Die Mühlen der Politik mahlen manchmal ziemlich langsam, so ist es auch in Sachen Reformstaatsvertrag. Also das Stück Papier, auf das sich die Medienpolitik sowie die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten bereits im Oktober des vergangenen Jahres geeinigt hatten (DWDL.de berichtete). Denn obwohl der Vertrag auf oberster Ebene längst beschlossen ist, ist er noch weit davon entfernt, auch tatsächlich in Kraft zu treten. Diesem Ziel will die Politik an diesem Mittwoch auf der MPK einen kleinen Schritt näher kommen. Nach der Vorunterrichtung der Landtage soll der Reformstaatsvertrag jetzt unterzeichnet werden.
Aber auch danach ist es noch ein weiter Weg, bis alles in Recht und Gesetz gegossen ist. Denn erst nach der Unterzeichnung, die aus organisatorischen Gründen im Umlaufverfahren erfolgt, werden sich die Landtage tatsächlich damit beschäftigen. Sie müssen ohne Ausnahme in den kommenden Wochen und Monaten grünes Licht geben, damit der Reformstaatsvertrag wie vorgesehen zum 1. Dezember in Kraft treten kann.
Insofern ist in Sachen ÖRR-Reform also erst einmal alles auf Schiene, wobei die Abstimmung in den Landtagen ebenfalls noch herausfordernd sein dürfte. In Thüringen etwa kommt die seit einigen Monaten im Amt befindliche Minderheitsregierung aus CDU, SPD und BSW auf keine Mehrheit. Und auch in Sachsen regiert Ministerpräsident Michael Kretschmer nur mit einer Minderheitsregierung. Schafft es der Reformstaatsvertrag nicht durch alle Parlamente, stehen die im vergangenen Jahr mühsam ausgehandelten Reformen für ARD und ZDF auf der Kippe.
Völliger Stillstand herrscht aktuell zudem in Sachen Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag. Im Dezember hatten sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten bekanntlich auch auf ein neues Finanzierungsmodell für die Öffentlich-Rechtlichen geeinigt (DWDL.de berichtete). Dieses sieht die Einführung eines Widerspruchsmodells vor (Details dazu finden Sie hier). Damals hatte die Politik noch die Hoffnung, diesen Vertrag ebenfalls an diesem Mittwoch unterzeichnen zu können. Das war aber schon damals nur Wunschdenken. Tatsächlich hängt der gesamte Prozess mittlerweile seit Wochen in der Schwebe.
Das große Warten: Was macht Karlsruhe?
Grund für die Blockade ist die Verfassungsbeschwerde von ARD und ZDF zur Nicht-Erhöhung des Rundfunkbeitrags bzw. die Haltung von Bayern und Sachsen-Anhalt dazu. Zur Erinnerung: Die KEF hatte empfohlen, den Rundfunkbeitrag ab Januar dieses Jahres anzuheben, darauf konnte man sich im Länderkreis aber nicht einigen. ARD und ZDF zogen dagegen vor das Bundesverfassungsgericht, dessen Entscheidung aber noch immer auf sich warten lässt. Bayern und Sachsen-Anhalt hatten daher im Dezember beschlossen, die Finanzierungsreform erst dann zu paraphieren und den Landtagen zur Anhörung zuzuleiten, wenn ARD und ZDF ihre Verfassungsbeschwerde zurücknehmen. Das ist nicht passiert und wird auch nicht mehr passieren. KEF-Empfehlung sowie die angestrebten Reformen hängen nicht direkt miteinander zusammen, werden von einigen Politikern aber trotzdem immer wieder verquickt.
Ein Regierungssprecher aus Sachsen-Anhalt bestätigt gegenüber DWDL.de, dass man bei der Haltung bleibe, sofern die Anstalten ihre Verfassungsbeschwerde nicht zurückziehen. Was nach einem Urteil aus Karlsruhe passiert, ist dagegen weiterhin unklar. Urteilt das Verfassungsgericht zugunsten der Öffentlich-Rechtlichen und hebt den Rundfunkbeitrag an, könnte das erneut für Unmut in den Ländern sorgen. "Nach einer etwaigen Entscheidung des Gerichts wird Sachsen-Anhalt prüfen, wie weiter zu verfahren ist, wenn dazu danach noch Anlass bestehen sollte", erklärt der Sprecher. Die bayerische Staatskanzlei hat auf eine Anfrage von DWDL.de nicht reagiert. Auch der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag muss, sollte die aktuelle Blockade gelöst werden, noch von allen 16 Parlamenten abgesegnet werden. Das dürfte tendenziell noch einmal schwieriger werden als beim Reformstaatsvertrag.
"Nach einer etwaigen Entscheidung des Gerichts wird Sachsen-Anhalt prüfen, wie weiter zu verfahren ist, wenn dazu danach noch Anlass bestehen sollte."
Regierungssprecher Sachsen-Anhalt
Aus der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, in der auch die Rundfunkkommission der Länder angesiedelt ist, bestätigt man auf DWDL.de-Anfrage, dass die Vorunterrichtung der Länder in Sachen Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag noch aussteht. Ende Januar hatten sich die Länder mit der KEF und den Rundfunkanstalten zusammengesetzt, um die geplanten Änderungen der Beitragsfestsetzung zu besprechen. "Hierbei wurden auch die unterschiedlichen Rechtsauffassungen ausgetauscht", erklärt eine Sprecherin der Landesregierung.
Die Länder gehen demnach weiter davon aus, dass eine Beitragserhöhung für die Jahre 2025 und 2026 nicht zwingend notwendig ist, weil die Rundfunkanstalten auf die sogenannte Sonderrücklage III zurückgreifen können. Dadurch sei weiterhin eine "funktionsgerechte Finanzierung" gewährleistet. Bei ARD und ZDF sieht man das offenkundig anders. Und die Tatsache, dass die Politik damit in ein Verfahren eingreift, in dem eigentlich die KEF die Herrin über die Zahlen ist, muss letztlich auch das Bundesverfassungsgericht bewerten. Die Länder wollen darüber hinaus erklärtermaßen den Rhythmus der Beitragsperioden (aktuell 2025 bis 2028) ändern, sodass die nächste Beitragsperiode den Zeitraum zwischen 2027 und 2030 umfasst. Die Politik erwartet sich bereits in den ersten beiden Jahren dieser Periode große Effekte durch die beschlossenen Reformen, die aber, wie oben beschrieben, noch gar nicht in Kraft sind.
Neuer Rhythmus der Beitragsperiode zeitlich kaum umzusetzen
Ob der Plan der Politik aufgeht, muss sich erst noch zeigen. Wie das Bundesverfassungsgericht in Sachen Rundfunkbeitrag entscheiden wird, ist unklar. Und dann ist da ja auch noch die KEF. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten befindet sich bereits seit Monaten in den Vorbereitungen für die Erstellung ihres 25. Berichts. Dazu hatte man bereits im Oktober die Rundfunkanstalten aufgefordert, ihren Finanzbedarf zu melden. Die KEF rechnet bis zum 25. April mit einer Antwort der Anstalten.
"In begründeten Ausnahmefällen sieht das KEF-Verfahren die Möglichkeit von sogenannten Nachmeldungen bis spätestens 30. Juni des jeweiligen Anmeldejahres vor", heißt es von der KEF gegenüber DWDL.de. Darauf sei im Anforderungsschreiben an die Anstalten hingewiesen worden. Die Nachmeldung wäre dann wichtig, wenn sich in der Zwischenzeit die rechtlichen Grundlagen verändert haben. Davon ist nach aktuellem Stand aber wohl eher nicht auszugehen. Bis der Reformstaatsvertrag durch alle Landesparlamente ist, dürften nochmal Wochen und Monate vergehen.
Ihren 25. Bericht will die KEF im Frühjahr 2026 veröffentlichen. Weil es sich dabei aber ohnehin nur um einen Zwischenbericht handelt und sich die rechtlichen Grundlagen bislang nicht verändert haben, ist hier nicht mit großen Überraschungen zu rechnen. Wenn die Politik aber wirklich den Rhythmus der Beitragsperioden ändern will, stellen sich ganz andere Fragen. Bei einem Neustart der Periode ab 2027 müsste die KEF entsprechend vorher auf Basis der neuen gesetzlichen Bestimmungen eine erneute Finanzbedarfsermittlung durchführen. Das dauert, siehe die Vorbereitungszeit für den 25. Bericht, länger als ein Jahr.
Das heißt: Die Anmeldung der Anstalten für eine fiktive Beitragsperiode ab 2027 müsste eigentlich schon in den nächsten Wochen eingehen, damit die KEF bis Anfang des kommenden Jahres eine Bewertung durchführen kann. In der Folge müssten wieder alle Landtage zustimmen, denn das Widerspruchsmodell soll ja ebenfalls erst ab 2027 gelten. Nur: Die Anstalten melden jetzt noch nicht für den von der Politik gewünschten neuen Beitragszeitraum an, weil dafür die rechtliche Grundlage fehlt. Der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag müsste dafür neu beschlossen werden. Aktuell befindet sich der Vertrag aber, wie beschrieben, in der Schwebe. Wenn das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, muss das Papier erst einmal unterzeichnet werden und dann von allen Ländern abgesegnet werden. Es wäre für die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten wie ein 6er im Lotto, sollte das alles noch in diesem Jahr passieren. Für die Finanzbedarfsermittlung der KEF für den Zeitraum 2027 bis 2030 wäre es dann trotzdem viel zu spät.
KEF sieht Einsparungen erst ab 2029
Und überhaupt: Dass sich die Politik durch die Reformen bereits 2027 und 2028 spürbare Auswirkungen auf den Rundfunkbeitrag erwartet, ist einigermaßen überraschend. Schließlich kam die KEF in ihrem Sondergutachten, das sie im Auftrag der Politik erstellte, zu dem Schluss, dass die von der Politik in dem umfassenden Fragebogen abgefragten Reformen für die Öffentlich-Rechtlichen für "2025 bis 2028 keine wesentlichen Einsparpotenziale" bieten würden. Anders sieht es für die Zeit danach aus - sprich: Ab dem Jahr 2029. Dann würde ohnehin eine neue Beitragsperiode starten. Sollte die Politik die Reformen in den kommenden Wochen und Monaten tatsächlich final beschließen, könnte die KEF bis dahin auf Basis dieser gesetzlichen Grundlage eine neue Bedarfsermittlung durchführen - und das unter Berücksichtigung von zeitlichen Fristen, die auch tatsächlich eingehalten werden können.
Oder um es anders zu formulieren: Der Plan der Politik, die Beitragsperiode neu zu definieren, ist eigentlich schon heute gescheitert. Aber: Wenn es beim heutigen Rhythmus bleibt, müssten die Öffentlich-Rechtlichen ihren Finanzbedarf für die Beitragsperiode 2029 bis 2032 im Frühjahr 2027 anmelden. Bis dahin sollte es dann auch die Politik schaffen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen nach ihren Vorstellungen neu zu setzen. Schnelle Punkte bei Wählerinnen und Wählern sind damit vielleicht nicht zu machen. Aber vielleicht eine nachhaltige Neuaufstellung des Systems, die nicht übers Knie gebrochen ist. Es ist eine große Chance. Mal sehen, ob es diesmal klappt.