Eine "persönliche Schuld" sehe er aber nicht. Seine Nachfolgerin Karola Wille habe als stellvertretende Intendantin in der Vergangenheit "immer wieder warnend ihre Stimme erhoben, konnte sich damit aber nicht immer durchsetzen", sagt Reiter nun selbstkritisch - und will ihr damit wohl auch den Start erleichtern, schließlich waren nicht wenige der Meinung, eine Person von außen sei in diesen stürmischen Zeiten die bessere Wahl gewesen. "Ich war der Chef und habe die Richtlinien vorgegeben." Sein Fehler sei wohl gewesen, dass er die "hemdsärmelige Aufbruchstimmung" der MDR-Gründerjahre "früher hätte beenden müssen".
Führende Mitarbeiter hätten ihn früh gewarnt, man müsse das Controlling des Senders verbessern, gibt er nun zu. "Ich habe zu wenig darauf gehört – im Nachhinein betrachtet", so Reiter, der allerdings viele der vermeintlichen MDR-Affären für aufgebauscht und lange nicht so skandalträchtig hält, "dass man dafür ins Kloster gehen müsste". Nur ein Fall "quält" ihn: der Betrug beim Kinderkanal. "Ja, das war ein Skandal, und es ärgert mich gewaltig, dass er diesen schönen kleinen und erfolgreichen Sender so beschmutzt hat." Über Wochen hinweg waren immer neue Details rund um den Kika-Skandal ans Tageslicht gekommen, für den der federführende MDR öffentlich von allen Seiten Prügel einstecken musste.
Auf die Frage, ob es in der ARD jemals einen größeren Betrugsfall gegeben habe, sagte Reiter einmal augenzwinkernd: "Ich kenne keinen. Diesen Ruhm haben wir für uns." Doch es waren keineswegs nur die Skandale, mit denen der MDR im Mittelpunkt stand. Nachdem im Jahr 2009 gleich mehrere Fake-Accounts auftraten, ergriff MDR-Intendant Reiter die Initiative - und twitterte einige Zeit lang selbst. "Staatstragende Intendantenstatements gibt es genug. Sie passen zum Glück nicht in 140 Zeichen. Wenn man twittern will, muss man sich auf den Sound der Enkel einlassen", sagte er vor zwei Jahren in einem DWDL.de-Interview über seine ungewöhnliche Nebenbeschäftigung.
Nur einen getwitterten Witz anlässlich der Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit hätte Reiter besser sein lassen. "Einheitstag 2030: Bundespräsident Mohammed Mustafa ruft die Muslime auf, die Rechte der Deutschen Minderheit zu wahren", schrieb der Intendant und sorgte für reichlich Unmut in der Netzgemeinde. "Der Tweet war vor einiger Zeit ein gezeichneter Witz in einer deutschen Zeitung. War natürlich als Joke gemeint. Sorry", schob Reiter später nach und fügte hinzu: "Das war der erste Shitstorm meines Lebens." Dabei hatte er zuvor gegenüber DWDL.de noch betont: "Innerhalb von Minuten zehnmal retweeted zu werden, das ist schon ein Erlebnis. Da hat sich tatsächlich eine neuartige Kommunikationswelt etabliert, die von meiner Generation kaum wahrgenommen wird. Das ist schade. Diese unmittelbare Resonanz hat durchaus etwas Stimulierendes." Bei diesem Ausrutscher dürfte es freilich ein wenig anders gewesen sein.
Das Twittern hat Udo Reiter inzwischen längst aufgegeben, wohl auch, weil er als Intendant zuletzt genug um die Ohren hatte. "Ich bin im März dieses Jahres 67 Jahre alt geworden und lebe seit 45 Jahren im Rollstuhl. Das hat einige gesundheitliche Spuren hinterlassen", kündigte Reiter im Mai seinen Abschied an. "Davon abgesehen sind 20 Jahre ja auch genug und es ist Zeit, den Staffelstab an die nächste Generation weiter zu geben." Die Wahl ist auf Karola Wille gefallen, die nun "ihr eigener Chef" sei, so der scheidende Intendant im "Spiegel". "Und sie ist die Richtige für die Zukunft des MDR." Es gebe "sicher auch im MDR Leute, die sich freuen, dass ihr Sender künftig von einer Frau aus Ostdeutschland geführt wird statt von einem hergelaufenen Wessi. Flapsig gesagt ist die Besatzungszeit mit dieser Stabübergabe endgültig vorbei."