Nicht nur politisch entwickeln sich die USA und Europa aktuell in einem atemberaubenden Tempo in zwei sehr unterschiedlichen Richtungen. Auch in der Medienbranche ist die Kluft mittlerweile deutlich zu erkennen - und nichts macht das deutlicher als die Programme und Projekte in dem Bereich Diversity, Equity, Inclusion (DEI). Etliche US-Konzerne haben in den zurückliegenden Wochen ihre mühsam aufgebauten DEI-Programme zurückgeschraubt, um nicht zur Zielscheibe von Trump, Elon Musk oder einem anderem hart rechts abgebogenen Republikaner zu werden.
Bei Google gibt es keine Einstellungsziele mehr, um die Vielfalt in der Belegschaft zu verbessern und auch Meta hat mehrere Programme beendet, mit denen die Einstellung von Bewerbern mit unterschiedlicher Herkunft gefördert werden sollte. Die "rechtliche und politische Landschaft" habe sich in den USA geändert, hieß es von Meta. Das US-Magazin "Forbes" hat eine beeindruckende Liste zusammengestellt, welche Unternehmen bereits eingeknickt sind und Änderungen an ihrer Diversity-Policy angekündigt haben.
Und auch bei recht klassischen Medienkonzernen wie WarnerBros. Discovery und Paramount hat es Veränderungen in diesem Bereich gegeben. Disney hat auf seiner Streamingplattform Warnungen vor alten Filmen entfernt bzw. entschärft. In den kurzen Texttafeln hatte man in den vergangenen Jahren auf unangebrachte Darstellungen hingewiesen, die früher oftmals an der Tagesordnung waren.
Eine ganz besondere Bauchpinselei von US-Präsident Donald Trump betreibt Amazons Streamingdienst Prime Video. Dort nahm man kürzlich für Userinnen und User in den USA das Format "The Apprentice" ins Programm, dort war Trump einst in einer Hauptrolle zu sehen. Zusätzlich agierte er als Executive Producer. Prime Video will die ersten sieben Trump-Staffeln zeigen, sie kommen erstmals ins Angebot des Dienstes. Bei Netflix darf Komiker Tony Hinchcliffe mehrere Specials präsentieren. Hinchcliffe trat früher bei Trump-Veranstaltungen auf und fiel mit rassistischen Witzen auf.
Und während sich einige Unternehmen weiterhin zu divers aufgestellten Teams bekennen und trotzdem Eingeständnisse gegenüber der neuen Regierung machen, steht ganz konkret zu befürchten: Hier wird nicht nur an Begrifflichkeiten geschraubt, um nach außen hin nicht zur Zielscheibe von Trump, Musk & Co. zu werden. Es droht ein Stück gelebte Unternehmenskultur der vergangenen Jahre zu sterben - mit entsprechenden Auswirkungen auch auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Allen voran auf solche, die marginalisierten Gruppen angehören.
Wie tief auch immer die Veränderungen in den Unternehmen gehen, klar ist: Donald Trump hat ein Momentum und viele große Konzernbosse erweisen sich als Opportunisten, die ihre Strategie wie ein Fähnchen im Wind drehen. Erst vor wenigen Wochen ist ein Fall eines ehemaligen Disney-Managers bekannt geworden, der den Unterhaltungsriesen verklagt hat, weil dieser ihm angeblich eine Beförderung verweigert haben soll mit der Begründung, er sei ein alter weißer Mann. Es sind Schlagzeilen wie diese, auf die die Republikaner um Trump nur warten, um ihre eigene Agenda durchzudrücken. Zumal Disney ohnehin eine beliebte Zielscheibe der Rechtspopulisten ist.
In Deutschland ticken die Uhren noch anders

Die UFA hatte den Diversity Circle vor einigen Jahren gegründet, um das Thema DEI in der Produktionsfirma voranzutreiben. Die Gruppe besteht aus Botschafterinnen und Botschaftern verschiedener marginalisierter Gruppen. Während Dorothea Goldstein das Thema Alter abdeckt, sind die weiteren Mitglieder des Circles Juliana Maug (People of Color), Markus Schroth (Queer), Marit Krücken (Gender), Jeannette Venzke (Menschen mit Behinderungen) und Tobias Kloetzing (Antidiskriminierung).
"Wir blicken mit Sorge auf diese Entwicklung"
Dorothea Goldstein, ausführende Produzentin bei der UFA Fiction und Mitglied des Diversity Circles
"Die Entwicklungen in den USA lassen an der Glaubwürdigkeit der Unternehmen zweifeln", sagt Kloetzing gegenüber DWDL.de. "Wenn in den vergangenen Jahren Diversity-Themen groß geschrieben wurden und plötzlich alles zurückgedreht wird, sobald eine neue Regierung an der Macht ist, ist das ein fatales Bild." Es gehe schließlich nicht nur um die Außenwirkung, sagt der Projektmanager Legal Affairs. "Es geht auch darum, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Unternehmen sicher fühlen und wissen, dass sie gesehen und gehört werden."
In Deutschland werde das Thema Diversität in seinen verschiedenen Ausprägungen jedenfalls ernst genommen, sagen die Mitglieder des Diversity Circles einhellig. Bei der UFA schlägt sich das nun auch in der zweiten Runde des Wettbewerbs #perspectivematters nieder. Bei der Serien-Ausschreibung sucht man Inhalte, die speziell von verschiedenen, marginalisierten Gruppen verantwortet werden. In diesem Jahr steht das Thema Alter im Fokus. Gesucht werden die "besten Geschichten aus der zweiten Lebenshälfte", konkret geht es um ein fiktionales, serielles Format mit einer Folgenlänge zwischen 15 und 45 Minuten, auch Dokus und Docutainment-Formate sind möglich.
Gesucht: Stoffe von älteren Frauen und Männern
Die Ausschreibung richtet sich explizit an Filmschaffende sowie Autorinnen und Autoren im Alter ab 50 Jahren. Interessierte können sich noch bis zum 11. Mai bewerben. Ende Juli soll der Gewinnerstoff bekannt gegeben werden. Honoriert wird die beste Idee mit 3.000 Euro, außerdem gibt es die Option auf eine Stoffentwicklung mit dem Ziel einer seriellen Verfilmung. Eine externe sowie interne Jury bewertet die eingereichten Ideen.
Beim ersten Durchlauf des Wettbewerbs vor zwei Jahren stand das Thema Behinderung im Vordergrund. Damals hatten sich Eike Weinreich und Nikolas Kuhl mit ihrer Serienidee "Das unorganisierte Verbrechen" durchgesetzt. Und auch wenn es danach ruhig um das Projekt geworden ist - hinter den Kulissen wurde fleißig an einer Umsetzung gearbeitet. So wurde unter anderem ein Kurzfilm produziert. "Wir sind in konkreten und vielversprechenden Gesprächen, um den Stoff zu verkaufen", sagt Jeannette Venzke gegenüber DWDL.de.
"Es gibt viele Filme mit älteren Figuren, oft werden dabei aber Klischees bedient oder das Alter von Personen nicht realistisch dargestellt. Diese Lücke wollen wir füllen."
Dorothea Goldstein
Jetzt geht’s also ums Alter. Ein Thema, das sich etwa auch die Journalistin Silke Burmester seit vielen Jahren auf die Fahnen geschrieben hat. "Wir glauben, dass es noch ausreichend Platz gibt für Geschichten, gerade im seriellen Bereich, mit Hauptfiguren jenseits der 50 Jahre", sagt Dorothea Goldstein. "Es gibt viele Filme mit älteren Figuren, oft werden dabei aber Klischees bedient oder das Alter von Personen nicht realistisch dargestellt. Diese Lücke wollen wir füllen." Im Gegensatz zu Männern seien ältere Frauen im Fernsehen noch weniger repräsentiert, heißt es aus dem Diversity Circle.
Wettbewerb als Ergänzung
Doch wieso braucht es einen Wettbewerb wie #perspectivematters überhaupt und wäre es nicht besser, das Thema Diversity ganz natürlich in alle Produktionen zu integrieren? "Zur Philosophie der UFA gehört es dazu, die Diversitätskriterien bei allen Produktionen mitzudenken", entgegnet Dorothea Goldstein. Der Wettbewerb jetzt sei eine Ergänzung zu den ohnehin bestehenden Bestrebungen, bei jeder Produktion vor und hinter der Kamera möglichst divers aufgestellt zu sein. Bei einem gesonderten Wettbewerb könne man aber auf spezifische Themen und Perspektiven fokussiert eingehen und Menschen aus bestimmten Lebensrealitäten die Chance geben, ihre Geschichten zu erzählen.
In den USA hätte die UFA mit ihrer Haltung und den konkreten Programmen zur Stärkung von Diversität auf dem Bildschirm, aber auch dahinter, aktuell wohl einen schweren Stand. Und auch wenn man sich im Diversity Circle ob der Entwicklungen in den USA sorgt, so haben diese keine Auswirkungen auf die eigene Arbeit. "Außer vielleicht eine zusätzliche Motivation, sich davon nicht beeindrucken zu lassen", sagt Dorothea Goldstein.