Mit einem Vorurteil, das sich bei kurzem Überlegen vielleicht aufdrängt, kann auf jeden Fall schnell aufgeräumt werden: Auch wenn es den Menschen in den neuen Bundesländern vielleicht wirtschaftlich im Schnitt eher schlechter gehen mag: Eine eindeutige Tendenz, dass Helpshows wie etwa "Raus aus den Schulden" eher im Osten der Republik gesehen werden, lässt sich nicht feststellen. Gerade Schuldnerberater Zwegat (Foto rechts) erreicht beispielsweise im Westen einen höheren Marktanteil als im Osten.
Verallgemeinern lässt sich das indes nicht: Wenn Vera Int-Veen in "Helfer mit Herz" Hilfe organisieren will, dann interessiert das die ostdeutschen Bundesbürger mehr als ihre Landsleute im Westen. Womöglich hat das aber auch etwas mit dem Vorprogramm zu tun: Jauchs Fans sitzen anscheinend nämlich überwiegend in den neuen Ländern. "Wer wird Millionär" erzielt in jedem Fall vor allem bei den jüngeren Zuschauern in Ostdeutschland signifikant höhere Quoten als in Westdeutschland - am vergangenen Freitag betrug der Unterschied beispielsweise fast vier Prozentpunkte.
Im Osten Shows, im Westen Politik?
Allgemein scheint man in den neuen Ländern eher Shows zu mögen. Zahlreiche Vertreter des Genres erzielen dort bessere Quoten als im Westen. Auch beim Sat.1-Erfolg "Das weiß doch jedes Kind" war das nicht anders: Cordula Stratmann erzielte bei Jung und Alt klar höhere Quoten in Thüringen, Sachsen und Co. als in den westlichen Ländern.
Unterschiede gibt es in vielen Genres, besonders dramatisch fallen sie aber bei den Polittalks aus. Beispiel Anne Will: Die ARD-Neu-Talkerin hatte bei ihrer zweiten Sendung in allen neuen Bundesländern zusammen gerade mal rund 40.000 14- bis 49-jährige Zuschauer, der Marktanteil lag bei miserablen 1,6 Prozent. Zwar lief es für "Anne Will" auch im Westen nicht besonders gut, dennoch lag der Marktanteil hier mehr als drei Mal so hoch.
Das fehlende Interesse der Ostdeutschen ist dabei kein Problem des Alters. Auch wenn man das Gesamtpublikum betrachtet sind die Unterschiede zwischen Ost und West bei "Anne Will" kaum geringer. Auch ihrer Kollegin Maybrit Illner - immerhin in der ehemaligen DDR aufgewachsen - ergeht es nicht viel besser. In der vergangenen Woche kam sie am Donnerstagabend mit ihrem Polittalk auf 13,0 Prozent Marktanteil in den alten, aber nur auf 7,1 Prozent Marktanteil in den neuen Ländern.
Derart große Unterschiede bleiben natürlich im Großen und ganzen Ausnahmen, doch auch bei beliebten US-Serien wie "Grey's Anatomy" oder "Desperate Housewives" zeigen sich eindeutige Differenzen zwischen Ost und West. Insbesondere die "Desperate Housewives" finden ihre Fans vor allen Dingenin den alten Ländern, während die Serie beispielsweise in der vergangenen Woche mit nur knapp über 10 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe im Osten gefloppt wäre. Auch "Grey's Anatomy" kommt im Osten deutlich schlechter an als im Westen. Eine wirklich gesamtdeutsche Serie ist dafür das in Leipzig spielende "In aller Freundschaft" im Ersten.
Wenig "Lindenstraßen"-Fans im Osten
Eine eindeutig westdeutsche Serie ist hingegen die "Lindenstraße" - vermutlich auch, weil sie noch während der Teilung Deutschlands gestartet ist. Die Unterschiede sind hier gewaltig: Während der Marktanteil im Westen an der 20-Prozent-Marke kratzt, liegt er im Osten nur leicht über 10 Prozent. Bei den 14- bis 49-Jährigen fällt der Unterschied zwar geringer aus, bleibt aber dennoch signifikant.
Geht also 17 Jahre nach der deutschen Einheit noch ein Riss durch Fernsehdeutschland? Eine allgemeine Aussage zu treffen, ist schwer. In vielen Genres sind die Unterschiede nur gering. Dazu kommt, dass regionale Unterschiede ganz natürlich sind und sich auch ergeben würden, wenn man etwa Bayern mit Schleswig-Holstein vergleicht. Dennoch: Sorgen bereiten muss vor allem unseren Politikern die weitgehende Ablehnung der Polittalks in den neuen Ländern - die Politikverdrossenheit lässt grüßen.