"Die Bewährungsproben stehen noch bevor": So betitelten wir im vergangenen Jahr unseren Artikel zur Saison-Bilanz des Ersten. Mit dem Sorgenkind Vorabend sowie der Vielzahl an Talkshows durch Neuzugang Günther Jauch standen an gleich mehreren zentralen Punkten im Programm starke Veränderungen mit ungewissem Ausgang bevor. Nun, ein Jahr später, lassen sich erste Erkenntnisse gewinnen. Der Blick auf die nackten Zahlen fällt jedenfalls ernüchternd aus: Abgesehen von zwei Monaten, lag Das Erste zwischen September und Mai durchweg unter der Marke von zwölf Prozent Marktanteil - und an die Marktführerschaft war gar nicht erst zu denken.

Doch wo liegen sie nun, die gravierenden Probleme des Ersten? Große Sorgen bereitet nach wie vor der eigentlich so wichtige Vorabend, an dem es mit der Krimi-Marke "Heiter bis tödlich" und "Gottschalk Live" sicherlich die massivsten Umwälzungen gab - der Ausflug von Thomas Gottschalk in die sogenannte "Todeszone" währte allerdings nur wenige Monate. Begleitet von unzähligen Schlagzeilen scheiterte der Mann, der einst bei "Wetten, dass..?" Millionen unterhielt, grandios. Von den anfangs mehr als vier Millionen Zuschauern blieben zwischenzeitlich gerade mal noch etwas mehr als 500.000 übrig. Auch verschiedene Konzepte brachten nicht den dringend nötigen Umschwung. Weil es kaum noch Hoffnung auf Besserung gab, war die Absetzung entsprechend folgerichtig.

Die ohnehin schon nur mäßig populäre Krimi-Schiene litt zudem ebenfalls unter Gottschalk, schließlich mussten sich die ohnehin überschaubare Zahl an Fans der "Heiter bis tödlich"-Serien nur wenige Monate nach dem Start schon wieder an einen neuen Sendeplatz gewöhnen - mit der Folge, dass inzwischen wieder der ursprüngliche Termin gilt. Doch es ist nicht alles schlecht, auch wenn Flops wie "Gottschalk Live" und "Drei bei Kai" dies womöglich nahelegen. So hat sich etwa "Hubert und Staller" unter den Serien-Tests bewährt. Hinzu kommt: Auch bei den jüngeren Zuschauern waren die Quoten hier durchaus solide - entsprechend zu Recht wurde "Hubert und Staller" frühzeitig für eine zweite Staffel verlängert. Nun gilt es, aus den Erfahrungen des ersten Jahres zu lernen.

Eines aber ist klar: Die Quoten der Krimiserien sind noch stark ausbaufähig und es wird einen langen Atem benötigen, um "Heiter bis tödlich" zum Erfolg zu bringen. Zeit benötigt allerdings auch die Talk-Schiene am späten Abend. Hier litt im vergangenen Jahr besonders "Beckmann" unter der Verlegung. Gegen Maybrit Illner und Markus Lanz reichte es seit Jahresbeginn im Schnitt nur noch für gut sieben Prozent Marktanteil, auch die vom Sonntag auf den Mittwoch vertriebene Anne Will muss bisweilen ihr Publikum erst noch finden. "Hart aber fair" verzeichnet montags um 21:00 Uhr außerdem niedrigere Marktanteile als noch am Mittwochabend. Doch Frank Plasberg gelang es, die Quoten am Montagabend zu steigern.

"Günther Jauch" schlägt sich darüber hinaus auf dem prominenten Sendeplatz am Sonntagabend nach dem "Tatort" besser als Vorgängerin Will - alles andere wäre aber auch eine große Enttäuschung gewesen. Doch auch wenn die Quoten vieler Talks zuletzt etwas anzogen: Die hohe Zahl an Gesprächssendungen bringt noch andere Probleme mit sich. Dass Plasberg, Will & Co. häufig ähnlich positioniert sind, macht die Formate zunehmend austauschbar. Und jüngere Zuschauer kann man mit der Lupe suchen. Dabei wären die für Das Erste besonders wichtig, gerade weil man sich auch abseits der Talk-Schiene zunehmend schwerer tut.

Zwar hat Das Erste mit dem "Tatort" und der "Sportschau" Woche für Woche verlässliche Quotenbringer im Programm, doch damit alleine lassen sich die Probleme nicht lösen. Vermeintlich junge Show-Formate wie "Opdenhövels Countdown" und "Unser Star für Baku" enttäuschten in der zurückliegenden Saison wohl auch deshalb, weil die junge Zielgruppe diese Art von Programm im Ersten kaum noch vermutet. Hinzu kommt, dass am späten Samstagabend, den man eigentlich als Comedy-Platz etablieren wollte, lange Zeit nichts kam - abgesehen von "Inas Nacht" herrschte bis zuletzt Funkstille, erst im August folgt Kurt Krömer mit einem neuen Format.

Immerhin: Ein "Humordefizit" hat man in der ARD jedenfalls bereits ausgemacht. Nun gilt es, die entsprechenden Schlüsse daraus zu ziehen. Doch nicht zuletzt der Vorabend dürfte weiterhin hohe Priorität genießen. Nach dem kurzen Gottschalk-Intermezzo ist allerdings erst mal davon auszugehen, dass in diesem schwierigem Umfeld vor allem auf Konstanz gesetzt wird. Das heißt: Die Krimi-Schiene wird fortgesetzt, angereichert durch neue Show-Ideen wie etwa das in dieser Woche startende "Null gewinnt" mit Dieter Nuhr und Ralph Caspers. Sicher ist daher nur eines: Es gibt weiterhin viel zu tun. An Bewährungsproben wird es auch in Zukunft keineswegs mangeln.

In den kommenden Tagen wird sich DWDL.de schwerpunktmäßig dem Vorabend im Ersten widmen. Hierzu lesen Sie ein ausführliches Interview mit dem ARD-Vorabendkoordinator Frank Beckmann, sowie mit Uwe Esser, Geschäftsleiter TV-Vermarktung der AS&S.