
"Verschlimmbessern" sollte seit zwei Jahren zum amerikanischen Wortschatz gehören, so wie schon andere deutsche Wörter den Weg in die englische Sprache gefunden haben. Das Wort beschreibt am Besten, was Millionen Amerikaner seit dem Herbst 2005 wöchentlich zu lesen bekommen. Der "TV Guide" hat die Revolution versucht und hätte es lieber bleiben lassen sollen.
Wer den alten "TV Guide" bislang nicht kannte, der muss ihn sich etwa wie ein auf DIN A5 gepresstes Telefonbuch vorstellen. Billiges Recyclingpapier und Miniformat machten wenig her, aber reichten aus um den eigentlichen Zweck zu erfüllen: Die Programmlistings der Sender waren ausführlich und weitestgehend für volle 24 Stunden nachzulesen.
Diese werden in Amerika traditionell in Zeilen gedruckt, nicht wie in Deutschland in Spalten. Dies ist für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich aber kein Gegenstand der Kritik. Es macht sogar Sinn für das US-TV. Erstens macht die Vielzahl der Sender eine Darstellung wie wir es in Deutschland gewohnt sind, einfach unmöglich und zweitens beginnen in Amerika ohnehin (fast) alle Sendungen nur zur vollen oder halben Stunde was für relative Übersicht sorgt.
Jetzt begab sich aber die Problematik, dass durch das Internet, das "TV Guide"-eigene Webangebot sowie den eigenen "TV Guide"-Kanal, der rund um die Uhr über das laufende Programm aller Sender informiert, der gedruckte "TV Guide" unter Auflagenschwund litt. Es folgte also die übliche Reaktion: Ein Relaunch musste her. Und dieser fiel so revolutionär aus wie keiner befürchtet hatte.
Von DIN A5 auf DIN A4, von weitestetgehend schwarz-weiß auf durchgängig farbig. Bis dahin klingt der Relaunch gut und sieht sogar optisch ansprechend aus. Hochglanzoptik und ein mit über 50 Seiten deutlich ausführlicherer Magazinteil als es die meisten deutschen Programmzeitschriften anbieten, sind nette Beigaben. Doch sollte der "TV Guide" als einzige Programmzeitschrift des Landes, doch vorallem der Programminformation dienen.
Genau da beginnt die Farce: Auf weniger als 40 Seiten des über hundertseitigen Heftes geht es ums aktuelle Fernsehprogramm. Nur vier Seiten pro Tag, nur zwei davon sind tatsächlich Programmlistings - fast jede deutsche Programmzeitschrift informiert umfassender oder anders gesagt: Vollständig. Denn bei gerade einmal zwei Seiten mit Programmlistings für über 80 Sender muss etwas auf der Strecke bleiben, das begreift jeder, selbst der, der den neuen "TV Guide" nicht einmal in der Hand hatte.
Und in der Tat: Nur das Primetime-Programm von 20 bis 23 Uhr wird abgedruckt - das ist kein Scherz. Für Spartensender exisitiert noch eine Doppelseite mit dem Daytime-Programm an Werktagen sowie je eine Seite mit dem Latenight-Programm und dem Spielfilm-Programm der PayTV-Sender. Die größten Networks Amerikas sind nur mit ihrem dreistündigen Primetime-Programm vertreten - mehr Programminformation bietet Amerikas einzige Programmzeitschrift nicht. Pech gehabt?!
Der Hintergrund: In jeder Stadt bzw. Region der USA sieht das Daytime-Programm der großen Networks u.a. durch lokale Sendungen völlig anders aus. Bislang gab es für jede Stadt/Region eine eigene Ausgabe des dafür dann aber billiger produzierten "TV Guide" in Telefonbuch-Qualität. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall. Nur eine Ausgabe für die westlichen Zeitzonen sowie die östlichen Zeitzonen - mehr Versionen gibt es nicht.
Amerikas einzige Programmzeitschrift hat sich selbst ins Aus geschossen: Neue bunte Optik aber null Information. Dreist wird der Leser stattdessen aufgefordert, sich die restlichen Programminformationen im Internet anzuschauen und gegebenenfalls auszudrucken - "aktueller gehts nicht", so der Werbespruch für diesen "Service". Umso erstaunlicher ist, dass sich im September 2007 kaum etwas an dem gerelaunchten "TV Guide" geändert hat. Weder an dem katstrophalen Konzept noch an der Auflage. Wenn ersteres dem Verlag schon egal sein sollte, müsste zumindest zweiteres für Handeln sorgen.