Seit einigen Tagen stellt Günther Jauch nicht mehr nur Quizfragen im Programm von RTL. Neuerdings gibt der Moderator sein Gesicht auch für eine Kampagne her, die den Streamingdienst RTL+ stärken soll. Damit schielt man in Köln erklärtermaßen vor allem auf jene Menschen, "die bislang noch im linearen Fernsehen zuhause sind". Das Credo: "Der Jauch macht's auch."

Ob Günther Jauch auch die Pay-TV-Kanäle von RTL schaut, ist nicht überliefert. Kaum zu leugnen ist allerdings, dass RTL Crime, RTL Living und RTL Passion spürbar an Bedeutung verloren haben, seit sie vor mehr als 18 Jahren an den Start gegangen sind - zumal auch deren Inhalte längst bei RTL+ zum Abruf bereitstehen. Keine Frage, klar und unterscheidbar positioniert sind sie mit ihrem Fokus auf Krimiserien, Lifestyle-Dokus und soapigen Geschichten. Aber: Braucht's dafür 2025 ernsthaft noch lineare Sender, die nur gegen Aufpreis zu haben sind?

Oliver Schablitzki © RTL / Boris Breuer Oliver Schablitzki
Oliver Schablitzki, Bereichsleiter Multichannel, spricht ohnehin lieber davon, dass sich die Kanäle "erheblich weiterentwickelt" haben. "Ursprünglich als lineare Sender gestartet, bieten alle RTL-Pay-TV-Sender heute ein hybrides Modell, das sowohl lineare als auch non-lineare Inhalte umfasst", sagt Schablitzki zu DWDL. So verfüge jeder der Sender, zu denen bei der letzten Erweiterung vor mehr als zehn Jahren auch Geo Television hinzugekommen ist, über ein SVoD-Angebot mit rund 500 Stunden an Inhalten. "Diese Entwicklung spiegelt den Wandel im Zuschauerverhalten wider und zeigt die Ausrichtung der RTL-Pay-TV-Sender auf die Bedürfnisse der Zuschauer."

Man könnte auch sagen: Der Fokus verlagert sich auch in diesem Bereich zunehmend aufs Streaming. Tatsächlich werden längst "ausgewählte internationale Programme" gemeinsam mit RTL+ eingekauft und "sowohl linear als auch im SVoD ausgewertet", erklärt Schablitzki, der die Sender aber nicht nur als reine Abspielstationen sieht. Im Durchschnitt bieten man über alle Sender hinweg "monatlich zwei exklusive Deutschlandpremieren und dazu eine erhebliche Anzahl an Senderpremieren", sagt er. 

"Rekordwert bei den Abonnenten"

Ganz ähnlich klingt das, wenn man sich in Unterföhring umhört. Dort betreibt ProSiebenSat.1 seit 2006 den Sender Kabel Eins Classics, der damit im kommenden Jahr sein 20-jähriges Jubiläum feiern wird. Seit 2012 sind außerdem ProSieben Fun und Sat.1 Emotions on air, Letzterer als Nachfolger von Sat.1 Comedy. Investiert wird nach wie vor: Von jährlich "mehreren hundert Stunden" an deutschen Erstausstrahlungen ist die Rede. Doch auch hier bekommt man die veränderte Fernsehnutzung zu spüren. "Unsere drei Pay-TV-Sender entwickeln wir kontinuierlich weiter und berücksichtigen natürlich auch die allgemeine Marktentwicklung", sagt Nicole Agudo Berbel, Chief Distribution Officer bei ProSiebenSat.1, zu DWDL und spricht ebenso wie ihr RTL-Kollege von einem "hybriden Ansatz" mit linearem und non-linearem Angebot.

Nicole Agudo Berbel © Seven.One Entertainment Nicole Agudo Berbel
Auf diese Weise biete man dem Publikum "einen großen Mehrwert", betont Agudo Berbel, die zugleich auch als Geschäftsführerin von Joyn fungiert - was zeigt, wie eng die Bereiche inzwischen miteinander verzahnt sind. Kein Wunder also, dass man "einen klaren Fokus auf den weiteren Ausbau von VoD-Rechten" setzt - auch, weil mit Blick auf die Reichweiten im Linearen der Peak längst erreicht oder gar überschritten sein dürfte. Man sehe im Pay-TV, "dass sich die lineare Nutzung über alle Plattformen hinweg stabil entwickelt, während wir in der Mediathekennutzung ein signifikantes Wachstum über alle Plattformen hinweg sehen", sagt die ProSiebenSat.1-Managerin.

Wie viele Menschen die Pay-TV-Sender letztlich abonniert haben, wollen sowohl ProSiebenSat.1 als auch RTL Deutschland übrigens nicht sagen. Weil die Kanäle jedoch Teil vieler Zusatzpakete bei Kabelnetzbetreibern oder MagentaTV sind, ist davon auszugehen, dass sich auch 2025 mit deren Verbreitung noch gutes Geld verdienen lässt. Auch getrieben durch Joyn Plus, worüber ProSieben Fun & Co. ebenfalls gesehen werden können, entwickle sich die Abonnentenzahl positiv, heißt es aus Unterföhring. Und RTL spricht gar von einem "Rekordwert bei den Abonnenten". 

Nach einem baldigen Aus der Pay-TV-Sender sieht es also bei beiden großen Sendergruppen derzeit nicht aus - trotz der zunehmenden Verlagerung in Richtung Streaming, wo mit den werbefinanzierten und oft in eintöniger Dauerschleife programmierten FAST-Channels ja bereits der nächste Trend lauert. So hat etwa ProSiebenSat.1 angekündigt, sein bereits bestehendes Angebot an über 30 FAST-Channels in diesem Jahr um weitere 30 neue Sender auszubauen. "Diese haben den Vorteil, dass sie einerseits kuratierten Content in einem Channel bieten, andererseits aber auch innerhalb des Angebots zu bestimmten Inhalten vor- und zurückspringen lässt", sagt Nicole Agudo Berbel.

Konkurrent RTL hat ebenfalls einen Ausbau seines FAST-Angebots in Aussicht gestellt. Vielleicht sollte sich Günther Jauch also schon mal bereithalten für die nächste Kampagne.