Dass es beim Serienmachen in der Regel auf harte Arbeit hinausläuft, hat selten jemand so schön umschrieben wie Hollywood-Star Amanda Seyfried am Rande der Series Mania. Bei der Vorstellung ihrer jüngsten Crime-Drama-Serie "Long Bright River" – in den USA gerade auf Peacock angelaufen – gab sie zu Protokoll, sie habe sich "den Arsch aufgerissen", nicht nur wegen des kalten, regnerischen Wetters während der Dreharbeiten in Philadelphia, sondern vor allem angesichts der enormen Verantwortung gegenüber den echten Polizisten und den echten Drogenabhängigen an jenem Brennpunkt, der den Schauplatz der Romanverfilmung bildet.
Verglichen damit war der Trip ins nordfranzösische Lille, um hier die Europapremiere des herausragenden Familien- und Sozialdramas im Mantel einer Cop-Show zu feiern, vermutlich eine Kleinigkeit. Mehr zu ackern hatte Sony Pictures Television als Weltvertrieb, um termingerecht etliche Lizenzverkäufe unter Dach und Fach zu bringen. Wie am Rande des Festivals bekannt wurde, kommt "Long Bright River" zu Max in Frankreich, Polen, Mittel- und Osteuropa, Channel 4 in Großbritannien, Movistar Plus in Spanien sowie Tim Vision in Italien. Einen Abschluss für Deutschland wollte Sony auf Nachfrage nicht bestätigen.
Ein prominenter Serien-Export wie dieser kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Nachschub aus dem US-Markt konjunkturbedingt noch stärker zurückgegangen ist als die Produktionstätigkeit in Europa. Insgesamt verzeichnete der britische Marktforscher Ampere Analysis voriges Jahr einen globalen Durchschnitt von 587 seriellen Neubeauftragungen pro Quartal – ziemlich genau 25 Prozent weniger als noch 2022. Immerhin hatte Ampere-Chef Guy Bisson bei der Vorstellung der Zahlen auf dem Series Mania Forum einen Trost parat: Nach dem Extrem-Einbruch im Jahr 2023 habe Europa im zweiten Halbjahr 2024 erstmals wieder ein Nullwachstum gegenüber dem Vorjahr erreicht.
Die flächendeckenden Einsparungen wirken sich demnach sehr unterschiedlich auf verschiedene Genres aus: Während Comedy- und Crime-Serien schon wieder häufiger beauftragt und seltener gecancelt wurden als ein Jahr zuvor, ging es den tendenziell kostspieligeren SciFi- und Fantasy-Serien deutlich öfter an den Kragen. Die sechs globalen Streaming-Plattformen – Netflix, Prime Video, Disney+, Max, Paramount+ und Apple TV+ – beauftragten in Europa im zweiten Halbjahr 2024 laut Ampere zwischen 40 und 50 Prozent mehr Crime und Comedy sowie fast 80 Prozent mehr Romance als im Vorjahr, dafür aber 20 Prozent weniger SciFi und Fantasy sowie über 30 Prozent weniger Kinderserien. 35 Prozent aller Neubeauftragungen der großen Sechs landeten in Europa, das damit fast auf Augenhöhe mit Nordamerika (39 Prozent) liegt.
Dass die Streamer einen höheren Anteil ihrer Serien in Europa produzieren, heißt indes noch lange nicht, dass die hiesige Produktionswirtschaft gleichermaßen davon profitiert. Der Ampere-Statistik zufolge haben vor allem Amazon, Warner Bros. Discovery und Disney mehr Titel inhouse produziert als noch 2022, während die stark gewachsenen europäischen Produktionsgruppen – allen voran die drei Franzosen Banijay, Mediawan und Federation Studios – ihre Streaming-Aufträge ebenfalls steigern konnten. "Mit den Amerikanern kamen die inflationären Kostensteigerungen in unsere Märkte. Damit müssen wir jetzt alle zurechtkommen", gab Carolina Lorenzon, Director of International Affairs bei MediaForEurope (MFE), auf einem Panel des Series Mania Forums zu bedenken. Noch pointierter formulierte es Manuel Alduy, Leiter der internationalen Fiction bei France Télévisions: "Wir haben weniger Geld als vorher und alles ist viel teurer als vorher."
Dass insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen quer durch Europa noch immer die tragende Säule in Sachen Fiction sind, wurde bei der Präsentation der "Key Trends in TV" der European Audiovisual Observatory (EAO) klar. Von den 853 Serienstaffeln, die 2023 in Europa beauftragt wurden, gingen laut den Marktforschern des Europarats 55 Prozent aufs Konto öffentlich-rechtlicher TV-Sender. Privatsender mit 31 Prozent und die globalen Streamer mit 14 Prozent lagen demnach weit zurück.
Umso alarmierender für die Branche, wenn nun auch die gebührenfinanzierten Broadcaster schwächeln. "Zwar steigen die nominellen Etats der Öffentlich-Rechtlichen europaweit leicht an, doch inflationsbereinigt sinken sie fast überall", so EAO-Forschungschef Gilles Fontaine. Nein, eine Wachstumsdynamik lasse sich in seinem Segment wahrlich nicht feststellen, bestätigte France-TV-Manager Alduy. Großartige Serien zu stemmen, werde somit immer härtere Arbeit.