Foto: DWDL.deEs fehlt der Welt sicher nicht an Merchandising-Artikeln. An Werbeaktionen, Werbespots und Anzeigen. An absurder Promotion und schwitzenden Studenten in Maskottchen, die wahlweise nur lustig winken oder Flyer verteilen, die wiederum einige Meter weiter lieblos auf dem Bürgersteig liegen. Doch wer sich schon in Deutschland beschwert, der sollte nach Amerika reisen. Und dort ist es nirgendwo extremer als in New York City. Legendär ist der Times Square mit blinkenden Lichtern, bunter Reklame und allerlei Unterhaltung. Es ist das Zentrum des (touristischen) Kommerz und Werbemittelpunkt der inoffiziellen Welthauptstadt. Am Ende eines Tages hat der New Yorker - egal ob bewusst oder unbewusst - so viele Marken und Produkte auf Plakaten und anderen Werbeformen gesehen, wie es allenfalls noch die Großstadt-Chinesen in Shanghai und Hong Kong oder die Japaner in Tokyo erleben. Man darf es Reizüberflutung nennen, die Touristen fasziniert - und Einheimische irgendwann ausblenden.

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Jetzt stelle man sich vor, es würde reichen zwölf Supermärkte neu zu dekorieren, um damit weltweit Schlagzeilen zu machen. Klappt nicht? Klappt doch. Für den langersehnten "Simpsons"-Kinofilm haben die Produktionsfirma 20th Twentieth Century Fox und die US-Supermarktkette 7-Eleven im März diesen Jahres einen Deal geschlossen: Zwölf Filialen der Kette in den USA werden im Sommer für einen Monat zu "Kwik-E-Marts". Einkaufen wie bei den "Simpsons". Einmal shoppen wie Homer. Aber eben nur in zwölf Filialen der Kette 7-Eleven, deren Name sich übrigens aus den Verkaufszeiten von sieben Uhr morgens bis elf Uhr abends ableitet. Zur Zeit der Unternehmensgründung im Jahr 1927 war das eine Sensation, was im Namen verewigt werden sollte.

Foto: DWDL.deSeit dem 1. Juli gibt es dort die Produkte mit denen sich sonst nur Homer und seine Familie den Bauch vollstopfen können. Man findet in den "Kwik-E-Marts" z.B. das Krusty-Müsli mit seinem abartig hohem Zuckergehalt oder Buzz Cola. Allerdings kein Duff Bier. Dafür aber das von Bart und seinem Freund Milhouse so geliebte Eisgetränk "Squishee". Und hier bekommt die Werbeaktion noch einen weiteren Witz: "Squishee" ist die Serien-Persiflage eines Getränkes, das es in den 7-Eleven-Läden wirklich gibt. Dort heißt es normalerweise "Slurpee" und ist seit den 60er Jahren ein Verkaufshit der Ladenkette. Für die Aktion waren daher praktischerweise nur neue Etiketten nötig - die Automaten gab es schon. Wer lieber isst als trinkt, der kann alternativ zu den pinken Donuts greifen, die Homer so liebt.

Neben den Produkten aus der Serie und allerlei nicht ganz ernst gemeinten Werbeplakaten mit Sprüchen wie "Buy 3 for the Price of 3" oder "Buy the simpsons stuff (or something else)" sind die Geschäfte vollgestellt mit Simpsons-Aufstellern. Ab und an lässt sich jemand damit fotografieren. Und doch: Das eine 7-Eleven-Geschäft in New York, dass zu einem "Kwik-E-Mart" umfunktioniert wurde, findet wenig Zuspruch. Das ist nicht der Idee oder Umsetzung geschuldet, es ist das Problem der Supermarktkette 7-Eleven. Die besitzt keine Filiale direkt am Times Square. Nur wer sich zwei Blöcke westlich in die wenig attraktive Gegend um den überdimensional großen sowie hässlichen New Yorker Busbahnhof bewegt, wird das Geschäft entdecken.

Foto: DWDL.deSo sind es in erster Linie Pendler, die morgens aus den Vororten am Port Authority Bus Terminal ankommen und am Nachmittag wieder die Heimreise antreten. Sie wollen schnell etwas zu trinken oder einen Hot Dog, schimpfen vereinzelt über die Aktion wegen den vermeintlichen Touristen, die das bekannt schnelle Tempo des Lebens in New York City mit ihrer bloßen Anwesenheit und ständigem Fotografieren schon ausbremsen. Dabei stört bei meinen Besuchen in dem Geschäft selten ein Tourist oder "Simpsons"-Fan den Verkauf. Nur einmal kommt eine ganze Schulklasse vorbei und es wird ohrenbetäubend laut.

Ein Einkauf im "Kwik-E-Mart" lehrt so auch die wichtigste Vokabel im amerikanischen Englisch. Egal in welchem Alter - mit Ausnahme der Senioren - finden Amerikaner grundsätzlich alles irgendwie "awesome". Großartig. Erzählen Sie einem Amerikaner dann, dass der Film in Deutschland einen Tag früher startet als im Heimatland der "Simpsons", lernen Sie eine zweite wichtige Vokabel: "Bullshit". Aber es stimmt. Und in ausgewählten Städten laufen schon am Mittwochabend Previews des wohl meisterwarteten Film des Jahres. Von dieser Spitze der "Ungerechtigkeit" werden aber die wenigsten Amerikaner etwas erfahren.

Foto: DWDL.deDie Schulklasse in New York hat übrigens nichts gekauft. Keiner. Nichts. Ich verfolge erstaunt wie alle nacheinander - mehr oder weniger geordnet - das Geschäft verlassen. Eine der beiden Lehrerinnen erklärt mir, dass sie das nicht erlauben könne. Solange die Eltern nicht informiert sind, dass bei einer gemeinsamen Aktivität eventuell Geld ausgegeben werden könnte, darf sie keines der Kinder dazu animieren. Sie bemerkt mein ungläubiges Gesicht und erklärt, dass so verhindert werden soll, dass sozial schwächere Kinder, die es sich nicht leisten können, bloßgestellt werden.
So haben mich meine Besuche in dem "Kwik-E-Mart" - wie die Serie und der "Simpsons"-Film selbst - etwas über Amerika gelehrt. Und über sympathisches Marketing - abseits der grellen Leuchtreklamen am Times Square. Hier hat man es - abgesehen von der unglücklichen Lage des New Yorker Geschäfts - geschafft die Konsumenten über die Idee und nicht über nervige Penetration zu erreichen. Die Begeisterung der Amerikaner für ihre TV-Helden, der Kult um die Formate - etwas, was in Deutschland in der Ausprägung schwer vorstellbar ist. Ein "Stromberg" versucht es, aber nicht in der Konsequenz wie hier geschehen. Jetzt muss nur noch der Film halten, was das Marketing verspricht.