Zehn Jahre lang stand Markus Schächter als Intendant an der Spitze des Senders, doch diese Ära ist nun beendet. Ab sofort hat ein neuer Mann das Sagen. "Neu" ist in diesem Fall allerdings relativ, schließlich kam Thomas Bellut nur drei Jahre nach Schächter auf den Lerchenberg. Nach mehr als drei Jahrzehnten verlässt dieser nun seinen Sender - und man kann nicht behaupten, er hätte in seiner Intendanten-Amtszeit nichts bewegt. Die digitale Welt wurde immer wichtiger, sein Satz "Wer nicht ins Netz geht, der geht ins Museum" ist auf dem Lerchenberg inzwischen in den Köpfen verankert.
Mindestens ebenso gebetsmühlenartig betonte Schächter, das ZDF aus der "babylonischen Gefangenschaft des Einkanalsenders" befreien zu wollen. Das ist ihm ohne jeden Zweifel gelungen: Mit ZDFneo, ZDFkultur und ZDFinfo ist das Zweite im Bereich der Digitalsender gut aufgestellt - zwar wird damit bislang nicht mehr als ein Nischenpublikum erreicht, doch mit spannenden und jungen Formaten wie "neoParadise" oder "Roche & Böhmermann" brachten sich die Sender zuletzt mehr und mehr ins Gespräch, auch wenn das Hauptprogramm im direkten Vergleich dazu an so mancher Stelle dadurch noch ein wenig verstaubter daherkommt.
Selbstverständlich ist der stringente Ausbau der Digitalsender nicht, denn anders als die ARD mit ihren vielen Programmen, konzentrierte sich das ZDF über Jahre hinweg auf das Hauptprogramm - erst in den vergangenen Jahren und gegen zahlreiche Widerstande wurden die drei Digitalsender kontinuierlich ausgebaut. Man kann sie womöglich gar nicht zählen, die vielen Debatten und Streitgespräche, die Schächter diesbezüglich führen musste. Die geschaffenen Experimentierflächen werden gebraucht, keine Frage. Denn eines ist in den vergangenen zehn Jahren nicht gelungen: Bei jüngeren Zuschauern spielt das ZDF nur noch eine Nebenrolle - und das, obwohl Carolin Reiber, Dieter Thomas Heck sowie Marianne und Michael längst aufs Abstellgleis gebracht wurden.
Verantwortlich dafür war jedoch nicht zuletzt Thomas Bellut, der vor zehn Jahren zum Programmdirektor aufstieg und das ZDF damit maßgeblich prägte. Viele Versuche, bei der nachwachsenden Generation doch noch Fuß fassen zu können, wirkten eher verzweifelt und unausgereift. So wie im Jahr 2003, als sich das ZDF dazu entschloss, das zuvor bei RTL II ausgestrahlte Jugendmagazin "Bravo TV" fortzuführen. Die Idee, Soap-Elemente zu integrieren, ließ die Sendung allerdings eher unfreiwillig komisch erscheinen, sodass die Jugend-Offensive am Samstagnachmittag auch nach einigen Veränderungen schon nach einem Jahr wieder zu den Akten gelegt werden konnte.
Zuletzt machte sich das ZDF jedoch zunehmend als Kabarett- und Comedysender einen Namen, startete mit "Neues aus der Anstalt" oder der "heute-show" gleich mehrere prestigeträchtige Formate. Prestgie versprach sich das ZDF einst auch mit seiner Serie "Kanzleramt", die im Frühjahr 2005 Einblicke in die deutsche Politik werfen wollte. Doch Klaus J. Behrendt war als Bundeskanzler nur zu Beginn gefragt: Von den knapp fünf Millionen Zuschauern, die zunächst einschalteten, blieben am Ende der Legislaturperiode nur noch 1,15 Millionen übrig - wohl gemerkt zur besten Sendezeit.
"Es liegt vor allem daran, dass Politik als unterhaltender Stoff den deutschen Zuschauern nur schwer zu vermitteln ist", sagte Thomas Bellut damals. "Wir werden aber nicht nachlassen, innovative Programme wie das 'Kanzleramt' auch im Serienbereich weiterhin zu versuchen." Und tatsächlich: Mit "KDD - Kriminaldauerdienst" wagte sich das Zweite an eine weitere außergewöhnliche Serie. Heute ist das ZDF im Serien-Bereich vor allem Spezialist im Bereich der Krimis - wohl kaum ein anderer Sender besetzt dieses Genre derart stark wie die Mainzer, übrigens mit großem Erfolg.
Ein Krimi war einst auch Schächters Wahl zum Intendanten - er war nicht mehr als ein Kompromisskandidat in einem nicht enden wollenden Streit der verschiedenen politischen Lager. Umso unproblematischer erfolgt nun allerdings die Übergabe des Staffelstabs an Thomas Bellut. Er wird, alleine schon durch seinen engen Bezug zum Programm, ganz sicher andere Akzente setzen als sein Vorgänger. Und er hat spannende Aufgaben vor sich. Zuletzt war zu hören, dass die Stimmung im Sender nach den jüngst bekannt gewordenen Sparplänen angespannt sei.
Einem Bericht der KEF-Prüfer zufolge hatte das ZDF in den Jahren 2007 und 2009 zwar jeweils zugesagt, Stellen abzubauen - tatsächlich seien aber zusätzliche Posten geschaffen worden. Nun muss also dringend gespart werden, von 75 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren ist die Rede - ganz sicher eine der größten Herausforderungen, denen sich Thomas Bellut in den kommenden Jahren stellen muss. Den Segen seines Vorgängers hat er in jedem Fall. Bei seiner offiziellen Verabschiedung sagte Markus Schächter in Richtung Bellut: "Möge für dich und unser Haus künftig alles rund laufen auf dem sicher weiterhin steilen, kurvenreichen Weg durch die Medienlandschaft von morgen."
Auf Schächter selbst warten nun wieder deutlich alltäglichere Aufgaben. In einem Interview mit Thomas Gottschalk für die "Bild"-Zeitung gewährte der 62-Jährige einen Einblick in seinen sich bald deutlich verändernden Alltag. "Ich muss jetzt erst mal wieder lernen, rückwärts einzuparken, denn mein Dienstwagen hat sich samt Fahrer erledigt." Gerade erst hat er sich deshalb ein Auto gekauft. Langeweile wird sich jedoch auch nach seiner Ära als Intendant nicht so schnell einstellen. Schächter: "Auch wenn es nicht so sexy klingt: Ich habe jetzt Zeit für Ehrenämter. Und ich freue mich darauf."