International dominieren seit Jahren zwei Marken den Markt des Kinderfernsehens: Disney und Nickelodeon. Gerade Disney präsentiert durch diverse Zukäufe in den vergangenen Jahren - Pixar, Marvel, Lucas Film - inzwischen ein beeindruckendes Portfolio an Marken, das längst weit über beschauliches Kinderfernsehen, für das Disney einst so berühmt war, hinaus geht. Zurück in Deutschland aber, und das macht das deutsche Kinderfernsehen im internationalen Vergleich so besonders, spielen die beiden weltweit größten Geigen in diesem Segment eher leise. Super RTL und der öffentlich-rechtliche Kika zeigen Nickelodeon und dem neuen Disney Channel nicht nur die Rücklichter - sie spielen mit Marktanteilen knapp über bzw. unter 20 Prozent bei den Kindern (3-13 Jahren) in einer eigenen Liga. Marktführer Super RTL allein erreicht beispielsweise mehr Zuschauer als Nickelodeon und Disney zusammen.



Während Disney mit seinen Töchtern im großen Ganzen also auch bei den LA Screenings wieder mit schlüssiger Strategie neue Ufer ansteuert, ist man in Deutschland mit seinem FreeTV-Angebot weiterhin der Underdog. Eine ungewohnte Rolle für einen Weltkonzern, der sonst anderes gewöhnt ist. Das liegt vielleicht auch daran, dass Disney im Angebot insgesamt erwachsener geworden ist. Die klassische Animation scheint auf dem Expansionsweg an Bedeutung verloren zu haben. Live-Action, also Serien mit Schauspielern, waren zuletzt Disneys Spezialität im Kinder-Segment. Die klaffende Zeichentrick-Lücke will auf dem deutschen Markt Super RTL füllen und setzt deswegen auf eine neue Programmstrategie. Das klar benannte Ziel: Klassiker zurück auf den Bildschirm zu bringen, mal in Original, mal als modernes Remake. Und die, so die Botschaft von Super-RTL-Geschäftsführer Claude Schmit, gibt es nicht nur bei Disney. Verdeutlicht wird das durch die jüngsten Programmdeals, die der Kölner Familiensender in Hollywood eingetütet hat.

So baut Super RTL den erst im vergangenen Jahr geschlossenen Vertrag mit Dreamworks Animation weiter aus und verdoppelt das von dort zugelieferte Programm-Volumen um fünf weitere Serien-Projekte. Die nächsten Serien aus diesem Deal, die schon in der kommenden TV-Saison bei Super RTL laufen werden, sind „Der gestiefelte Kater“, eine Serie rund um den ursprünglich durch die Filmreihe „Shrek“ bekanntgewordenen Charakters, sowie die auf der gleichnamigen „Madagascar“-Figur basierende Serie „King Julien“. Angesichts einer fehlenden Gesamtstrategie von Warner Bros im Bereich der Animation ist Dreamworks Animation längst zum schärfsten Konkurrenten von Disney in diesem Bereich aufgestiegen. Von Warner holte sich Super RTL nur selektiv die Original-Klassiker „Scooby Doo“ und „Tom & Jerry“ und ist mit der Performance der beiden Serien sehr zufrieden. Das Cherrypicking geht weiter: Der Sender hat sich auch Neuauflagen von „Calimero“ und „Inspector Gadget“ gesichert.

Remakes bekannter Kinderprogramme sind einer der großen Trends im Kinderfernsehen. Dahinter steckt Risiko-Minimierung, aber nicht nur, weil Klassiker eine Erfolgsgeschichte vorweisen können. Ganz wesentlich ist es auch der Tatsache geschuldet, dass Kinderfernsehen immer häufiger für Eltern gemacht wird - die nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Marktteilnehmer genauer als früher darauf achten, was ihre Kinder eigentlich gucken. Ein Wiedersehen mit bekannten Figuren ist da hilfreich. Dazu passt auch, dass Super RTL für 2015 bereits die Rechte an einem Remake von „Alvin & the Chipmunks“ erworben hat. 104 Folgen von „Alvinnn!!!“, so der Titel der neuen Serie, sind derzeit in Arbeit. Produziert wird die Serie von Ross Bagdasarian Jr, dem Sohn des Erfinders von „Alvin & the Chipmunks“ und seiner Frau Janice Karman. Im kaliornischen Montecito, nahe Santa Barbara, mit genügend Abstand zu Hollywood und mit Blick auf den Pazifik, produziert das Ehepaar zusammen mit seinen beiden Kindern Teile der Serie im Keller des Familien-Anwesens.

Größer könnte der Kontrast zu den großen Playern wie u.a. Disney gar nicht sein. Er hätte schon oft verkaufen können, erzählt Ross Bagdasarian Jr bei einem Besuch auf seinem Anwesen. Doch er wollte einfach nicht. Ihm und seiner Frau seien die Chipmunks einfach ans Herz gewachsen. „Sie sind wie Geschwister“, wirft die leibliche Tochter bei dem Gespräch ein und man weiß nicht ganz ob das nun lustig oder besorgniserregend sein sollte. Der Wunsch zu kontrollieren - die Bagdasarians teilen diesen mit Super RTL und Disney. Der große Weltkonzern hat sich in Deutschland mehr Präsenz gewünscht, um die Marke und sein Merchandising besser platzieren zu können. Man trifft bei den LA Screenings einen bestens gelaunten Lars Wagner, General Manager des jetzt frei empfangbaren Familiensenders. „Ich könnte nicht glücklicher sein“, gibt er zu Protokoll. Wenige Monate nach dem Start kratzt sein Sender bereits an der Marktanteilsgrenze von 10 Prozent bei den 3- bis 13-Jährigen. Nicht einmal die Hälfte hatten selbst optimistische Beobachter für die ersten Monaten vorhergesagt.

Spannend werden ohnehin die kommenden zwölf Monate, wenn sich das Programm einspielt, die ersten Highlights zum Sendestart versendet sind und das Regelprogramm sich beweisen muss. Helfen sollen dabei deutlich mehr deutsche, non-fiktionale Eigenproduktionen. Der Disney Channel befindet sich dazu derzeit in Gesprächen mit zahlreichen Produzenten. Und auch Disney kauft über die Programmversorgung aus dem eigenen Haus hinaus ein. Kein Wunder also, dass die Einkaufspreise für Kinderprogramme steigen. Das nimmt Super RTL gerne in Kauf, weil man dort mehr Kontrolle übers Programm feiert seitdem nicht mehr alles von Disney abgenommen werden muss. Frühzeitig wurde dieser Verlust durch einen Mix aus Eigenproduktionen im Bereich Wissen, Cherrypicking neuer Ware von u.a. Dreamworks sowie dem gezielten Einkauf von Klassikern ausgeglichen. Weit weniger angespannt als im vergangenen Jahr berichtet Geschäftsführer Claude Schmit in diesen Tagen, dass trotz zusätzlichem Wettbewerb durch den eigenen Gesellschafter der Umsatz des Kölner Familiensenders in den ersten Monaten des Jahres 2014 rund drei Prozent über dem Vorjahres-Level liegt.

Ein im vergangenen Jahr eingeleiteter Sparkurses bei Super RTL, der den Sender fit machen sollte für stürmischere Zeiten angesichts des neuen Disney Channel, hat sich offenbar ausgezahlt. Die Umsatzrendite liegt im jetzt härteren Wettbewerb weiterhin bei knapp 25 Prozent, erklärt Schmit. Es sind Werte von denen andere Medienunternehmen träumen. Doch wer verliert durch die Reichweite, die der neue Disney Channel bei den Kindern generiert? In erster Linie nicht die Kindersender. Zwar muss Nickelodeon um seinen Platz 3 im deutschen Kinderfernsehmarkt kämpfen und auch der öffentlich-rechtliche Kika hat nach starkem Jahresanfang Federn lassen müssen, doch die spannende Nachricht ist eine andere: Die vier frei emfangbaren relevanten Kindersender erreichen zusammen rund 60 Prozent Marktanteil bei den 3- bis 13-Jährigen - so viel wie noch nie. Es sind nicht unerheblich RTL und ProSieben die, ohnehin ohne explizites Kinderprogramm, Reichweite bei den ganz jungen Zuschauern an die Kindersender verloren haben.

Das Jahr 2014 mit dem spannenden Duell zwischen zwei verwandten Konkurrenten kennt bis dato fast nur Gewinner. Der Disney Channel ist stärker gestartet als gedacht, das Geschäft bei Super RTL wächst trotz neuer Konkurrenz, die Kinder haben ein breiteres, explizit auf sie zugeschnittenes  Programmangebot und in und um Hollywood reibt man sich die Hände: Ein intensiverer Kampf um attraktive Programme treibt die Preise in die Höhe.