Der Vormittag des 14. Januar hielt für etliche Führungskräfte aus dem weit verzweigten Beteiligungsreich von Studio Hamburg und ZDF Studios eine faustdicke Überraschung bereit. Als das Medienmagazin DWDL.de vorab berichtete, dass die beiden öffentlich-rechtlichen Tochterkonzerne ihre Doku-Produktionsfirmen in Hamburg bündeln, gaben selbst Geschäftsführer von Schwesterbetrieben zu erkennen, dass sie diese Portfolio-Arrondierung nicht hatten kommen sehen.
Das Struktur-Streamlining, das ZDF-Studios-Chef Markus Schäfer und Michael Lehmann, CEO der Studio Hamburg Production Group (SHPG), im Stillen eingefädelt hatten, darf als Zeichen der Zeit gewertet werden: In einer anhaltenden Phase rückläufiger Märkte trifft das Phänomen der Konsolidierung nicht nur privatwirtschaftliche Produktionsgruppen, sondern auch die Töchter von ARD und ZDF, die lange Zeit ungebremste Expansion gewohnt waren. In einem "herausfordernden Marktumfeld" schaffe man durch die Zusammenführung "kreative Synergien" sowie "Kostenvorteile durch optimierte Ressourcennutzung", ließ Schäfer sich zitieren.
Der Schritt, die Produktionsfirmen doc.station und Eco Media in die Struktur des Joint Ventures Doclights einzugliedern, scheint ebenso pragmatisch wie sinnvoll, wäre aber vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen. Jede der beiden Seiten dockt eine bisherige 100-Prozent-Tochter bei dem Gemeinschaftsunternehmen an, dessen 51-Prozent-Mehrheit und operative Führung bei der SHPG liegt. Heißt im Umkehrschluss: ZDF Studios gibt ein Stückchen Kontrolle ab. Die Perspektive, Sachkosten für Büromieten, Buchhaltung oder Postproduktion einsparen und künftig übergreifend entwickeln, recherchieren und verkaufen zu können, wiegt heutzutage schwerer als der Drang nach voller Kontrolle.
Folgerichtig leitet ZDF Studios eine DWDL.de-Nachfrage zu den angestrebten Synergien unter Verweis auf den "operativen Lead" des Mehrheitsgesellschafters an die Hamburger weiter. Man wolle "in Zukunft in zusätzliche non-fiktionale Themenfelder investieren", gibt SHPG-Chef Lehmann zu Protokoll. Und weiter: "Natürlich entstehen aus der Bündelung der Unternehmen allein durch den Umzug der Eco Media und doc.station auf unser Studiogelände Synergieeffekte, die aber eher im Bereich der Technik und Verwaltung angesiedelt sind. Die dadurch frei werdenden Ressourcen werden in den kreativen Bereich reinvestiert." Ein Stellenabbau ist vorerst offenbar nicht geplant.
Es besteht die Gefahr, dass die von den Produzenten unternommenen Vorstöße mit dem Ziel verminderter Rechteübertragungen an das ZDF die Vermarktungsaussichten trüben.
Aus dem Konzernlagebericht von ZDF Studios
Die Frage, ob weitere Anpassungen bei den Beteiligungen von ZDF Studios anstehen, beantwortet Schäfer hingegen selbst: "Wir analysieren und bewerten unser Beteiligungsportfolio regelmäßig. Zurzeit gibt es aber keine konkreten Pläne zur Arrondierung des Portfolios." Wie man in Mainz die wirtschaftliche Perspektive einschätzt, geht aus dem Konzernlagebericht für das Geschäftsjahr 2023 hervor, der kurz vorm Jahreswechsel publiziert wurde. Der ZDF-Studios-Konzern bewege sich gegenwärtig in einem "immer fragileren, durch außenpolitische Bedrohungslagen erschütterten und ins Inflationäre umgeschlagenen Konjunkturumfeld – ein in seiner zeitlichen Ausdehnung ungewisser Risikofaktor", heißt es darin. Mit Blick auf die eigenen Produktionstöchter notiert ZDF Studios, das "notwendige Ausmaß an Entwicklungsarbeit für Neubeauftragungen bei Fortführung von (zeitlich begrenzten) Altaufträgen" führe absehbar in eine Phase "moderaterer Jahresergebnisse aufgrund nötiger Entwicklungs- und Investitionstätigkeiten bei weiter anhaltendem Margendruck".
Die Vorgaben, die den Lizenznehmern ein klareres Herausstellen der Marke ZDF abverlangen, dämpfen immer stärker die Abnahmevolumina der Plattformpartner.
Aus dem Konzernlagebericht von ZDF Studios
Während ZDF Studios insgesamt seine Umsatzerlöse um knapp drei Prozent auf 262,7 Millionen Euro steigern konnte und einen Konzern-Jahresüberschuss von 8,9 Millionen auswies (von dem 5,1 Millionen per Vorabausschüttung ans ZDF flossen), ging der Beitrag des Produktionsgeschäfts um fast sieben Prozent auf 130,4 Millionen zurück. Für 2024 und 2025 wird eine Geschäftsentwicklung auf etwa gleich bleibendem Niveau prognostiziert. Erfreulich dürften sich die Geschäfte der jüngsten Tochterfirma auswirken: Die im Mai 2023 gegründete 70-Prozent-Beteiligung Content Laden, ein Spezialist für Factual Entertainment mit Sitz in München, konnte 2024 sechs Produktionen im ZDF platzieren, darunter die Dokuserie "Magic Moves" mit den Ehrlich Brothers oder die momentan im Dreh befindliche Musiker-Weltreise "Song Trip" (DWDL.de berichtete).
Im Lizenzhandel, in dem ZDF Studios rund 46 Prozent seiner Erlöse mit Programmrechten vom ZDF realisiert, zeigt sich, wie konträr die eigenen Interessen zu jenen der Produzenten außerhalb des ZDF-Verbunds verlaufen. Ausweislich des Geschäftsberichts befürchtet man, dass "in Zukunft eher weniger als mehr Rechte" vonseiten des ZDF verfügbar sein könnten. Denn es bestehe "die Gefahr, dass die von den Produzenten schon seit längerem unternommenen Vorstöße mit dem Ziel verminderter Rechteübertragungen an das ZDF beziehungsweise höherer Erlösbeteiligungen die Vermarktungsaussichten der Gesellschaft trüben". Und noch ein bemerkenswertes, eher hausgemachtes Vertriebsrisiko führt ZDF Studios an: "Daneben dämpfen die neu gefassten Vorgaben des Markenradars, die den Lizenznehmern unter anderem ein klareres Herausstellen der Marke 'ZDF' abverlangen [...], in einem Umfeld, das Absenderkennungen kaum noch akzeptiert, immer stärker die Abnahmevolumina der Plattformpartner."
Gegenüber DWDL.de sagt Markus Schäfer, 2025 werde ein anspruchsvolles Jahr im Lizenzhandel, das aber möglicherweise auch Chancen biete: "Die Auswirkungen des Programmüberhangs aus den produktionsstarken Jahren werden sich voraussichtlich abschwächen. Im Digitalen gibt es Wachstumsfelder wie FAST und A- und SVoD, auch wenn diese den Nachfragerückgang bisher nicht kompensieren konnten." Was bleibe, so der ZDF-Studios-Chef, sei die "angespannte Budgetsituation bei allen wichtigen Kundengruppen – private Sender, öffentlich-rechtliche Sender und Streamer. Das wird sich weiterhin dämpfend auf die Nachfrage auswirken."