Ob er sich vorstellen könne, 500.000 Euro in die Hand zu nehmen und eine eigene Produktionsfirma zu gründen, wollte TV-Produzentin Andrea Schönhuber-Majewski von einem ihrer größten Kunden wissen. Wohlgemerkt in Zeiten, da 80 Prozent der 375 Mitgliedsunternehmen in der Produktionsallianz angeben, dass es ihnen wirtschaftlich schlecht gehe. Ja, das könne er durchaus, antwortete RTL-Deutschland-Chef Stephan Schmitter auf der Bühne des Deutschen Produzententags. Mit der richtigen Mischung aus Mut und Kreativität könne man auch künftig viel bewegen.

Doch bei aller demonstrativen Zuversicht wurde schnell klar, dass der drittgrößte Auftraggeber der deutschen Produktionswirtschaft in nächster Zeit noch von so mancher Zumutung ausgeht. Auf eine Prognose für wachsende Werbemärkte im zweiten Halbjahr wollte Schmitter sich nicht festnageln lassen, allenfalls auf eine persönliche Hoffnung. Und selbst wenn: Auf das Auftragsvolumen, das RTL an die Produzenten ausschüttet, werde sich das in diesem Jahr nicht mehr auswirken. 2025 und wohl auch 2026 werde es bei der "Content-Milliarde" bleiben – also jener runden Milliarde Euro, die RTL jährlich ins Programm investiert.

Schönhubers charmanter Hartnäckigkeit war es zu verdanken, dass Schmitter sich veranlasst sah, die Budget-Aufsplittung etwas präziser zu erläutern. 20 Prozent fließen demnach in Inhouse-Produktionen, also vor allem an RTL News und ntv, aber auch an Show- und Reality-Produktionen der Sendertochter RTL Studios. "Und um bei der Gelegenheit auch mal mit Legenden aufzuräumen: Das Budget für Raab Entertainment ist in den 20 Prozent schon enthalten", so Schmitter weiter. "Es bleiben also 800 Millionen für den freien Markt." Eine durchaus überraschende Einteilung, die die Vorsitzende der Entertainment-Sektion mit dem Spruch quittierte: "Ich wusste gar nicht, dass Raab jetzt bei RTL eingegliedert ist."

Eine der wesentlichen politischen Forderungen der Produktionsallianz – nämlich die nach einer gesetzlichen Investitionsverpflichtung für alle in Deutschland verfügbaren Streaming-Plattformen – lehnte Schmitter wenig überraschend abermals ab. "Wir brauchen Beinfreiheit bei der Entwicklung neuer Programme und müssen zu hundert Prozent den Wünschen unserer Nutzer folgen", so der RTL-CEO. "Gerade in diesen angespannten Zeiten können wir es uns nicht leisten, Geld nach irgendwelchen Quoten zu vergeben." Und noch eine Zumutung sprach Schmitter in aller Offenheit an: RTL wolle versuchen, seine "Content-Milliarde" zu halten, sei dabei aber darauf angewiesen, dass künftig noch kosteneffizienter produziert werde.

Gemeinsam müsse man KI nutzen, um Produktionsprozesse zu optimieren, zu beschleunigen und günstiger zu machen. "Wir werden bei der Vergabe von Produktionsaufträgen genau darauf schauen, welche Firmen KI zukunftsorientiert einsetzen", so Schmitter. Ein ungeschminkteres Bild vom gegenwärtigen Markt hätte wohl kein Senderchef vermitteln können – einschließlich der Feststellung, dass man bei Entertainment-Shows ein "großes kreatives Loch" habe (O-Ton Schmitter: "Wir kriegen zu wenige neue Konzepte angeboten, die Produzenten sind nicht mutig genug").

Björn Böhning © imago / Mike Schmidt Björn Böhning beim Deutschen Produzententag 2025

Da hatte es der ARD-Vorsitzende und HR-Intendant Florian Hager – befragt von der Vorsitzenden der Sektion Fernsehen, Moovie-Geschäftsführerin Laura Machutta – vergleichsweise leicht, sich den Applaus der Produzenten abzuholen. Einerseits mit dem Bekenntnis, Meinungspluralität und Programmvielfalt aufrechterhalten zu wollen, was nur mit den Ideen aus den Produktionshäusern gehe. Andererseits aber auch zum aktuellen Branchenaufreger Joyn und dessen unabgesprochener Einbettung der Mediatheken von ARD und ZDF, die zuvor schon Produktionsallianz-CEO Björn Böhning als "Stibitzen unserer Produktionen" verurteilt hatte. Hager sprach von einer "neuen Form von Piraterie, die ich mir nicht hätte vorstellen können" und von einem "Akt des Raubrittertums", der viel zerstört habe. Das rechtliche Vorgehen der ARD gegen die ProSiebenSat.1-Plattform sei nicht zuletzt auch deshalb nötig, um Rechtevereinbarungen mit den Produzenten einzuhalten.

Eine letzte Ehrenrunde nach dem Scheitern der Ampel-Koalition durfte derweil Kulturstaatsministerin Claudia Roth auf dem Produzententag drehen, die dort im Vorjahr noch Standing Ovations für ihre vollmundigen Ankündigungen zur Reform der deutschen Filmförderung erhalten hatte. Vom eigentlich angestrebten Dreiklang aus FFG-Novelle, Steueranreizmodell und Investitionsverpflichtung für Streamer ist zum Jahreswechsel bekanntlich nur der erste Teil in Kraft getreten. "In den vergangenen drei Jahren sind wir nicht so weit gekommen wie erhofft", gab Roth zu, wenngleich die Erhöhung der Förderquoten von DFFF und GMPF ein wichtiger Meilenstein sei. "Diesen Erfolg lassen wir uns von niemandem kleinreden."

Dass ein Steueranreizmodell wohl unter der nächsten Bundesregierung kommen dürfte, während eine Investitionsverpflichtung weiter umstritten bleibt, ließ sich einer Diskussionsrunde mit den medienpolitischen Abgeordneten von CDU, SPD, FDP und Grünen entnehmen. Dass man dabei aus Roths Fehlern lernen kann, scheint einhelliges Fazit zwischen Rot, Schwarz und Gelb zu sein: In der neuen Legislaturperiode müsse man Tempo machen statt nur anzukündigen und vor allem die Länderfinanzminister frühzeitig einbinden, wenn es um Steueranreize gehe. "Keine Raketenwissenschaft" sei es, zwischen Bund und Ländern zu einer schnellen Einigung zu gelangen, befand auch Hamburgs Mediensenator Carsten Brosda, nachdem er die versammelten Produzenten mit einer rhetorischen Hymne auf die "kulturpolitische Pflicht" begeistert hatte: Staat und Steuerzahler müssten es auch künftig aushalten, dass "wir etwas fördern, von dem wir nicht wissen, was am Ende dabei herauskommt".