Die Diskussion um eine Neudefinition der "werberelevanten Zielgruppe" ist alt, älter als das Medienmagazin DWDL.de - doch gerade im vergangenen Jahr bekam sie noch einmal neuen Schwung. Mit IP Deutschland setzt sich einer der zwei größten Player auf dem deutschen Werbemarkt vehement für eine Neudefinition ein und hat dafür die 20- bis 59-Jährigen im Blick. Um transparent zu machen, welche Auswirkungen das tagtäglich auf die Quoten hätte, weist DWDL.de nun seit genau einem Jahr zusätzlich unter dem Motto "Was wäre wenn?" in der Zahlenzentrale auch die Top 20 dieser mögliche neue Referenz-Zielgruppe aus.
Nach einem Jahr wollen wir nun noch einmal eine Zwischenbilanz ziehen: Wie kommt der Vorstoß im Markt an? Gibt es tatsächlich eine Chance, dass man sich auf absehbare Zeit von den 14- bis 49-Jährigen verabschiedet? Klar ist: Treibende Kraft bleibt weiterhin IP Deutschland, Vermarkter der Mediengruppe RTL Deutschland. Seit Anfang des Jahres weist IP in seinen Tagesberichten zusätzlich auch die Zahlen in der Referenz-Zielgruppe 20-59 aus, seit Anfang Juli geht man sogar noch einen Schritt weiter und räumt den 20- bis 59-Jährigen in Vergleichsdarstellungen Priorität ein: Sie wird künftig noch vor den 14- bis 49-Jährigen genannt.
Laut IP Deutschland-Geschäftsführer Martin Krapf macht der Vermarkter damit gute Erfahrungen. Rund zwei Drittel der Kunden hätten in einer Befragung angegeben, diese Parallel-Ausweisung für hilfreich zu erachten, ähnlich viele sprachen demnach allgemein von einer "sinnvollen Anpassung an den demografischen Wandel", so Krapf. Bei den Mediaplanern seien es sogar 75 Prozent. Unterstützung erhält IP Deutschland dabei unter anderem vom ARD-Vermarkter AS&S. Geschäftsführerin Elke Schneiderbanger konstatiert: "Es hat sich offensichtlich auch bei den Mitbewerbern die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich der Markt mit der reflexhaften Beschränkung auf 14-49 auf Dauer selbst im Wege steht - diese Fokussierung geht schlicht an der Realität vorbei."
Schließlich liege die höchste Kaufkraft heute längst bei den über 50-Jährigen. "Darüber hinaus wird sich auch die Entwicklung der Bevölkerung mit ihrem Überhang der geburtenstarken Jahrgänge kaum ignorieren lassen", so Schneiderbanger. Guido Modenbach, Geschäftsführer des ProSiebenSat.1-Vermarkters SevenOne Media hält dagegen: "Entscheidend ist, dass die Markenprägung in jungen Jahren stattfindet. Junge Zielgruppen sind wichtig für den langfristigen Markenerfolg Warum sollte eine Standardwährung die wichtigen jungen Zielgruppen abwerten und in Teilen sogar vollständig ausgrenzen?"
Aus der Sicht Modenbachs würde ein Ausklammern der Unter 20-Jährigen aus der Zielgruppendefinition sowohl Werbetreibenden als auch dem Medium TV als Ganzes gar schaden. "Eine Veränderung der Referenz wie von der IP vorgeschlagen würde in der Konsequenz zu einer veränderten Formatentwicklung führen. Das Privatfernsehen würde den Fokus auf die jungen Zuschauer verlieren und damit an Bedeutung für die Werbewirtschaft. Junge Zielgruppen würden dann über die auf Ältere zugeschnittenen Programme nicht mehr erreicht werden. Das halten wir für den gravierenden strategischen Fehler dieses Ansatzes."
Auf Seite 2: Gewinner und Verlierer einer Umstellung und die Haltung der Media-Agenturen.