
Bis heute kokettiert Ferdinand Wegscheider mit seinem Image des vermeintlichen Rächers der kleinen Leute, der die "Mainstream-Medien", wie er andere Medien mit Ausnahme seines Senders gerne bezeichnet, vor sich hertreibt. Auch zuletzt bezeichnete er Journalistinnen und Journalisten von anderen Medien, die über 5 Jahre Corona berichteten, als "Täter" und "Mittäter", die kein Interesse daran hätten, "dass die Wahrheit ans Licht kommt". Die Wahrheit ist: Auch im Sender stehen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrem Vorgesetzten und seinen Aussagen sehr kritisch gegenüber.
Auch intern sorgten und sorgen die regelmäßigen Verbalausfälle des ServusTV-Chefs für Kopfschütteln. Und während Wegscheider seine Schwurbeleien auch künftig live on Air verbreiten darf, sind seine Tage als Senderchef gezählt. Im September räumt er seinen Posten als Intendant, wie ServusTV den Posten bezeichnet. Menschen mit Einblick in den Konzern sagen, Wegscheider gehe nicht aus freien Stücken. Erst im vergangenen Jahr erklärte Wegscheider öffentlich, er sei nicht der Typ, der mit 65 in Pension gehe. Am 2. September wird er 65 Jahre alt.
Das spricht eher für keinen Abgang aus freien Stücken. Die Chefs von Wegscheider sollen in der Vergangenheit nicht gerade glücklich gewesen sein über dessen ständige Schwurbeleien. Aber ServusTV ist wie Red Bull ein ziemlich verschlossenes Unternehmen, öffentlich hat bislang niemand Kritik geäußert. Da wird schon ein internes Statement des zuständigen Red-Bull-Geschäftsführers Oliver Mintzlaff mehrdeutig gelesen: "Ohne Dich wäre Servus TV nicht da, wo es heute ist", lobte Mintzlaff den scheidenden ServusTV-Chef. Und ja: Bei einer Person wie Ferdinand Wegscheider ist das maximal zweideutig.
Doch wer wird Ferdinand Wegscheider ab September an der Spitze von ServusTV beerben? Eine öffentliche Kommunikation gibt es vom Sender nicht, auf Anfrage will man sich zum Status Quo des Prozesses nicht äußern. Aber natürlich wird bereits über einige Namen spekuliert, die es werden könnten. Einige von ihnen sind naheliegend, andere weniger. Alle haben bestimmte Vor- und Nachteile.
Goetz Hoefer, der naheliegende Kronprinz

Hoefer hat sich während seiner Zeit beim Sender außerdem als loyal erwiesen - ein nicht zu unterschätzendes Kriterium im Red-Bull-Konzern. Auch intern traten Wegscheider und Hoefer immer wieder gemeinsam auf. Mit Kritik am Chef hielt sich Hoefer zurück. Nach außen hin wird bei ihm aber wohl auch die Frage aufkommen, wie sehr er die Linie von Wegscheider mitgetragen hat und mitträgt. Das vielleicht größte Hindernis für Goetz Hoefer auf dem Weg zum ServusTV-Chef ist aber vielleicht seine Nationalität: Er ist Deutscher. Das ist insofern erwähnenswert, als dass in Österreich noch immer Leute die Nase rümpfen, sobald Ausländer, allen voran Deutsche, Führungspositionen in Unternehmen übernehmen. Zumal ServusTV in Deutschland nach dem Aus des linearen Senders gar nicht mehr wahrnehmbar ist und sich auf Österreich konzentriert.
Österreich-Kenner vom ORF: Matthias Schrom

Schrom räumte seinen Posten als ORF-Chefredakteur, weil kompromittierende Chats zwischen ihm und dem damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache öffentlich wurden (DWDL.de berichtete). Als Leiter aller Redaktionen bei ServusTV, der zuständig ist für die Formatweiter- und Neuentwicklungen, hat er aber schon heute eine gewisse Macht im Sender, die eine Beförderung logisch erscheinen lassen.
Der Mann für die Zahlen: David Morgenbesser

Mit ihm würde Red Bull die Zeichen auf Neuanfang setzen - und doch sicherstellen, dass eine Person den Sender leitet, die ihn schon gut kennt. Gleichzeitig würde Morgenbesser wohl einen Fokus auf Zahlen und Fakten bedeuten - und weniger auf Emotionen und Verschwörungstheorien. Als ausgebildeter Rechtsanwalt fehlt Morgenbesser aber womöglich das Journalistische - noch dazu ist er wie Goetz Hoefer gebürtig aus Deutschland.
Frischer Blick von außen mit Marlene Beran?

Mit ihr könnte Red Bull aber wohl den glaubwürdigsten Neustart wagen. Frei von Schwurbel-Ballast und hin zu einem neuen, offeneren ServusTV. Mit ihr hätte Red Bull eine Frau an der Senderspitze, die die Zahlen des Unternehmens bestens kennt. Nachdem das Geld nur so zum Fenster rausgeschmissen wurde, als Red Bull noch von Dietrich Mateschitz geleitet wurde, musste man auch in Salzburg zuletzt deutlich mehr auf die Ausgaben achten. Das ist vielleicht noch nicht so ausgeprägt wie bei anderen Privatsendern, aber es kann ja nicht schaden, wenn an der Spitze jemand sitzt, die das Thema ernst nimmt.
Die Herausforderungen sind groß
Egal wer es am Ende wird, Goetz Hoefer, Matthias Schrom, David Morgenbesser, Marlene Beran oder eine ganz andere Person - der oder die künftige Chef/in von ServusTV steht vor großen Aufgaben. In den zurückliegenden Jahren ist ServusTV zum stärksten Privatsender Österreichs geworden. Geschafft hat man das nicht nur mit teuer eingekauften Sportrechten, auch die Eigenproduktionen inklusive der Nachrichten laufen stark und fahren immer wieder neue Rekorde ein. Diesen Erfolg gilt es zu halten und im Idealfall auszubauen - gleichzeitig kann es nicht schaden, sich von alten Zöpfen und Wegen zu trennen.
Berührungsängste anderer Sender gab es übrigens auch in den vergangenen Jahren unter Ferdinand Wegscheider nicht. Mit dem ORF kooperiert der Privatsender etwa bei der Formel 1, mit ProSiebenSat.1 hat man eine Vereinbarung über die Inhalteverbreitung bei Joyn geschlossen und zuletzt gab man außerdem die erste Zusammenarbeit bei einem Fiction-Projekt bekannt. Der RTL-Krimi "Alpentod" ist ebenfalls in Kooperation mit ServusTV entstanden und mit dem ZDF produzieren die Salzburger aktuell einen Weihnachts- sowie einen Samstags-Krimi. Die ARD wiederum stieg zuletzt bei der ServusTV-Reihe "Meiberger" ein, darüber hinaus produzieren die Partner aktuell auch eine Miniserie.
Und dennoch war ServusTV speziell in den Jahren ab 2020 zu oft negativ in den Schlagzeilen, weil Ferdinand Wegscheider mit teils verstörenden Aussagen oder Sendungen auf sich aufmerksam machte. Das wurde zunehmend auch zur Belastung für die Belegschaft, die sicherlich nichts dagegen hat, wenn die künftige Senderspitze etwas weniger kontrovers unterwegs wäre.