Dass Udo Lattek der erfolgreichste deutsche Vereinstrainer ist, dürfte dem geneigten "Doppelpass"-Zuschauer kaum entgangen sein - in schöner Regelmäßigkeit wurde diese Tatsache in den vergangenen 16 Jahren, in denen die Sendung inzwischen am Start ist, betont. Für all diejenigen, die mit Fußball nichts oder nur wenig am Hut haben, sei gesagt: Der "Doppelpass" ist eine Institution. Zumindest für all diejenigen, die sich als wahre Fans des Fußballs ausgeben.

Wenn Fußball tatsächlich so etwas ist wie eine Religion, dann ist der "Doppelpass" mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Gottesdienst. Kein Wunder also, dass der Fußball-Talk seit jeher an einem Sonntag ausgestrahlt wird. Wie es für einen Gottesdienst gewöhnlich ist, so wiederholen sich auch im "Doppelpass" regelmäßig die Themen - mal mehr, mal weniger christlich angehaucht: Chip im Ball, Abseits-Entscheidungen, Rote Karten. Statt Kollekte gibt's das Phrasenschwein, das Bier vom Sponsor ersetzt das Abendmahl.

Und Udo Lattek spielt den Gottvater. Bis zu diesem Sonntag. Nach 786 Sendungen verlässt er seinen roten Sessel, um sich zur Ruhe zu setzen. Doch kann einer wie Udo Lattek das überhaupt? Dass er es sich mit seinen 76 Jahren verdient hat, steht außer Frage. Erst im vergangenen Jahr überstand Lattek einen leichten Schlaganfall, ließ es sich jedoch nicht nehmen und trat nur wenige Wochen später wieder in gewohnter Rolle im "Doppelpass" auf und analysierte so, als sei nichts geschehen. Zumindest fast.

Für so manche Spitze gegen einen seiner ehemaligen Arbeitgeber ist Lattek bis zum Schluss stets gut gewesen. Über den 1. FC Köln, den er Anfang der 90er trainierte, sagte er einmal: "Im Kölner Stadion ist immer so eine super Stimmung, da stört eigentlich nur die Mannschaft." Und dennoch merkte man Lattek zuletzt eine gewisse Müdigkeit an - und den Hang zu den immer selben Geschichten aus seiner Zeit als erfolgreichster deutscher Vereintrainer. Über seinen Rausschmiss bei den Bayern etwa, oder jene Zeit, in der er Diego Maradona trainierte.

Seine gebetsmühlenartig wiederholten Sichtweisen über Neid und Missgunst sind mindestens ebenso legendär. Letztlich ist es aber wie in jedem guten Gottesdienst: Man kennt die Weihnachtsgeschichte - und lässt sie sich doch jedes Mal aufs Neue erzählen. Anders als in der Kirche sind die Besucherzahlen allerdings nicht rückläufig. Im Gegenteil: Von Jahr zu Jahr lockt der "Doppelpass" mehr Zuschauer an - in der nun zu Ende gegangenen Saison sahen im Schnitt Sonntag für Sonntag mehr als eine Million Fans zu und damit so viele wie nie zuvor. Für einen kleinen Sender wie Sport1 ist das ein riesiger Erfolg. 

"Udo Lattek war von Anfang an beim 'Doppelpass' mit dabei und hat maßgeblich zum Erfolg dieses Formats beigetragen", sagt Sport1-Chefredakteur Alexander Rösner zu Latteks Abschied. Rösner weiß allerdings wohl auch, dass es nicht leicht werden wird, einen Nachfolger für Lattek zu finden - immerhin ist er noch immer der erfolgreichste deutsche Vereinstrainer aller Zeiten. Als solcher wird er daher nach seinem Abschied vom "Doppelpass" zum "Ehren-Experten" des Senders ernannt, wohl eine Art Heiligsprechung im göttlichen Fußball-Tempel. Die Messe ist hiermit gelesen. Balleluja und Amen.