Clowns, Eisbären oder Prinzessinnen im Wahllokal? Zumindest im Rheinland erfolgte manche Stimmabgabe am vergangenen Sonntag im Kostüm - der Karneval macht's möglich. Dass dessen heiße Phase mit der Bundestagswahl zusammenfällt, stellt jedenfalls ein echtes Novum dar. Und ist zugleich eine gewaltige Herausforderung für einige Fernsehredaktionen, die in diesen Tagen die Ausstrahlung diverser Karnevals- und Fastnachtssitzungen planen.
Ganz besonders betroffen ist der TV-Klassiker "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht", der, in diesem Jahr vom SWR verantwortet, am kommenden Freitag live im Ersten ausgestrahlt wird. Seit nunmehr 70 Jahren gehören scharfe Kommentare über das politische Geschehen zu den besonderen Merkmalen der Sitzung. "Die politisch-literarische Fastnacht spielt traditionell eine besondere Rolle in Mainz", sagt Günther Dudek, der als als Hauptabteilungsleiter des Bereichs "Land und Leute" auf Seiten des SWR im Hintergrund die Zügel in der Hand hält. "Sie ist zentraler Teil des Markenkerns unserer Sendung - und diesen pflegen wir auch."
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Konkret wurden deshalb am Montag die Gespräche mit den Rednern aufgenommen, um gemeinsam zu überlegen, wie auf die jüngsten politischen Ereignisse eingegangen werden soll. "Allerdings ist das Wahlergebnis ja allenfalls der Start für all das, was in den darauffolgenden Tagen passieren wird", weiß Dudek. "Bis zum Freitag kann sich deshalb noch viel tun. Der Anspruch der Redner ist aber ganz klar, bis zuletzt auf die aktuellen Entwicklungen zu reagieren."
Allzu großen Einfluss auf das, was etwa Florian Sitte mit seinem Protokoll in der Rolle des "Till", Johannes Bersch in seiner Figur der "Moguntia" oder Lars Reichow als Anchorman der "Fastnachtsthemen" zum Besten geben wird, hat der SWR allerdings nicht. "Die Redner schreiben ihre Vorträge selbst, die Freiheit liegt daher ganz bei ihnen", betont Günther Dudek gegenüber DWDL.de. Der SWR habe jedoch einen Blick darauf, dass nicht alle Redner ähnliche Ansätze favorisieren, "um dem Publikum letztlich einen möglichst abwechslungsreichen Abend zu bieten", erklärt er. "Wir achten darauf, dass die Reden überraschende Gags und Wendungen enthalten, wollen aber auf keinen Fall verletzen oder unter die Gürtellinie gehen. Wir sind aber keinesfalls diejenigen, die Reden maßgeblich korrigieren. Das war nie unsere Rolle und wird es in der Mainzer Fastnacht auch nicht geben."
WDR lässt Redepassagen neu drehen
Spürbar weniger politisch kommt dagegen der Kölner Karneval daher. Doch auch beim WDR sieht man sich dazu gezwungen, auf die politischen Entwicklungen zu reagieren. Hier hat man sogar ein besonderes Problem: Ausgestrahlt wird die Sitzung "Karneval in Köln" zwar traditionell am Rosenmontag, doch die Aufzeichnungen hierfür erfolgten bereits über eine Woche vor der Bundestagswahl. "Die aktuellen Bezüge aufgrund der vorgezogenen Bundestagswahl stellen in dieser Session natürlich eine Herausforderung für die Sitzungsformate dar", erklärt eine WDR-Sprecherin auf DWDL.de-Nachfrage.
Die Redaktion arbeite daher "intensiv an Lösungen für die Redner, die bei der Aufzeichnung auf das aktuelle politische Geschehen eingehen". Konkret sollen kurze Redepassagen möglicherweise noch einmal neu gedreht werden, heißt es von Seiten des Senders. Möglich ist das, weil im Kölner Gürzenich, wo an zwei Abenden die Aufzeichnung für die traditionelle Fernsehsitzung stattfand, nach der Wahl weitere Karnevalsgesellschaften ihre Veranstaltungen abhalten. Ein Kamerateam könnte also ohne Weiteres noch einmal Witze zum aktuellen Politgeschehen einfangen. "Das Vorgehen wird für die Zuschauerinnen und Zuschauer der Sendung in jedem Fall transparent sein", stellt die WDR-Sprecherin klar.
Ein solches Vorgehen ist bei einer anderen Mainzer Fastnachtssitzung, der vor allem im SWR-Sendegebiet traditionell quotenstarken Veranstaltung der "Bohnebeitel", nicht möglich. Diese wurde zwar am vergangenen Wochenende aufgezeichnet, soll an diesem Dienstagabend aber ohne Änderungen gesendet werden. "Redner und Redaktion haben sich darauf verständigt, dass die Bundestagswahl und der Wahlausgang kein großes Thema in der Sitzung sind", sagt SWR-Redakteur Günther Dudek. Die Mitwirkenden hätten ihre Vorträge "das ein oder andere Mal umgeschrieben" und das auch entsprechend thematisiert. Vor allem aber hätten sie es mit Humor genommen. Eine Eigenschaft, die in der fünften Jahreszeit ohnehin nicht die schlechteste ist.