Zum Amtsantritt setzte sie sich gleich sehr ehrgeizige Ziele und arbeitet lange daran, diese zu erreichen. Doch spätestens seit 2010 übertraf RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt bei Reichweite wie Erlösen die Erwartungen von Branchen-Beobachtern bei Weitem. Sie hat alles erreicht, was man erreichen kann, da überraschte die anfangs für ihr analytisches Wesen noch von manchem Kreativen der Branche kritisierte RTL-Chefin inmitten von Erfolgsmeldungen mit einer bemerkenswert offenen Analyse: Auf diesem hohen Level von Reichweite und Umsätzen sei bei dem Sender nicht mehr mit großen Sprüngen nach oben zu rechnen. Dabei dürfte das Jahr 2011 wirtschaftlich nochmal erfolgreicher gelaufen sein als 2010 - bei der Reichweite konnte man den Jahresdurchschnitt jedenfalls nochmal steigern.
Die Einschätzung von Anke Schäferkordt zum möglichen Wachstum von RTL weckte in der Branche bereits Spekulationen über ihre berufliche Zukunft. Von mancher inhaltlichen Diskussion über das Programm abgesehen ist der Kölner Sender unter Schäferkordt auf die alte, sehr erfolgreiche Flughöhe zurückgekehrt. Ein Moment, an dem ein Ausstieg Schäferkordts aus der Sendergeschäftsführung ihre Erfolgsgeschichte krönen würde, denn der realistischen Prognose der RTL-Chefin folgend, bestünde die Gefahr in den kommenden Jahren nur den eigenen Rekorden hinterher zu laufen. Mit den am Dienstag bekanntgewordenen neuen Aufgaben für Anke Schäferkordt wurden entsprechende Spekulationen neu angeheizt. RTL-Sprecher Körner erklärte unmittelbar danach auf Nachfrage von DWDL.de zwar, dass es keine weiteren Personalien zu klären gebe.
Doch es ist fraglich, ob Anke Schäferkordt bei noch so sportlicher Ausdauer auf längere Sicht gleichzeitig als Vorstand bei Bertelsmann, als CEO der RTL Group in Luxemburg und Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL Deutschland sowie des Senders RTL fungieren wird. Mit ab April neuen medienpolitischen Aufgaben und neuer wirtschaftlicher Verantwortung für die TV-Sparte als Super-Managerin bei Bertelsmann würde auf der anderen Seite die detaillierte tägliche Auseinandersetzung mit dem Programm von RTL ein extrem weites Aufgabenfeld bedeuten. Schon heute delegiert Schäferkordt die Programmverantwortung für die einzelnen Genres an stark positionierte Bereichsleiter.
Doch sogar aus der RTL-Zentrale in Köln-Deutz hörte man am Mittwoch mehrfach die Vermutung, dass der Spagat zwischen Tagesgeschäft beim Sender und den erweiterten Aufgaben in der RTL Group sowie bei Bertelsmann dann zu groß werden könnte. Auch die Branche spekuliert, ob Anke Schäferkordt die Sendergeschäftsführung im Sommer weitergeben wird. Einen Favoriten für den Posten des neuen RTL-Geschäftsführers - ob kurz- oder mittelfristig - gibt es bereits: Frank Hoffmann, Geschäftsführer vom Schwestersender VOX und dort bereits Nachfolger von Anke Schäferkordt, hat sich in den letzten Jahren mit einer Mischung aus erhaltener Eigenständigkeit in Programm und Positionierung auf der einen sowie notwendiger Anpassung an aktuelle TV-Trends auf der anderen Seite als Nachfolger empfohlen. Noch dazu spielt Kontinuität und Loyalität in der Unternehmenskultur von Bertelsmann eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Auch andere Namen aus der RTL-Familie sind zu hören, doch meist fehlt neben der vorhandenen kreativen Expertise die kaufmännische Erfahrung eines Geschäftsführers. Darauf bei der Nachfolger-Wahl zu verzichten, würde nach den Schäferkordt-Jahren einen sehr deutlichen Bruch bei RTL bedeuten. Das macht es unwahrscheinlich. Noch bleibt jedoch eh genügend Zeit für die Entscheidung: Erst Mitte April werden die am Dienstag kommunizierten Veränderungen bei der RTL Group wirksam. Sollte Anke Schäferkordt das Tagesgeschäft bei RTL abgeben, wird der Nachfolger aber rechtzeitig für die große Vorstellungsrunde bei der jährlichen Agentur-Tour im Sommer feststehen. Genau so wurde auch Schäferkordt damals befördert und Presse wie Kunden vorgestellt.