Seit mehr als vier Jahrzehnten ist der "Tatort" aus dem deutschen Fernsehen nicht wegzudenken. Doch zuletzt erlebte die ohnehin schon erfolgreiche Reihe eine wahre Renaissance: Das Jahr 2012 war bislang aus Quotensicht eine reine Erfolgsgeschichte. Von den zwölf ausgestrahlten Folgen erreichten gleich neun mehr als neun Millionen Zuschauer. Am mit Abstand populärsten ist wie schon in den vergangenen Jahren der Münsteraner "Tatort": Als Jan Josef Liefers und Axel Prahl zuletzt Mitte März ermittelten, schalteten im Schnitt fast 11,8 Millionen Zuschauer ein.
Inspiriert vom großen "Tatort"-Erfolg gibt es zu Ostern nun ein Projekt, das es bislang noch nie gegeben hat: Erstmals strahlt Das Erste einen "Tatort"-Zweiteiler aus. Die beiden Folgen "Kinderland" und "Ihr Kinderlein kommet" werden am Ostersonntag und -montag ausgestrahlt - ein wahres Osterei für Fans der Reihe. In der ersten Folge wird ein 15-jähriges Mädchen als vermisst gemeldet, ehe ein anderes Mädchen in der Nähe eines Leipziger Kinderstrichs tot aufgefunden wird. Zur gleichen Zeit wird auch in Köln eine 15-Jährige tot im Rhein geborgen.
Die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär) machen sich auf den Weg - allerdings ohne sich vorher bei ihren Leipziger Kollegen (Simone Thomalla und Martin Wuttke) anzumelden. Als Keppler, der auf dem Kinderstrich ermitteln will, Hauptkommissar Ballauf für einen Freier hält, kommt es zu einer handfesten Auseinandersetzung. In der Folge "Ihr Kinderlein kommet" wird die Geschichte der vermissten Anna mit einer überraschenden Wendung in Köln weitererzählt. In diesem zweiten Film werden Saalfeld und Keppler die Ermittlungen von Ballauf und Schenk unterstützen.
Interessant ist das "Tatort"-Crossover aber auch aus einem anderen Grund: Es arbeiten nämlich nicht nur zwei Ermittlerteams, sondern mit Saxonia Media und Colonia Media auch zwei Produktionsgesellschaften eng zusammen. "Wir fanden es spannend und inspirierend zu sehen, was passiert, wenn Saalfeld/Keppler und Ballauf/Schenk aufeinandertreffen. Dieses Aufeinandertreffen hat viel Charme und Humor", sagt Sonja Goslicki von Colonia Media. "Die unterschiedlichen Handschriften der 'Tatorte' erzeugen Reibung auf produktive Weise. Der Charakter des jeweiligen Formates blieb dadurch erhalten."
Dass hinter der Kamera mit Drehbuchautor Jürgen Werner und Regisseur Thomas Jauch hingegen auf das gleiche Team gesetzt wurde, sei dagegen von Vorteil, erklärt Goslicki. "Mit der Erzählweise beider Tatorte haben wir Neuland betreten: Es sind zwar abgeschlossene Geschichten, trotzdem ist der Kölner Tatort die Fortsetzung des Leipziger. Es ging darum, aus beiden Filmen auch eine
Einheit zu schaffen." Jan Kruse von Colonia Media ergänzt: "Um dieser Einheit von Anfang an Rechnung zu tragen, wurde diese zuerst durch den Autor, die Redakteure und Produzenten, später dann durch den Regisseur, den Kameramann, den Szenenbildner, die Schnittmeisterin und den Komponisten künstlerisch zusammen gehalten."
Im Vorfeld der Produktion hatte es jedoch auch Skepsis gegeben, ob vier Ermittler nicht doch ein wenig zu viel des Guten seien. "Es waren gerade die Einschränkungen, die einen beflügelt und neue dramaturgische Möglichkeiten geschaffen haben", sagt Autor Jürgen Werner. "Wir mussten ein Thema finden, das zum einen inhaltlich zwei 'Tatort'-Folgen, in zwei verschiedenen Städten, trägt und zugleich in jeder Folge auch für sich allein stehen kann. Die jeweiligen Ermittler, die ihre Kollegen in deren Stadt 'besucht' haben, konnten nur punktuell eingesetzt werden, auf wenige Drehorte beschränkt."
Und doch sei eine möglichst enge Verzahnung von Ermittlern und Fällen gewünscht gwesen. "Manchmal war es die Quadratur des Kreises, aber gerade das hat beim Schreiben am meisten Spaß gemacht. Ich hoffe, es ist uns gelungen, das Eckige ins Runde zu bekommen." Für Regisseur Thomas Jauch war es keineswegs die erste "Tatort"-Erfahrung. "Mit den Kölner Kommissaren gab es schon gemeinsame Erfahrungen aus drei 'Tatorten'", erinnert er sich. "Die Zusammenarbeit mit den Leipziger Kollegen war auch für mich eine Premiere. Der Reiz lag natürlich zunächst einmal darin, eine Geschichte über zwei Teile in zwei Städten zu erzählen."
Trotz aller Vorbereitung könne man sich im Vorfeld nie sicher sein, ob ein derartiges Projekt tatsächlich klappt. "Ob die Zusammenarbeit mit vier Kommissaren wirklich funktioniert, weiß man erst nach der ersten Klappe.
Glauben Sie mir – es hat sehr gut funktioniert", gibt sich Jauch überzeugt. Aus Sicht der Quoten muss man sich wohl ohnehin nicht fürchten, schließlich ist kaum eine andere Marke im deutschen Fernsehen stärker als die des "Tatorts". Daran wird sich auch beim Zweiteiler zu Ostern gewiss nichts ändern.