Nicht ohne Grund: Mit Formaten wie dem "Vorkoster" oder dem kürzlich erfolgreich gestarteten Format "Könnes kämpft" gelingt der Markentransfer in die Primetime. "Das sind dann auch die Formate, mit denen wir jüngere Zuschauer erreichen", so Hannover. Ankerpunkt bleibt jedoch die "Servicezeit" am Vorabend, die vor allem bekömmlich daherkommen soll. Gaensel: "Wir können den Zuschauern die Informationen, die unser Meinung nach wichtig sind, nicht mit dem Vorschlaghammer einbläuen - dafür fehlt um 18:20 Uhr die Akzeptanz, wenn gerade gebügelt oder das Abendbrot gegessen wird." Stattdessen will man die Informationen "etwas geschmeidiger" in Geschichten einbinden. Ein Konzept, das offensichtlich ankommt.
Im nun zu Ende gehenden Jahr 2012 war die "Servicezeit" so erfolgreich wie nie in ihrer 15-jährigen Geschichte - was vermutlich auch darauf zurückzuführen ist, dass man nicht mehr jeden Tag einem Thema unterstellt. "Die Umstellung von thematischen Tagesfarben auf ein tägliches Verbrauchermagazin war umstritten, aber inzwischen hat sich gezeigt, dass wir richtig liegen", sagt Hannover mit Blick auf die gestiegenen Quoten. Und ihr Kollege Jörg Gaensel ergänzt: "Wir sind auch deshalb erfolgreicher, weil wir die Tagesbefindlichkeit der Zuschauer stärker berücksichtigen. Stellen Sie sich vor, die Schweinegrippe bricht aus, wir können aber nicht berichten, weil keine 'Servicezeit Gesundheit' auf dem Programm steht, sondern 'Wohnen und Garten'. Mit unserem jetzigen Konzept kann uns das nicht passieren."
Nur eines kommt wohl nicht in Frage: Gescriptete Geschichten. "Es kann auch bei uns von Fall zu Fall problematisch sein, dass Zuschauer nicht mehr zwischen gescriptet und nicht-gescriptet unterscheiden können. Bei den Privaten gibt es einen gescripteten Fall nach dem anderen. Wir müssen uns im realen Redaktionsleben, zum Beispiel bei Rechtsfällen, sehr anstrengen, beide Konfliktparteien vor die Kamera zu bekommen." Doch leichter wird es durch die Vielzahl an gescripteten Formaten auch für den WDR nicht. "Mit dieser gescripteten Fallhöhe können wir mit unseren Fällen aus dem echten Leben natürlich nicht mithalten", ist sich Irmela Hannover bewusst. "Ich bin aber davon überzeugt, dass sich Sender wie RTL und Vox auf Dauer gesehen mit solchen Formaten selber schaden, weil man dann auch ihren echten Reality-Formaten wie zum Beispiel 'Raus aus den Schulden' nicht mehr glaubt."
Die Themen gehen den Machern der "Servicezeit" übrigens nicht aus, beschwichtigt Jörg Gaensel. Immerhin war von Forellenfilet bis Bestattungspreise in den zurückliegenden Wochen so ziemlich alles dabei, was das menschliche Leben so hergibt. "Uns stehen jeden Tag unzählige Servicethemen zur Verfügung und wir prüfen, was für möglichst viele Zuschauer interessant und relevant ist." Letztlich gibt aber das Jahr gewissermaßen den Takt vor. "Es wird immer Winter, man braucht immer Winterreifen und der Strom wird am Jahresende auch stets verlässlich teurer. Am Jahresanfang werden sich viele ihrer Geldprobleme bewusst, an Karneval müssen Sie aufpassen, nicht zu viel zu trinken, an Ostern soll dekoriert werden, dann will man in den Urlaub fahren." Der ganz normale Wahnsinn eben.