehr als die Hälfte der Zeit überbrückt man also mit Wiederholungen. Im April waren es gar mehr als zwei Drittel. „Zu wenig Programm“ scheint also nicht nur ein unbegründetes Gefühl zu sein. Bleibt nur die Hoffnung, dass man beim von Rekordgewinn zu Rekordgewinn eilenden ProSiebenSat.1 bei allem Verständnis für wirtschaftliche Zwänge nicht vergisst: Grundlage ist immer noch ein funktionierendes Programm. Vielleicht muss man dafür mal wieder etwas tiefer in die Tasche greifen. An guten Ansätzen mangelt es Sat.1 nämlich nicht - sie reichten zuletzt nur nicht für ein ganzes Fernsehjahr.