Stefan HoffDenn München war einst ein großer Standort für das, was man in der Branche gemeinhin als das Brot-und-Butter-Geschäft bezeichnet: Die industriell gefertigte tägliche Unterhaltungssendung. Zu Hochzeiten der Gameshows wurde hier produziert, was das Zeug hielt: "Geh auf's Ganze", später auch das "Glücksrad", "Ruck Zuck" und Co. kamen von hier. Doch solche Formate sind derzeit gar nicht gefragt. Studioproduktionen sind in der Daytime selten geworden.

Statt dessen liegen stilistisch an dokumentarischen Formaten angelehnte Sendungen ganz vorne im Trend. "Wenn EB-Teams jetzt in den Wohnungen ihrer Zuschauer drehen und dort komplette Sendestrecken für den Nachmittag herstellen, können die Studios nicht mithalten. Ein Studio bringt immer einen gewissen Kostenapparat mit sich, auch wenn ich Low-Budget produziere", sagt Nobeo-Chef Stefan Hoff (Bild). Der große Vorteil für die Studiobetreiber lag bei Talk-, Gerichts- und Gameshow in der Konstanz. Auch wenn die Studios in diesem Segment eher eine mittlere Größe hatten, so hielten sie mit rund 200 Folgen pro Jahr Team und Technik stets in Bewegung und sorgten für eine kontinuierliche Auslastung zu akzeptablen Preisen.
 

 
Trotz steigenden Kostendrucks gilt aber auch: An der großen Studioproduktion kommt in der Primetime kein Sender, der auf sich hält, vorbei. "Große Marken wie 'DSDS' oder 'Das Supertalent kann man nicht kleiner machen", sagt Ute Biernat, Chefin von Grundy Light Entertainment und damit Produzentin großer Formate für so ziemlich alle großen Sender. Ihre Prognose für das Mittelfeld allerdings lautet: "Mit den anderen Shows wird es wieder back to the roots gehen: Man braucht nicht immer 300 Leute im Publikum, um Atmosphäre zu machen und kann durchaus mehrere Sachen im gleichen Studio produzieren".

Ute BiernatSo macht es zum Beispiel RTL II. Seit der Sender mit dem neuen Programmchef Holger Andersen auf Shows setzt, hat man sich bei der MMC in Hürth ein multifunktionales Studio eingerichtet. Den Preiskampf der Studios nimmt Produzentin Biernat deutlich wahr und steht dem Treiben mit gemischten Gefühlen gegenüber. Auf der einen Seite steht die Möglichkeit, mit Blick auf die Finanzplanung alles pragmatisch zu beleuchten. Andererseits ist der Grat zur Zockerei auch ein schmaler. So geht es für Produzenten letztlich nicht ausschließlich um den Preis  – auch Aspekte wie Personal und geografische Lage spielen eine Rolle, sind dem Kunden im Falle eines günstigeren Angebots allerdings schwerer zu vermitteln.
 
Längst ist das Studio außerdem nicht mehr das non plus ultra für die Fernsehmacher. Immer öfter zieht es die Sender für ihre Show-Events in Locations, die mit dem klassischen Fernsehgeschäft wenig zu tun haben. RTL zeichnet das Live-Programm von Mario Barth im Olympiastadion auf, ProSieben sendet das "Topmodel"-Finale aus der LanxessArena. Das merken nicht nur die Studiobetreiber, sondern auch andere Dienstleister, die sich nun mit der Konkurrenz aus der Eventbranche messen müssen.
 
Allzu groß sei der Trend zu den Off-Locations allerdings nicht, beruhigt Ute Biernat. "In die Theater, die wir bei 'Supertalent' nutzen, müssen wir viel investieren". Es gehe dabei um Kosten für Zusatzdeko, die man nicht im Studio habe oder Technik, die im Theater nicht verfügbar ist und zusätzlich eingebaut werden müsse. Während die großen Shows immer größer werden und die kleinen immer kleiner, scheint auch bei den Fernsehformaten die Mitte verloren zu gehen. Jene Mitte, die Studios auslastet und den Apparat am Laufen hält. An den verschiedenen Standorten wird das unterschiedlich zur Kenntnis genommen. So freut man sich im eher journalistisch ausgerichteten Hamburg bei Spiegel TV sicherlich darüber, dass Vox seinen Samstagabend mit einer vierstündigen Dokumentation bespielt – in der Unterhaltungshochburg Köln dürfte man das anders sehen.

Lesen Sie in den folgenden Tagen, wie sich Kokurrenzkampf und veränderte Produktionsbedingungen auf Köln auswirken, warum man sich als Fernsehmacher in Hamburg wohlfühlen kann, warum "Night Wash" nicht in München funktioniert und wie die neue Identität von Berlin als Unterhaltungsstandort aussieht.