Samstagabend, 20:15 Uhr. Das Licht geht an, die Show beginnt - und plötzlich betritt Karl Dall die große Bühne. Der erste Lacher. Das Eis ist gebrochen. Doch anstelle von Dall warten Millionen Zuschauer eigentlich auf einen Mann, der mit seinen gerade mal 30 Jahren bereits seit 2004 eine der erfolgreichsten Shows des Fernsehens moderiert: Florian Silbereisen. Karl Dall zeigt, dass Silbereisen gefesselt hinter den Kulissen liegt. Der nächste Lacher. Doch dann darf der Moderator doch noch die Bühne betreten. Nun kann es also beginnen, das "Sommerfest der Abenteuer". Silbereisen schreitet über die lange Show-Treppe, die in dieser Form inzwischen wohl zu den letzten der großen Samstagabend-Shows zählt.

Allzu viele davon gibt es heutzutage ohnehin nicht mehr. Die Silbereisen-Show im Ersten wird gerne mal bei der Aufzählung vergessen, dabei sind längst nicht nur "Wetten, dass..?" und "Verstehen Sie Spaß?" seit ewig langer Zeit auf Sendung - auch die "Feste der Volksmusik" blicken mittlerweile auf eine stolze Vergangenheit zurück. Am Samstagabend war es genau 18 Jahre her, dass die erste Ausgabe ausgestrahlt wurde - damals noch von Carmen Nebel moderiert, an einem Donnerstag und mit 90 Minuten Länge. Inzwischen ist die Show eine feste Größe am Samstagabend und dauert gut doppelt so lange. Im Umkehrschluss bedeutet das allerdings auch: Drei Stunden Dauer-Klatschen.

Das fängt beim "Sommerfest der Abenteuer" an mit Matze Knop und Waldemar Hartmann, die einen gemeinsamen Fußball-Song zur anstehenden EM zum Besten geben, geht über einen Auftritt von Marianne und Michael, die in Dirndl und Tracht "Der Bua passt nur in'd Lederhosen nei" von Magdeburg hinaus in die Welt trällern, und gipfelt schließlich in das Finale, bei dem der 60. Geburtstag von Roland Kaiser ausgiebig zelebriert wird. Man muss diese Art von Unterhaltung keineswegs mögen, doch lässt man sämtliche Vorurteile einfach mal außen vor, gelangt man zu einer durchaus erstaunlichen Erkenntnis: Die Shows mit Silbereisen bestechen durch ein unglaubliches Tempo. Behäbig ist hier nichts, für lange Plaudereien bleibt glücklicherweise keine Zeit.

Schlag auf Schlag geben sich die Künstler auf der Bühne die Klinke in die Hand. Und betrachtet man sich das Spektakel einmal aus der Halle, so wird der Aufwand, den die Macher der Show betreiben, besonders deutlich. Da fliegen riesige Fußbälle durch die Luft, Autos werden auf die Bühne geschoben und Feuerwerke gezündet. Kaum eine Kulisse bleibt länger als fünf Minuten aufgebaut. Vieles davon ist freilich naheliegend: Singt Götz Alsmann über Paris, darf das mit Baguettes beladene Fahrrad nicht fehlen. So geht das stundenlang, Zeit zum Atmen bleibt kaum. Doch das Konzept geht auf: Ihre Stars vor Augen, stehen viele der betagteren Zuschauer in der Halle immer wieder auf und singen mit. Anders als bei vielen anderen Shows übrigens meist unaufgefordert.

Und Silbereisen? Der Moderator ist sich für wenig zu schade und fungiert längst nicht nur als Nummernansager. Wagemutig lässt sich er sich auf ein Rad spannen und von Pfeilen beschießen, im nächsten Moment spielt er mit Alsmann Ziehharmonika. Mitunter fühlt man sich gar ein wenig an "Wetten, dass..?" erinnert - etwa, wenn ein Mann Bettflaschen mit seiner Nase aufbläst oder sich ein anderer seiner Kleidung entledigt, während er eine Breakdance-Darbietung vollführt. Nein, hochtrabend ist das alles selbstverständlich nicht, doch das will es auch gar nicht sein. Mag in der Welt passieren, was will, doch vom Schunkeln und Klatschen hält das an diesem Abend niemanden ab.

Das funktioniert seit nunmehr 18 Jahren und angesichts von gut und gerne fünf Millionen Zuschauern haben die "Feste der Volksmusik" ganz sicher ihre Berechtigung im deutschen Fernsehen. Wo sonst findet man heute noch Zuschauer, die mit Fan-Schals des Moderators im Publikum sitzen? Dass fast alles an diesem Abend vom Band kommt, stört hier keinen. Es ist eine ganz eigene Welt - eine Welt, in der der Kitsch bis zum Äußersten aufgedreht, ja manchmal sogar überdreht wird. Doch vermutlich muss man sich einmal komplett darauf eingelassen haben, um zu verstehen, weshalb es trotz allem so viele Menschen gibt, die bei alledem in einen fast ekstatischen Zustand versetzt werden. Letztlich ist es eben vor allem eines: Unterhaltung. Und nun das "Wort zum Sonntag".