"Ein verlorenes Jahr für Sat.1" lautete im vergangenen Jahr unser Fazit nach der Saison 2010/2011. Weder im Serien-, noch im Dokusoap oder Show-Bereich war Sat.1 voran gekommen. Für die Saison 2011/2012 hat Sat.1 da schon mehr auf der Haben-Seite stehen. So gelang es Sat.1, endlich im Dokusoap-Bereich Fuß zu fassen. Julia Leischik erwies sich als Glücksgriff, mit "Bitte melde dich" grub sie ihrem Ex-Sender RTL am Sonntagvorabend das Wasser ab. Mit "The Biggest Loser" bediente sich Sat.1 zwar einfach bei kabel eins, fuhr damit aber ebenfalls sehr gut. "Schwer verliebt" führte zwar zu viel Kritik, holte aber auch gute Quoten.
Und dann gab es da im Show-Bereich natürlich "The Voice of Germany". Sat.1, das seit der ersten Staffel von "Star Search" im Castingbereich einen Flop nach dem anderen produziert hatte, hatte gemeinsam mit ProSieben vor allem in der Anfangsphase plötzlich einen so großen Erfolg, dass man nun offenbar sogar beim Marktführer RTL ins Grübeln gekommen ist, ob man nicht wieder etwas mehr Ernsthaftigkeit in die eigenen Formate bringen müsste. Es gab also durchaus Fortschritte. Und trotzdem kam Sat.1 letztlich nicht vom Fleck.
Mit knapp unter 11 Prozent ging man in die Saison hinein, mit rund 11 Prozent kam man im Mai auch wieder heraus - und zwischenzeitlich stürzte Sat.1 im Januar erstmals seit 20 Jahren sogar in den einstelligen Bereich. Und da scheint man sich inzwischen festgefahren zu haben: Den extrem schwachen Juni-Wert von 8,5 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe konnte Sat.1 noch auf die Fußball-EM schieben. Doch dass es auch im Juli bislang nur für 9,3 Prozent Marktanteil reichte, ist allein auf eigene Schwäche zurückzuführen.
Und die rührt in erster Linie gar nicht aus der Primetime, sondern vom Vorabend her. Schon in der vorausgehenden Saison war das eine große Problemzone: Sowohl "Hand aufs Herz" als auch "Anna und die Liebe" schwächelten längst, auch "K11" war schon unter die 10-Prozent-Marke gefallen. Beider Soaps hat sich Sat.1 inzwischen entledigt - doch bislang nichts gefunden, was stattdessen besser läuft. Schlimmer noch: Die Schwäche hat sich längst auch weiter in den Nachmittag ausgebreitet, wo fast alle Formate deutlich unter den Vorjahreswerten liegen. Das bisschen neuer Schwung, den "Familien-Fälle" kurzzeitig reinbringen konnte, scheint bereits wieder verpufft. Und im Fake-Talk, wie man ihn derzeit testet, liegt angesichts der miesen Quoten wohl auch nicht die Zukunft.
Immerhin ist die Erkenntnis gereift: Mit der immer gleichen Programmfarbe aus dem Nachmittag, die zwischenzeitlich quasi durchgehend zwischen 10 und 20 Uhr zu sehen war, ist das Problem nicht zu lösen. Sat.1-Chef Kosack sprach von einer "smarten Revolution", die nötig sei. Doch allzu lange hat es gedauert, bis Sat.1 überhaupt mal mehr Mut aufgebracht hat, als einfach nur Ingo Lenßen zu reaktivieren. Doch mit dem ersten Vorabend-Revolutionsversuch "Ab durch die Mitte" fiel Sat.1 auf die Nase, ebenfalls mit der völligen Umgestaltung des alten "Sat.1-Magazins", das als "Push" nun modern daherkommen will, vor allem aber irrelevant wurde. In der Pipeline ist nun unter anderem noch "Nachbar gegen Nachbar" - das aber nicht zu einer Revolution taugt - und eine tägliche Kuppelshow namens "Land sucht Liebe". Sat.1 hat sich schon Anfang des Jahres Zeit bis in den Herbst erbeten, bis man ein umgestaltetes Vorabend-Programm präsentieren kann. Man ließ sich allerdings lange Zeit, bis man überhaupt mit dem Experimentieren anfing. Ob dieser Timeslot mit den verbliebenen neuen Ideen in den Griff zu bekommen ist, weiß angesichts dessen niemand.
Der Vorabend ist also die mit Abstand wichtigste Baustelle im Sat.1-Programm. Doch es ist längst nicht die Einzige. Denn trotz der eingangs erwähnten Erfolge in der Primetime bleibt festzuhalten: Auch die Saison 2011/12 verlief, ohne dass neben "Der letzte Bulle" und "Danni Lowinski" eine weitere Serie ins Programm genommen wurde. Immerhin stehen in den nächsten Monaten aber gleich vier neue vor der Tür. Erfolgsaussichten angesichts des bislang nicht vorhandenen Tests: Unklar. Nicht wirklich geklappt hat es zudem, neue Reihen einzuführen. "Wolff - Kampf im Revier" wird nicht fortgesetzt, "Hannah Mangold & Lucy Palm" lief zwar noch schlechter, erhält aber immerhin noch eine Chance.
Im Show-Bereich gab's abgesehen von "The Voice" ebenfalls nicht viel zu bejubeln. Das groß beworbene "The Winner is..." enttäuschte, die "Harald Schmidt Show" geriet zum Megaflop, von Kerners "Großem Allgemeinswissensquiz" hat man sich getrennt, bei "Mein Mann kann" traut man sich seltsamerweise nur noch sporadische Promi-Ausgaben zu und "Die Perfekte Minute" tat sich zuletzt am Freitagabend sehr schwer. Der Versuch, das Format einstündig am Donnerstag zu zeigen, scheiterte Anfang des Jahres bereits grandios. Und da wären wir auch schon bei der Schattenseite im Dokusoap-Bereich: Zwar gelangen zuletzt Erfolge am Sonntagvorabend, doch in der Primetime konnte das Genre nicht erfolgreich etabliert werden. Julia Leischik durfte es Anfang des Jahres mit "Zeugen gesucht" probieren. Angesichts mieser Quoten war aber nach zwei Wochen schon wieder Schluss.
Dabei wäre es wichtig für Sat.1 gewesen, neue regelmäßige Formate für die Primetime zu finden. Denn immerhin fehlt Sat.1 künftig der Fußball völlig - und damit ein sicherer Quotengarant. 16,8 Millionen Zuschauer sahen das dramatische Champions League-Finale - ein neuer Allzeit-Rekord für Sat.1. Solche Zahlen werden nun natürlich nicht mehr erreichbar sein. Das macht es nicht leichter, aus dem Quotentief zu kommen, zumal man künftig nicht nur keinen Fußball mehr im Programm hat, sondern auch noch regelmäßig gegen Fußball am Mittwoch antreten muss. ProSieben hat mit seinen Frauen-Serien da eine Nische gefunden, RTL hält sich ebenfalls gut. Sat.1 muss es mit Filmen probieren - und das hat in der Vergangenheit meist nicht geklappt. Immerhin: Den ehemaligen Europa-League-Donnerstag hat man als US-Serien-Tag inzwischen gut etabliert.
Doch es liegt auch eine Chance im Verlust der Champions League-Rechte. Er bedeutet nämlich auch, dass im Sat.1-Budget viele Gelder frei wurden. Auch das schnelle Ende der "Harald Schmidt Show" oder das Aus für Kerners wöchentliches Magazin müssten eigentlich viele Gelder frei schaufeln. Bleibt zu hoffen, dass Sat.1 sie ins Programm investieren darf und nicht an die Gesellschafter abführen muss. Es wäre nötig, denn das Sat.1-Programm wirkte in der letzten Saison zeitweise so, als habe man gar nicht genug Geld, um es angemessen bestreiten zu können.
Am deutlichsten wurde das wohl ausgerechnet im Umfeld "The Voice". Sat.1 konnte diesen enormen Erfolg nicht nutzen, um im Anschluss ein neues Format anzuschieben - weil man offenbar schlicht keines hatte. Auf einem solch herausgehobenen Sendeplatz Wiederholungen der 2000 eingestellten Kerkeling-Show "Darüber lacht die Welt" zu zeigen, kommt einem Offenbarungseid gleich. Mit Mühe brachte man noch eine Vorab-Folge von "Knallerfrauen" unter und trumpfte tatsächlich mit über 19 Prozent Marktanteil auf. Gar nicht auszudenken also, was auf diesem Sendeplatz alles möglich gewesen wäre. So aber hat Sat.1 sich schlicht eine große Chance kaputtgespart. Ohne die "The Voice"-Unterstütztung musste sich "Knallerfrauen" später übrigens häufig mit einstelligen Marktanteilen zufrieden geben. Dabei hätte es eigentlich ein einfaches sein müssen, beispielsweise der "Wochenshow" eine Chance zu geben, sich zu etablieren. Der damalige Sat.1-Chef Bartl ließ noch ausrichten, er wolle, dass es mit der Sendung weitergehe. Das war vor einem Jahr - seitdem hat man das Format stillschweigend beerdigt, offenbar weil man sich finanziell nicht einigen konnte.
Sat.1-Chef Joachim Kosack steht jedenfalls vor einer unsicheren Saison. Bislang ist nicht abzusehen, wie man den Vorabend in den Griff kriegen will, ob man dem Nachmittag neues Leben einhauchen kann, ob es Sat.1 in der vierten Saison endlich gelingt, den Erfolg im Bereich deutscher Serien auf mehr als 13 von 52 Wochen im Jahr auszudehnen, ob man endlich den ausgerufenen Show-Freitag überhaupt mal durchgehend mit Shows bestücken kann, ob man ein Mittel gegen die neue Champions League-Konkurrenz findet. Immerhin: Nach dem katastrophalen Sommer derzeit kann's eigentlich fast nur bergauf gehen.