Persönlich anwesend war er nicht - und doch schien es, als sei Marcus Wolter auf dem Panel zum Thema "Superstar = Super-Show?" bei den Medientagen München quasi omnipräsent gewesen. Der Endemol-Chef musste kurzfristig passen, nachdem sich am Abend zuvor bei der "Nacht der Medien" etwas ereignete, was Komik und Tragik vereint: Ein Besucher der Abendveranstaltung fiel von einer Brüstung auf Endemol-Chef Wolter. Spannend wäre sein Auftritt in der Runde schon alleine deshalb gewesen, weil sich die Macher von "Promi Big Brother" nach der in vielerlei Hinsicht enttäuschend verlaufenen Staffel bislang eher still verhielten. Lebhaft wurde die Diskussion aber auch ohne Wolter. Dafür sorgte schon alleine Jan Böhmermann, der das Format genüsslich auseinandernahm. "Das war eines der am spektakulärsten gescheiterten Formate, die ich jemals gesehen habe", gab dieser zu Protokoll.
Das Dschungelcamp sehe man, weil sich die Prominenten lächerlich machen. "'Promi Big Brother' habe ich allerdings geschaut, weil ich sehen wollte, wie sich die Produktion lächerlich macht", ätzte Böhmermann. Dass man David Hasselhoff zum Kandidaten machte, obwohl der überhaupt kein Deutsch spreche, sei ein Fehler gewesen. Und das spätere Engagement von Pamela Anderson bezeichnete Böhmermann gar als "durchsichtiges Manöver", mit dem man die bestehende Medienkompetenz der Zuschauer "komplett ignoriert" habe. So etwas habe womöglich noch Ende der 90er Jahre funktioniert - heute aber eben nicht mehr. Starker Tobak, den Karl König, Geschäftsführer und COO von ProSiebenSat.1 TV Deutschland, nicht auf sich sitzen lassen wollte. Von der Performance her sei die Show "völlig in Ordnung" gewesen, sagte König und betonte, diesem Thema auf dem Panel nicht zu viel Zeit widmen zu wollen.
Doch das blieb ein frommer Wunsch. Dass man auch bei ProSiebenSat.1 nicht zufrieden war, räumte er später doch noch ein: "Wir lernen und versuchen es beim nächsten Mal besser zu machen." In diesem Zusammenhang bezog König sich ausgerechnet auf Böhmermann, der zu Beginn der Runde gesagt hatte, dass Scheitern eben auch zum Geschäft gehöre. Böhmermann fühlte sich jedoch missverstanden. "Das war auf Newcomer bezogen", konterte er schnell und erntete dafür reichlich Applaus. Unrecht hatte er nicht, schließlich ist "Big Brother" kein neues Format für Endemol. Die zahlreichen handwerklichen Fehler wären also durchaus vermeidbar gewesen. "Ganz klassisches Produzentenversagen" attestierte Böhmermann - und bekam Unterstützung von der ehemaligen Sat.1-Chefredakteurin Tanja Deuerling, die inzwischen als Beraterin arbeitet.
Durch "fehlende kreative Routine" sei bei "Promi Big Brother" viel Geld versenkt worden, sagte sie und merkte an, wie viele schöne Dinge man stattdessen hätte produzieren können. Dass Konzernboss Thomas Ebeling dem Vernehmen nach bei "Promi Big Brother" auch noch sein Regie-Debüt gegeben haben soll, wie DWDL.de-Chefreporter Torsten Zarges, der das Panel moderierte, erzählte, passt da nur allzu gut ins Bild. Und auch ZDF-Unterhaltungschef Oliver Fuchs fand keine lobenden Worte für die Umsetzung von "Promi Big Brother", wenngleich er den Kollegen zugestand, mit dem Start der Show grundsätzlich die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die anfangs hohen Quoten hätten schließlich gezeigt, dass das Publikum an der Show grundsätzlich interessiert gewesen sei.
"Die Leute haben abgeschaltet, aber sie haben es nicht übers Herz gebracht, weil es eine Katastrophe war", so das Urteil des ZDF-Mannes, der seit einem Jahr auf dem Lerchenberg arbeitet. Er selbst will sich nun im Unterhaltungsbereich stärker international orientieren und kündigte eine kreative Allianz an, die über die Grenzen hinausgehe - mit einer amerikanischen Firma habe man bereits einen Vertrag unterzeichnet, sagte Fuchs, der mit Kerners "Zeitreise-Show" nun aber erst mal "solides Fernsehen" machen will. Innovativ sei das ZDF vor allem an den Rändern, gab der Unterhaltungschef zu. Nicht zuletzt mit Neuzugang Christian Rach wolle man im kommenden Jahr jedoch neue Wege gehen. Mit Blick auf Kritik an den angeblich wenig kreativen Sendern, brachte er aber auch seinen Unmut über die Produzenten zum Ausdruck. Seit seinem Amtsantritt sei ihm eine Neuauflage der "Hitparade" gleich 17 Mal angeboten worden. "Das ist ein bisschen wenig", ärgerte sich Fuchs.
Dass er nun erst mal auf Johannes B. Kerner setzt, hänge auch damit zusammen, dass der ZDF-Rückkehrer ein "Grundrauschen" erzeugen könne. "Bei Böhmermann machen die Zuschauer eher die Tür zu", betonte Fuchs, woraufhin der Angesprochene erwiderte, die Zuschauer hätten wohl Angst, dass er ihnen auf den Teppich kotze. Und so scheint die Zeit für Böhmermann und seine jungen Kollegen im Hauptprogramm schlicht noch nicht reif zu sein. "Wir werden sicherlich neue Köpfe ausprobieren", versprach Oliver Fuchs, fügte dann aber fast schon kleinlaut hinzu: "Aber nicht jetzt." Doch um das ZDF ging es bei der Diskussionsrunde auf den Medientagen trotz der Anwesenheit des Unterhaltungschefs nur bedingt. Immer wieder musste sich vor allem ProSiebenSat.1-Mann Karl König verteidigen.
Auf die Frage, warum seine Gruppe derzeit so viele internationale Adaptionen wie nie zuvor auf den Schirm bringe, wollte König den Blick auf die "vielen Innovationen" lenken, nannte mit "Galileo Big Pictures" dann aber doch kein ganz taufrisches Format. "Das ist schon drei Jahre her", erwiderte Deuerling. Und dann teilte die ehemalige Sat.1-Chefredakteurin noch weiter aus: "Es gibt nicht so viele Entwicklungen", stellte sie klar und kritisierte, dass nicht zuletzt in der Daytime viele Formate "so lange ausgebeutet werden", bis diese "ganz unten" seien. Große Dinge würden vor allem im Ausland gesucht. Dort sei "The Voice" zwei Jahre lang entwickelt worden. "Das macht hier kein Mensch - und das ist schade", betonte Deuerling. Ihr Appell, mehr Zeit in die Formatentwicklung zu stecken, wurde zwar erhört, wird am Ende aber kaum zu einem Umdenken führen.
Karl König konnte derweil selbst mit dem Versuch, "Circus HalliGalli" als Beispiel für Innovation in den Ring zu werfen, nicht punkten. Jan Böhmermann erzählte von einem Gespräch mit Klaas Heufer-Umlauf, in dem dieser gescherzt habe, seit vier Jahren im Grunde die gleiche Show zu machen - "nur unter anderem Titel". So gesehen ist also auch die zu Recht hochgelobte "HalliGalli"-Manege kaum eine ProSiebenSat.1-Innovation. Einig waren sich die Teilnehmer der erfrischenderweise angeregten Diskussion jedoch darin, dass Fernsehmacher stärker auf ihr Bauchgefühl hören sollten. "Die Marktforschung ist hilfreich, aber Bauchgefühl und Erfahrung sind das erste, worauf man sich verlassen muss", sagte Böhmermann, dessen neues Projekt - das "Neo-Magazin" - nun in den Startlöchern steht. Bleibt abzuwarten, ob ihn sein Bauchgefühl nicht im Stich gelassen hat.