Es liegt noch gar nicht allzu lange zurück, da bestand das Programm von kabel eins fast ausschließlich aus Sitcoms - angetrieben vom überraschenden Erfolg von "Two and a half Men" baute der Sender seine Comedy-Strecke in der Daytime immer weiter aus. Damit trieb man die Quoten von kabel eins nicht nur in neue Rekord-Höhen, sondern inspirierte auch die Konkurrenz. Und die eigene Sendergruppe: Inzwischen hat ProSieben mit dem Sitcom-Konzept seine Daytime komplett saniert, auf Kosten der kleinen Schwester, die sich nun aber mit Mystery- und Krimiserien nachmittags recht ordentlich über Wasser hält.
Doch das Kopieren der stundenlange Sitcom ist sinnbildlich für den schweren Stand, den kabel eins innerhalb von ProSiebenSat.1 derzeit hat. Der Nachmittag ist nur eines von mehreren Beispielen dafür, welche Rolle der Sender spielt. Gleich mehrfach musste kabel eins in der Vergangenheit erfolgreiche Formate abgeben. Im Gegenzug bekommt der Sender nicht selten das, was woanders nicht allzu gut lief. So gesehen ist kabel eins mitunter so etwas wie der "Biggest Loser" in Unterföhring.
Auch "The Biggest Loser" zeigt ganz hervorragend, welche Funktion der Sender in der Gruppe hat: Nachdem die Abspeck-Show bei ProSieben mehr schlecht als recht lief, wechselte das Format zu kabel eins - und entwickelte sich dort im Laufe der Zeit zur erfolgreichsten Eigenproduktion. Senderchef Karl König sprach bereits vom Leuchtturm des Senders. Dumm nur, dass man die Sendung wenig später an Sat.1 abgeben musste. Auch "Die strengsten Eltern der Welt", die kabel eins lange Zeit konstant gute Quoten bescherten, werden demnächst bei Sat.1 beheimatet sein.
Dafür wandelte sich kabel eins in der vergangenen Saison etwas überraschend zum Fußball-Sender. Weil man bei Sat.1 nicht so recht mit der Europa League umzugehen wusste, wurden die meisten Spiele der zurückliegenden Saison bei kabel eins ausgestrahlt. Recht unverschuldet kam man dadurch in den Genuss neuer Senderrekorde mit teils mehr als vier Millionen Zuschauern. Der Erfolg war so beachtlich, dass sich ProSiebenSat.1 kürzlich kurz vor knapp dazu entschlossen hat, auch in den kommenden Jahren die Europa League bei kabel eins zeigen zu wollen.
Dafür werden die Eigenproduktionen im Gegenzug weiter zurückgefahren. Durch die geplante Verlegung der Dokusoaps auf den Donnerstagabend müssen sich diese Formate fortan den Sendeplatz mit den Fußball-Übertragungen teilen. Doch die Reduzierung der Eigenproduktionen hat bereits in der zurückliegenden Saison begonnen. Neben der Tatsache, dass es nur noch einen Abend für eigene Formate gibt, sparte kabel eins auch an seinen Magazinen spürbar. So wird das "K1 - Magazin" mittlerweile nur noch staffelweise ausgestrahlt, "Abenteuer Leben" läuft sonntags zu recht prominenter Sendezeit zusätzlich als Wiederholung.
Und so hat sich der Trend zum bunten Gemischtwarenladen in der zurückliegenden Saison noch verstärkt. Mit Marktanteilen um sechs Prozent in der Zielgruppe fährt kabel eins auch recht gut, mit Fußball und Serien wie "Navy CIS" oder "Castle" trifft man abends vor allem den Geschmack der Männer. Und doch fehlt es mitunter an einer klaren Ausrichtung, einer klaren Handschrift - so wie man es noch vor einigen Jahren hatte, als man sich auf Klassiker in allen Bereichen konzentrieren. Eine letzte Konstante im Programm sind allenfalls die Spielfilme. Ansonsten darf man schon jetzt gespannt sein, was kabel eins als nächstes erben oder verlieren wird. Eines ist wohl gewiss: Das Geben und Nehmen wird weitergehen.